Archäometrische Analyse von KeramikSpurensuche in Tonscherben mit naturwissenschaftlichen Methoden

Petrographische Analysen mit einem Polarisationsmikroskop am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen.
Abb. 2 Petrographische Analysen mit einem Polarisationsmikroskop am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen.© M. Rageot

Keramik zeichnet sich durch breite Verwendungsmöglichkeiten aus, die von Baumaterialien bis hin zur Lagerung, Zubereitung und dem Konsum von Nahrung sowie als Luxusobjekte in kultischen Ritualen reicht. Dies macht Keramik in der Archäologie zu einer der wichtigsten Fundarten, die tiefgreifende Einblicke in die Wirtschaftsstruktur sowie politische und kulturelle Interaktionen vergangener Gesellschaften ermöglicht (vgl. Beitrag Kibaroğlu, S. 52). Keramik ist auch ein wichtiges Artefakt für die Stratigrafie und chronologische Einordnung kultureller Schichten.

Der Herkunft auf der Spur

Keramische Funde lassen sich u. a. mittels naturwissenschaftlicher Methoden analysieren – auch als Archäometrie bezeichnet. Zentral sind meist Fragen nach dem Herstellungsort sowie den Herstellungstechniken; dazu gehört etwa die Aufbereitung der Tonmasse (Magerung oder Schlämmen von Rohmaterial), um die gewünschten Eigenschaften für die jeweilige Keramikproduktion zu erzielen, sowie die Brenntemperatur. Archäometrische Untersuchungen ermöglichen eine genaue Identifizierung und Charakterisierung der verwendeten Rohmaterialien und Techniken. Dadurch lassen sich Fragen beantworten, die makroskopisch oder archäologisch nicht eindeutig zu klären sind. Die methodische Herangehensweise in der Archäometrie orientiert sich stark an geologischen Analysemethoden. So sind die Petrographie und Geochemie, die sich mit der physikalischen und chemischen Beschaffenheit von Gesteinen befassen, die wichtigsten Analyseverfahren für archäometrische Untersuchungen antiker Keramik.

Tonprobenentnahme in der Umgebung von Ekşi Höyük, Çivril-Ebene, Westanatolien.
Abb.1 Tonprobenentnahme in der Umgebung von Ekşi Höyük, Çivril-Ebene, Westanatolien. B. Semiz

Bei der Provenienzanalyse unbekannter Keramikobjekte, um diese einem spezifischen Ort oder einer Region zuzuordnen, ist die Anwendung von Vergleichsmaterial entscheidend. Als Referenzmaterial können dabei Fehlbrände aus antiken Töpferwerkstätten sowie Warengruppen mit bereits bekannter Herkunft verwendet werden. Eine wichtige Vergleichsbasis bilden hierbei Tonproben aus der Umgebung des Fundorts (Abb. 1). Die chemischen und petrographischen Merkmale dieser Tonlagerstätten, die potenziell für die keramische Produktion verwendet wurden, tragen zur Identifizierung der primären Tonquellen bei, die für die Herstellung der untersuchten Keramikerzeugnisse genutzt wurden. Zudem liefern sie aufschlussreiche Erkenntnisse über die Produktionsweisen, organisatorischen Strukturen, Arbeitsprozesse und die Interaktion der Töpfer mit ihrer natürlichen Umgebung.

Auf mikroskopischer Ebene

Die in Keramik enthaltenen Einschlüsse von Mineral- und Gesteinsfragmenten lassen sich durch ihre spezifischen optischen Eigenschaften mithilfe eines speziellen Mikroskops, des sog. Polarisationsmikroskops, identifizieren (Abb. 2). Dies ermöglicht es, Rückschlüsse auf die geologischen Gegebenheiten des Herkunftsortes der Keramik zu ziehen und so den Herstellungsort zu lokalisieren. Die petrographische Analyse ist ebenfalls ein unverzichtbares Werkzeug zur Untersuchung der Herstellungstechnik von Keramik. Durch petrographische Analysen können zudem Aspekte wie das Vorhandensein bestimmter Mineralien oder Mikrostrukturen untersucht werden (Abb. 3). Dies gibt wiederum Hinweise auf die Machart und Brenntemperatur.

Dünnschliffaufnahme einer hethitischen Keramik (großer Teller) aus Ortaköy/Šapinuwa, Zentralanatolien
Abb. 3 Dünnschliffaufnahme einer hethitischen Keramik (großer Teller) aus Ortaköy/Šapinuwa, Zentralanatolien. Im Bild oben rechts und unten links erkennt man grobe vulkanische Fragmente (Basalt/Andesit). Die Aufnahmen wurden mit fünffacher Vergrößerung bei gekreuzten Polarisatoren aufgenommen. M. Kibaroğlu

Darüber hinaus tragen petrographische Analysen dazu bei, die Ergebnisse chemischer Analysen genauer zu interpretieren. Diese Methoden erlauben es, die komplexen Prozesse der Keramikherstellung, von der Auswahl der Rohstoffe über die Verarbeitung bis hin zum Brand, zu rekonstruieren. Somit bieten sie tiefe Einblicke in die technologischen Fähigkeiten und kulturellen Praktiken der antiken Gesellschaften.

Auf elementarer Ebene

Ein weiteres Hauptverfahren, das in archäometrischen Untersuchungen von Keramik eingesetzt wird, ist die chemische Analyse. Diese Methode untersucht die elementare Zusammensetzung von Keramik und ist eine der wichtigsten Techniken zur Erforschung der geografischen Herkunft der Rohstoffe. Die chemische Analyse in der Archäometrie stützt sich auf das sog. Provenienz-Postulat: Damit wird die Annahme bezeichnet, dass Keramikwaren, die aus derselben Tonrohstoffquelle unter demselben Verfahren hergestellt wurden, eine ähnliche Elementzusammensetzung aufweisen. In der archäometrischen Analyse steht ein breites Spektrum an Methoden zur Verfügung, u. a. die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF), die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) und die Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS), die jeweils eigene Vor- und Nachteile haben. Neben einer klar definierten Fragestellung sind Kriterien wie Arbeitsaufwand, Verfügbarkeit, Kosten, Probenmenge und die Frage, ob die Proben zerstört werden dürfen, ebenfalls zu berücksichtigen.

Die Archäometrie gehört zu den interdisziplinären Forschungsbereichen – eine erfolgreiche archäometrische Ana- lyse erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Naturwissenschaftlern, um die Analyseergebnisse in einem archäologischen Kontext sinnvoll interpretieren zu können. Zum Anwendungspotenzial am Beispiel der hethitischen Keramik auf S. 52.

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