Die Gewalt ist die »dunkle Seite« des menschlichen Verhaltens. Sie scheint unseren prosozialen Verhaltensweisen diametral entgegenzustehen. Richard Wrangham versucht die scheinbare Unvereinbarkeit beider Aspekte aufzulösen: Dies gelingt ihm, indem er die Wesensunterschiede zwischen »reaktiver« und »aktiver« Aggression herausarbeitet. Er argumentiert, dass die reaktive Aggression des Menschen im Laufe der Evolution abgenommen habe, der Mensch also friedfertiger geworden sei – das Ergebnis einer »Selbstdomestizierung«! Die Kehrseite: Die Selbstdomestizierung bedient sich des Instrumentenkastens der aktiven Aggression. Diese ist zielgerichtet und vorsätzlich und – wenn bündnishaft – geeignet, Sanktionierungen und Strafen, einschließlich der Todesstrafe, durchzusetzen. So hat im Laufe unserer Evolution die aktive Aggression zugenommen und ist in unseren Gesellschaften zum wesentlichen Machtfaktor geworden. Was gut und böse ist, entscheiden Bündnisse; sie beschließen geeignete Strafmaßnahmen – bis hin zu Kriegen. Solcherlei Konflikte einzudämmen wird vielleicht nie möglich sein, sind sie doch erst durch die »Erfindung« bündnishafter aktiver Aggression möglich geworden. So spannend und eindringlich das Buch und die Thematik auch sind, so schwierig bleibt aber auch der Nachweis einiger Aspekte. In jedem Fall eröffnet das Buch jedoch neue Einsichten in dieses für das Verständnis der Menschwerdung und die Zukunft der Menschheit so entscheidende Thema.
| Olaf Jöris