AEOLOS
Brettspiel von Arve Fühler und Guido Eckhoff
Weiler bei Bingen: SPIEL DAS! Verlag 2022, 2–4 Spieler, ab 10 Jahren, ca. 45 Euro
Weniger auf archäologischen Pfaden wandelnd, dafür aber umso mehr im Windschatten der griechischen Mythologie segelnd, findet man sich bei AEOLOS wieder. Benannt ist es nach dem griechischen Windgott Aiolos, der Seefahrende zu einem Wettstreit einlädt. Dem Gewinner gebührt die höchste Ehre, denn dieser wird in den Bund der Götter des Olymp aufgenommen. Doch der Weg dorthin birgt so manche Herausforderung, der man sich mitunter nur mit der »Gunst der Götter«, den Aktionskarten des Spiels, stellen kann.
Gespielt werden kann zu zweit auf der Vorderseite des Spielplans oder aber zu dritt bzw. zu viert auf der Rückseite desselben. Jedem Spieler stehen fünf Schiffe, drei Siedlungen und ein Prophet zur Verfügung. Diese gilt es, in den sieben vorhandenen Inselhäfen zu bauen, zu errichten und zu platzieren, und von dort aus weiterzubewegen, um entweder die Siegpunkte bringenden heiligen Kristalle zu ergattern oder aber über verschiedene Flussläufe zu den Tempeln der Winde zu gelangen, in denen weitere Siegpunkte darauf warten, eingesammelt zu werden. Bewegt wird sich mittels gezogener Spielkarten, Segelkarten genannt, anhand derer sich die einzelnen Züge, der Segelwert, bestimmen. Das Spiel endet, sobald der Nachziehstapel aufgebraucht ist. Wer am meisten Punkte hat, gewinnt.
Allein das Spielbrett ist wundervoll von Marco Armbruster illustriert. Besonders schön für Kenner ist auch, dass die Holzspielsteine an griechische Galeeren und Tempel erinnern und die Aktionskarten Namen bekannter Götter des Olymp tragen.
| Annine Fuchs
Archaeoflug – Archäolgische Denkmäler der Pfalz in Luftbildern und Rekonstruktionen
Andrea Zeeb-Lanz, Michael Voselek, Roland Seidel, Ulrich Kiesow
München: Florian Ebering Verlagshaus Schlosser 2022, 210 S., 34,90 Euro
Dieses Buch trägt einen Titel mit zweierlei Bedeutung. Einerseits bezeichnet er die Arbeit archäologischer Flugprospektion; zudem ist er der Name einer vierköpfigen Arbeitsgruppe, die aus Ulrich Kiesow, Roland Seidel, Michael Voselek, Andrea Zeeb-Lanz besteht und seit 2003 meist ehrenamtlich für die Landesarchäologie Speyer verborgene Spuren aus der Luft aufspürt.
Nach einer kurzen methodischen und technischen Einführung in die Luftbildarchäologie werden vor allem die Ergebnisse 20-jähriger Suchflüge in Luftbildern und digitalen 3D-Rekonstruktionen mit Bildtexten dargelegt.
Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, welcher Erfolg erzielt werden kann, wenn Archäologen mit Ortskenntnis und Felderfahrung selbst in die Luft gehen und anschließend die Luftbildauswertung und gar die Publikation in die Hand nehmen. Die hoch interessanten Luftbildbefunde von der Jungsteinzeit bis in die jüngste Epoche der Geschichte wurden mit einem Motordrachen erzielt. Nur mit viel Engagement, Abenteuerlust und Leidenschaft für
die Heimatforschung kann erst so eine Leistung vollbracht werden.
Eindrucksvolle Luftbilder mit Spuren von Siedlungen, Befestigungen, Gräbern, Gutshöfen, Tempel usw. werden größtenteils mit lebendigen 3D-Rekonstruktionen veranschaulicht, die nicht nur für Fachkollegen, sondern auch für interessierte Laien beeindruckend, anregend und lehrreich sind.
| Baoquan Song
Nur Menuett und Schönheitspflaster? Das »oberflächliche« Rokoko war eine Aufbruchszeit der modernen Altertumswissenschaften, und die Wiederentdeckung Herculaneums elektrisierte die europäische Öffentlichkeit. Eindrucksvoll vermittelt Splitter, wie die Sensation sich untrennbar mit ihrer Umgebung verflocht – der dicht genutzten, doch pittoresken Landschaft rund um Neapel, das für das 18. Jh. eine Megastadt war. Konsequent nutzte die Monarchie die antiken Funde als seltene Ressource (die nicht zufällig unter Lebensgefahr bergmännisch abgebaut wurde!). Repräsentationsaufgaben des Absolutismus erfüllte das Museum im Schloss von Portici; der Deutungsstreit unter Gelehrten und Höflingen – keine klar getrennten Kategorien – wirkt bis heute nach, zielte aber auf die eigene Position im Sozialgefüge. Vom Königreich beider Sizilien schlägt dessen zweimaliger Besucher, Simon Louis du Ry, eine Brücke über die Alpen – Beispiel für die Hoffnungen des restlichen Europa auf einen Wissens-, gern auch Kulturgütertransfer in die eigenen Residenzstädte. Mit du Rys Rückkehr nach Hessen-Kassel folgen wir auch dort der Rolle der Antike als Bezugsgröße im Veränderungswillen des Ancien Règime. Prächtig wie ein Schloss ist der facettenreiche Band ausgestattet – sogar monumentale Drucke des 18. Jh. kommen grandios zur Geltung. Die Reproduktionen halten den Test mit der Lupe mühelos aus; das Eintauchen in die wirklich »gestochen scharfe« Detailfülle der Illustrationen und Karten ist gut für ein vielfaches Wiederlesen voller Neufunde.
| Jörg Fündling
Fünfte Sonne – Eine neue Geschichte der Azteken
Camilla Townsend
München: C.H. Beck-Verlag 2023, 412 S., 32 Euro
Die »Fünfte Sonne« bezeichnet nach aztekischer Kosmologie das gegenwärtige Weltalter der Menschen und ihrer Geschichte. Die Autorin dieses jetzt in deutscher Übersetzung erschienenen Werkes will eine neue Geschichte der Azteken anhand nativer Schriftquellen erzählen. Dabei bezieht sie auch das eigene wissenschaftliche Tun in ihre methodisch und sachlich weitgespannte ausgewogen reflektierende Beurteilung der Dokumente und deren Erforschung ein. Doch diese hat die spanische und vor allem die indigene Literatur, auch in der eigenen Sprache, dem Nahuatl, schon seit einiger Zeit im Blick. Auch hier nicht berücksichtigte deutschsprachige Übersetzungen und entsprechende Sekundärliteratur liegen vor.
Die Problematik der Akkulturation einheimischer Eliten, die Bedingtheiten ihres Textschaffens zeigen sich deutlich. So stehen neben dem Bezug von Politik, Gesellschaft sowie Religion rein »inneraztekische« Kommunikationen.
Über die Frage nach objektiver Kontinuität und Diskontinuität in der aztekischen Geschichte, der Einbeziehung psychologischer Konzepte von Trauma und Traumabewältigung der Conquista wird man weiter debattieren müssen. Wichtig ist auch die wirkmächtige Rolle von postkolonialen Theorien und Wertungen: Welche sachliche Bedeutung hat dabei »Transformation«? Und wo ist bei dieser die Grenze zur Substanzänderung des »Aztekentums« erreicht?
Das Buch ist, trotz eines in der Einleitung und im Schlusskapitel teilweise emotionalen Tons, eine anregende Lektüre, auch wenn nicht alles so neu ist, wie der Titel verspricht.
| Jochen Haas
Gold und Silber in fremder Münze – Die Schatzfunde des späten Mittelalters aus Stammham
Michael G. L. Herrmann, Leonard Königer, Kurt Richter
Stammham: Verlag Dr. Faustus 2022, 119 S., 24, 95 Euro
Stammham ist nicht nur wegen des 1856 entdeckten prachtvollen römischen Mosaiks ein Begriff. Bemerkenswert sind auch die beiden spätmittelalterlichen Münzschätze, die 2014 und 2016 dort gefunden wurden. Der erste Hort besteht hauptsächlich aus 30 Florentiner Goldgulden vom ausgehen-
den 13. Jh. bis zum Jahr 1329/30 und ist wohl mit dem Italienzug Ludwigs des Bayern von 1327 bis 1330 in Verbindung zu bringen. Er ist von großer wissenschaftlicher Bedeutung, da es sich erst um den zweiten hauptsächlich aus Florenen bestehenden Schatzfund der ersten Hälfte des 14. Jh. in Bayern handelt. Der zweite Münzhort umfasst 40 französische Silbermünzen, die in den Jahren 1266 bis 1322 ausgemünzt wurden, wobei der Großteil der Münzen unter König Philipp IV. geprägt wurde. Es ist der erste ausschließlich franzöische Königsturnosen enthaltende Hortfund der ersten Hälfte des 14. Jh. auf bayerischem Boden. Vermutlich gelangten die Münzen auf dem Handelsweg nach Bayern und so in den regionalen Geldumlauf. Der schöne Band stellt beide Horte, die von November 2022 bis Januar 2023 in einer Sonderausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt zu sehen waren, in gelungener Weise vor. Er besticht durch einen vorbildlichen Katalog mit gründlicher Beschreibung aller Münzen, eine fundierte geldgeschichtliche Auswertung der Funde und durch die hervorragenden Fotografien. Somit kann
er allen, die sich für die mittelalterliche Numismatik Bayerns interessieren, empfohlen werden.
| Josef Fischer
Das Leben des BODI – Eine Forschungsreise ins frühe Mittelalter
Elke Nieveler, Michael Schmauder, Thorsten Valk (Hrsg.)
Darmstadt: wbgTHEISS 2023, 288 S., durchg. farb. Abb., 36 Euro
Während die Dauerausstellung im LVR-LandesMuseum Bonn umgestaltet wird, greift das Haus in seine Bestände und stellt bis zum 15. Oktober 2023 die Bestattung eines fränkischen Elitekrieger aus dem spätern 6. Jh. vor. Da die reichen Beigaben teils gut, teils gar nicht erhalten sind, entschied man sich, Vergleichsstücke aus weiteren Grabensembles zusammenzutragen – vieles davon spektakulär genug für eine eigene Ausstellung. Etwas zu wenig behandelt wird jedoch die politisch-
soziale Situation des »Titelhelden«. Diese Lücke schließt der Katalogband: Das Machtgefüge der Eliten im Merowingerreich und ihr weiteres geopolitisches Umfeld werden auf der Höhe der Forschung vorgestellt.Die »Hingucker« der Ausstellung, der Siegelring mit der Inschrift BODI und ein Lamellenpanzer (samt eindrucksvoller Rekonstruktion), sind weitere Schwerpunkte, von denen aus Gebrauchs- und Repräsentationsobjekte eines Vornehmen in dieser konfliktreichen Übergangszeit dargestellt werden. Detailfotos, Pläne und Karten sind den Objekten und Aufsätzen in so großzügiger Menge beigegeben, dass dem Band im akademischen Bereich eine dankbare Aufnahme sicher ist. Für Interessierte, die nicht vom Fach sind, liegt die Zugangsschwierigkeit in manchen Artikeln doch etwas hoch – aber in der großen Mehrzahl der Fälle wird bei aller Komplexität auf hohe Lesbarkeit geachtet, nicht zu vergessen ein Glossar und eine sehr hilfreiche Zeittafel im hinteren Vorsatz des attraktiven Katalogs.
| Jörg Fündling
Die mausetoteste Mumie aus dem Alten Ägypten Das Geheimnis von Tutanchamun
Silke Vry, illustr. v. Marie Geissler
Leipzig: E.A. Seemann in E.A. Seemann Henschel 2022, 72 S., zahlr. Abb., Dusty Diggers Bd. 4, 16,95 Euro
2022 feierte die Entdeckung von Tutanchamuns Grab 100-jähriges Jubiläum. Grund genug für einen Platz dieser archäologischen Sensation in der Reihe »Dusty Diggers«, die sich an alle ab 8 Jahre richtet. In einem frischen kindgerechten Schreibstil wird die Ausgrabung des Pharaonengrabs aus mehreren Perspektiven beleuchtet. Obwohl es sich um ein Sachbuch handelt, baut der Text durch die Einführung mehrerer Hauptfiguren einen persönlichen Bezug zu der jungen Leserschaft auf. Dazu, dass diese sich angesprochen fühlt, tragen auch die humorvollen Illustrationen bei. Die Lesenden erfahren, vor welchen Problemen Carter gestanden hat, als er jahrelang vergeblich auf der Suche nach dem Grab Tutanchamuns gewesen ist. Der berühmte Fluch des Pharaos wird genauso aufgelöst wie die Erkenntnisse, die die Wissenschaft aus dem Grab gewinnen konnte: So erklärt Radiologin Ricarda, was sie beim Röntgen der Mumie herausgefunden hat; Klebstoff-
forscher Dirk erläutert, wie Klebe an die Maske des Pharaos gekommen ist; und Ägyptologin Kija führt in die altägyptische Hochkultur ein. Auf sehr anschauliche Weise lernt man hier vieles über Pharaonen, Mumien und Pyramiden, die Geschichte der Ägyptologie und wissenschaftliches Arbeiten. Fachbegriffe, die im gesamten Buch markiert sind, werden in einem Register kindgerecht erläutert. Hier kommen Lerneffekt und Unterhaltung in altersgerechter Art zusammen, sodass sich das Buch als Einstiegsliteratur – auch zum Vorlesen – für angehende Ägyptologen eignet.
| Marcus Coesfeld