Im Jahr 1967 wurde durch den Fund einer monumentalen lateinischen Inschrift die archäologische Erforschung der armenischen Hauptstadt Artaxata/Artashat in der Ararat-Ebene von Armenien angestoßen. Die Stadt liegt auf 17 Hügeln bei dem berühmten mittelalterlichen Kloster Khor Virap am Fuße des Berges Ararat (Abb. 1). Die hellenistische Stadt wurde im frühen 2. Jh. v. Chr. von König Artaxias/Artashes gegründet und prosperierte als politisches und wirtschaftliches Zentrum Armeniens bis in die Spätantike. Die materielle Kultur der Stadt ist nicht nur von lokalen Charakteristika geprägt, sondern stand in engem Austausch mit dem Mittelmeerraum, Mesopotamien, Iran und dem nördlichen Kaukasus. Schon vor der Gründung der hellenistischen Stadt war der Ort besiedelt, und in den letzten Jahren wird die Bedeutung einer urartäischen Vorgängerstadt mehr und mehr evident.
Abb. 2 Das Grabungshaus der Artaxata-Expeditionen in Lusarat.
Armenian-German Artaxata Project
Es war der Altmeister der Klassischen Archäologie in Armenien, Babken N. Arakelyan, der die Ausgrabungen vorantrieb und bis zur Mitte der 1980er-Jahre intensiv die hellenistische Stadt erforschte und die Ergebnisse in zwei Monographien vorlegte. Nachdem deutlich geworden war, welche reichhaltigen Funde diese hellenistische Metropole bereithielt, begann man zur systematischen Erforschung der Stadt mit dem Bau eines großen Grabungshauses im Nachbardorf Lusarat, denn zuvor hatten die archäologischen Expeditionen keine dauerhafte Bleibe am Ort (Abb. 2). Begonnen wurde mit dem Bau 1980, zwei Jahre später war das Gebäude fertig und konnte bezogen werden. Es war damals und ist bis heute das am besten gebaute Haus in dem ländlichen Lusarat und es besteht aus dem schönen roten Tuffstein Nordarmeniens. Es wurde von dem Architekten Makig Manvelian entworfen.
Abb. 3 Fundbearbeitung im Garten des Grabungshauses.
Armenian-German Artaxata Project
Ein Zuhause für die Archäologie in Artaxata
Das dreistöckige Gebäude mit einer breiten Front mit Balkonen liegt in einem üppigen Garten, der von den Grabungsteams zur Fundbearbeitung und zum Aufenthalt genutzt wird und zugleich als Steingarten dient (Abb. 3). Das Gebäude selbst hat im Erdgeschoss einen großen Büroraum mit Laborplätzen, in dem auch besondere Funde gelagert werden sowie einen Aufenthaltsbereich, eine Küche und ein großes Speisezimmer mit Tischtennisplatte. Solche Tischtennisplatten gehören zur Ausstattung auch anderer armenischer Grabungshäuser und sie werden im Laufe der Kampagne zumeist zur Sortierung von Keramik in Beschlag genommen. Im ersten Obergeschoss liegen zwei große Gruppenschlafräume und im zweiten Obergeschoss vier weitere Schlafzimmer, Bäder und Depots. In einem Zwischengeschoss unter dem Dach wurde eine Bibliothek eingerichtet, damit jederzeit relevante Fachliteratur zur Verfügung steht. Das Grabungshaus ist voll unterkellert und der Keller dient den Grabungsprojekten als Keramik- und Funddepot (Abb. 4).
Abb. 4 Einsatz des «Laser Aided-Profilers» zur Keramikdokumentation im Grabungshaus.
Armenian-German Artaxata Project
Das Grabungshaus von Artaxata ist das größte und großzügigste Grabungshaus in ganz Armenien und es sollte der langfristigen Erforschung des Ortes dienen. Bis zum Ende der Sowjetunion wurden dann zunächst noch unter der Leitung von Arakelyan und dann ab 1986 unter Zhores Khachatryan verschiedene archäologische Projekte in der Stadt durchgeführt, doch in den frühen 1990er kamen in der Folge einer schweren Wirtschaftskrise die meisten archäologischen Forschungen faktisch zum Erliegen (Abb. 5). Ab 2003 führte Khachatryan Ausgrabungen im unmittelbaren Grenzgebiet zur Türkei, im sog. Riverside District durch, wo stark römisch beeinflusste Bauten zu Tage kamen. Diese Forschungen setzte ab 2016 der neue Grabungsleiter Mkrtich H. Zardaryan fort, der sich zugleich internationalen Kooperationsprojekten öffnete und zunächst mit einem polnischen Team zusammenarbeitete.
Abb. 5 Ein Ölgemälde im Grabungshaus fängt die Aufbruchstimmung der Erforschung der antiken Stadt während der frühen 1970er-Jahre ein, gemalt von dem Teammitglied und Epigrafiker Alexander Manucharyan, undatiert.
Armenian-German Artaxata Project
Seit 2018 besteht eine Kooperation mit der Universität Münster unter der Leitung von Achim Lichtenberger und Torben Schreiber im «Armenian-German Artaxata Project», das – von der DFG gefördert – seitdem jährliche Kampagnen in der Unterstadt von Artaxata durchführt. Das Ziel dieser Forschungen ist es, die Gründungsphase der hellenistischen Stadt und anschließende urbane Veränderungsprozesse zu verfolgen. Ein solches Projekt ist nur dank der hervorragenden Infrastruktur des spätsowjetischen Grabungshauses möglich, welches weitgehend noch seine ursprüngliche Einrichtung bewahrt und nur behutsam modernisiert wurde. Für das knapp 20-köpfige armenisch-deutsche Team ist es die Basis und für viele Wochen im Jahr die Heimat. Es ist schön zu sehen, dass der Traum von Arakelyan in Erfüllung gegangen ist und das Grabungshaus Ausgangspunkt für die langfristige Erforschung von Artaxata geworden ist.