Der karthagische Feldherr und Politiker Hannibal Barkas hat seit der römischen Antike einen festen Platz im europäischen Bildungskanon. Jan-Markus Kötter legt nun in der Beckwissen-Reihe eine neue Biographie zu «Roms größten Feind» vor. Bereits zu Beginn stellt Kötter fest, dass moderne historische Biographien immer zwischen den diskursiven Ebenen der antiken Historiographie unterscheiden müssen und dies insbesondere für die Figur des Hannibal gilt: Er ist offen für Zuschreibungen bei modernen und antiken Autoren, eine historiographische Projektionsfläche. Der antike Quellenverlust – vornehmlich karthagische oder griechische Werke – führt bei Hannibal zu einer gewissen Verzerrung durch die römische Geschichtsschreibung, sodass Kötter bereits zu Beginn feststellt, dass «letztlich niemals ein historischer Hannibal greifbar [ist], sondern immer nur ein historiographischer».
Das Ziel von Kötters Biographie ist es aufzuzeigen, wie die historiographischen Quellen einen der «größten Helden der Antike nicht allein beschreiben und präsentieren, sondern in gewisser Weise überhaupt erst erschaffen». Diese vielschichtigen Projektionen auf die Figur des Barkiden zeigt der Althistoriker in mehreren Episoden wie dem vermutlich fiktiven Aufeinandertreffen von Hannibal in Scipio in Ephesos (Kap. I), seines Schwurs den Römern niemals ein Freund zu sein (Kap. III) oder zuletzt in der Literarisierung seines Todes (Kap. XI). Das Buch weist daneben militärhistorische und ereignisgeschichtliche Analysen des Alpenfeldzugs (Kap. V), der Schlachten vor und nach Cannae (Kap. VI) und der finalen Niederlage bei Zama (Kap. VII) auf. In den letzten Kapiteln (VII–X) betrachtet Kötter seiner Leitlinie folgend die Figur des Hannibals differenziert zwischen historiografischer Überlieferung und literarischer Überprägung, die ihn in den folgenden Jahrhunderten zum «römischen Antihelden» stilisierte.