Wir alle haben noch die erschreckenden Bilder vor Augen, die Palmyra, Ninive und viele weitere menschheitsgeschichtlich bedeutende Stätten nach der beispiellosen Verheerung durch den IS bzw. Daesh zeigen. Beispiellos? Leider nein. Die Verwüstungen in Syrien und Irak fügen sich ein in eine lange, weltumspannende Geschichte ideologisch motivierter Zerstörung materieller Kulturzeugnisse. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird diese von Hermann Parzinger als deprimierende Abfolge bewusster, zielgerichteter Auslöschung von Kultur seit der Antike ausgebreitet: Von den Anfängen im Altertum über den byzantinischen Bilderstreit, den Ikonoklasmus von Hussitenbewegung, Reformation und Französischer Revolution. Es folgen das Kolonialzeitalter mit Zerschlagung und Plünderung präkolumbischer Großreiche, des Königreichs Benin und des kaiserlichen Sommerpalastes bei Peking. Zwei Weltkriege, in denen es zu vorsätzlicher Vernichtung und systematischem Raub von Kulturgut kam und gewaltsame Kulturrevolutionen, die auf die Beseitigung missliebiger Kunst und Tradition abzielten, führen bis in unsere Gegenwart.
Das faktengesättigte Werk zeigt auch, dass die Zerstörungswut, die auf die Identität des »Feindes« zielt, in den verschiedenen Epochen nicht nur von machtpolitischem Kalkül und fundamentalistischer Verblendung befeuert wird, sondern oft genug der Befriedigung schnöder Habgier dient. Keine angenehme Lektüre. Aber eine wichtige.
| Claus Hattler