Antike Frisurengeschichte(n)

Es dürfte bis in unsere heutige Zeit wohl kaum eine menschliche Kultur gegeben haben, in der das Haar keine Rolle als Ausdrucksträger gespielt hat bzw. spielt. Länge, Farbe sowie Gestaltung waren und sind stets mehr als nur Kennzeichen einer individuellen Identität. Vielmehr lassen sich mit ihrer Hilfe ganz unterschiedliche Gruppenzugehörigkeiten etwa nach Geschlecht, Alter und Herkunft, aber auch soziale Rollen visualisieren, und sie können darüber hinaus Botschaften bis hin zu Aussagen über politische, religiöse, sexuelle u. a. Orientierungen transportieren.

Die Welt der Griechen und Römer ist in dieser Hinsicht nicht weniger vielfältig gewesen als es momentan unsere eigene ist. Antike Frisuren waren weit mehr als bloße Modeerscheinungen. Schon das frühgriechische Epos versteht die Haar- und Barttrachten der Helden als Spiegel ihres jeweiligen Verhaltens. Ebenso tragen die olympischen Götter spezifische Haartrachten, die sie individuell kennzeichnen und viel über ihre Wirkungsmacht sowie Charakter verraten. Auch spielten Haarweihungen in Kulten eine größere Rolle, so bspw. bei Initiationsriten, bei denen der Übergang in eine neue Lebensphase durch eine rituelle Haar- und/oder Bartschur markiert wurde.

Die Frisuren der Griechen und Römer zeugen aber ebenso von komplexen kulturellen Zusammenhängen. Dass bspw. die jungen Männer schon vor und erst recht nach den Perserkriegen kurzes statt langes Haar bevorzugten, Alexander der Große eine Löwenmähne zur Schau trug, sich dafür aber rasierte, und erst Kaiser Hadrian den Bart wieder in die Herrscherikonographie einführte, hatte alles seine Gründe. Zudem sind bestimmte Haar- und Barttrachten zugleich als intellektuelle Bildzeichen verstanden worden, d. h. die einzelnen Philosophenschulen trugen ganz unterschiedliche Frisuren, sodass man diese an der Art und Weise des gestutzten oder nicht gestutzten Bartes, des gepflegten oder nicht gepflegten Haares unterscheiden konnte. Vom langhaarigen und bärtigen Philosophenimage war es dann nur noch ein kurzer Weg zur Ikonographie von Christus und seinen Aposteln.

Anhand einzelner Fallbeispiele sollen diese und andere Frisurengeschichte(n) in chronologischer Folge erzählt werden. Der zeitliche Rahmen umfasst dabei gut 2500 Jahre. Er reicht von den langlockigen Minoern bis zum hippiehaarigen Christus der Spätantike. Vollständigkeit ist nicht angestrebt. So fehlen insbesondere die Frisuren der Kinder. Stattdessen wurde sich bemüht, die wichtigsten Aspekte der Haartrachten für Erwachsene in ihren Grundzügen zu thematisieren. Zu danken hat der Autor zunächst allen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Fachpublikationen den Weg für diese zusammenfassende Betrachtung geebnet haben.

Die für den vorliegenden Text maßgeblichen Untersuchungen sind alle im Anhang genannt, stellen jedoch nur eine kleine Auswahl aus der Fülle des Vorhandenen dar. Sie ermöglichen den Leserinnen und Lesern aber, sich in die Materie weiter zu vertiefen und zugleich Übernahmen aus der bisherigen Forschung zu erkennen. Der Anhang dient zugleich dazu, im Text erwähnte Objekte, die dort aus Platzgründen nicht abgebildet werden konnten, durch entsprechende Literaturhinweise leicht aufzufinden.

Ein großer Dank gebührt darüber hinaus insbesondere Leoni Hellmayr, die den Druck dieses Sonderheftes der Zeitschrift ANTIKE WELT trotz widrigster Umstände ermöglicht hat. Den Anstoß zur Abfassung des bewusst populärwissenschaftlich gehaltenen Textes gaben Yvonne Hoffmann und Guido Paefgen vom Staatstheater Mainz, die regelmäßig mit interessierten Maskenbildnerinnen und -bildnern Gäste der Sammlungen der Klassischen Archäologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sind und meinten, die dort gehörten Frisurengeschichte(n) seien durchaus unterhaltsam. Gewidmet ist das Sonderheft mit einem großen Dank für ihre Unterstützung und Freundschaft der langjährigen Kollegin, Angelika Schurzig, die nach über 40 Dienstjahren als archäologische Fachfotografin in diesem Mai in den Ruhestand verabschiedet wurde. Möge das Buch ihr und der erwarteten Leserschaft Vergnügen bereiten!

Patrick Schollmeyer, Mainz im Juni 2024

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