Eine archäologische Stadtbiographie von Karthago steht vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen. Oberhalb des heutigen Geländeniveaus hat sich von der antiken Metropole fast nichts erhalten. Darunter verbirgt sich die nach Rom wohl mächtigste und komplexeste Stratigraphie des Mittelmeerraumes, die jede kritische Untersuchung erschwert. Der klassische Archäologe Stefan Altekamp legt mit seinem Buch zu Karthago ein neues und umfangreiches Werk vor, an dem in den nächsten Jahren kein Weg vorbeiführen wird, wenn man sich mit der Archäologie Nordafrikas beschäftigt. Auf beinahe 800 Seiten schildert er ausführlich Gründung und Aufstieg zur Supermacht des westlichen Mittelmeerraumes, die Zerstörung und Neugründung durch die Römer, die Blütezeit der römischen Metropole, die spätantik-christliche Epoche und die früharabische Zeit. Darüber hinaus präsentiert Altekamp auch die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte im Rahmen von Kreuzzügen und Eroberungszügen.
In der zweiten Hälfte des Werks widmet sich der Autor der Forschungsgeschichte Karthagos und ihrer Rezeption als politischer, kolonialzeitlicher oder nationalistischer Projektionsraum. Eines wird deutlich: Die mehr als tausendjährige Geschichte Karthagos war von wiederkehrenden Zerstörungen, Aufbau und Aufschwüngen geprägt, deren historische Überlieferungen oftmals widersprüchlich oder fragmentarisch sind. Zudem decken sich diese nicht immer mit dem archäologischen Befund, der oftmals in Hinblick auf diese stadtbiographischen «Zäsuren» mehr Kontinuität durchscheinen lässt. Stefan Altekamp gelingt es in seinem Buch, die gewaltige Masse an Forschungspublikationen, historischen Quellen bis hin zu den neuzeitlichen Rezeptionen zu vereinen und die Stadtbiographie Karthagos dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen.