Gladiatoren – die Wirklichkeit hinter der Legende
Marcus Junkelmann
Oppenheim: Nünnerich-Asmus Verlag 2022, 96 S., 19 Euro
Wohl kein deutschsprachiger Autor hat so große Anstrengungen unternommen, das moderne Bild der antiken römischen Gladiatorenkämpfe in nahezu allen Facetten zu relativieren, wie der Historiker und Experimentalarchäologe Marcus Junkelmann. Das vorliegende Buch ist daher folgerichtig der neuste kurzweilige Beitrag einer langen Forschungsreise, die nicht nur verschiedenste Quellen aus dem gesamten Römischen Reich, sondern auch Erkenntnisse aus Grabungen, Knochenuntersuchungen und Felderprobungen rekonstruierter Funde sammelt und zu einem lebendigen Bild kombiniert.
Auf nahezu sämtlichen Doppelseiten finden sich Fotografien von Reenactment-Gruppen und Projekten der Experimentalarchäologie, sowie digitale und physische Rekonstruktionen. Doch einigen mit der Materie vertrauten Lesern wird auffallen, dass Junkelmann in seinem mittlerweile siebten Werk zu diesem Thema – eine weitere TV-Doku befindet sich in Arbeit – kaum etwas beizutragen weiß, das aus vorausgegangenen Büchern nicht schon bekannt sein könnte. Für Einsteiger wie gewohnt hervorragend ist das vorliegende Werk jedoch eine empfehlenswerte Lektüre, die vor allem durch griffige Zitate von antiken und modernen Autoren zur Belehrung des geschichtsinteressierten, aber möglicherweise fachfremden Bekanntenkreises anregt. Zahlreiche originale Inschriften, die
den gesamten Text begleiten, und ein kompaktes Literaturverzeichnis am Ende ergänzen das Gesamtbild zu einer umfangreichen Quellen- und Faktensammlung.
| Michael Becker
BETA ... civilisations volume II
Jens Harder
Hamburg: Carlsen Verlag 2022, 368 S., 50 Euro
Bilder, Bilder, Bilder … die Geschichte der Menschheit und der Welt in Tausenden dreifarbiger Zeichnungen und nur knappen Textzeilen. Das ist »BETA … civilisations volume II«. Widmete sich der Berliner Illustrator Jens Harder im »volume I« der Erdgeschichte vom Auftauchen der ersten Hominiden und Menschen bis zum Jahre 0, so erzählen die mehr als 2000 Zeichnungen von »volume II« die Zeit von 0, dem Altertum, bis heute.
Alle seine Zeichnungen basieren auf dem gewaltigen visuellen Erbe, welches von Menschen erzeugt wurde, das heißt einer Fülle von historischen Vorlagen, Karten, Kunstwerken, Bildern und Filmen jeglicher Art. Und das bedeutet auch, dass mit zunehmender Nähe zu heute die Zahl der Zeichnungen parallel zur Entwicklung der Medien immer weiter zunimmt. Wird das Altertum noch auf 62 Seiten behandelt, so sind es im dritten Teil, der Neuzeit, 176 Seiten! Die auf über 360 Seiten ausgebreiteten Zeichnungen und Informationen wirken auf den ersten Blick verwirrend. Doch die sparsame textliche Untermalung gibt Hilfestellung, ebenso wie das Nachwort und die Quellennachweise, die eine Einbettung für die Idee des Autors zur Lektüre bieten. Dieser dritte Band des in mehrjähriger Arbeit entstandenen »Opus Magnum« ist lesens- und studierenswert und lädt zur vertieften Befassung mit unserer Weltgeschichte in Bildern ein. Es ist dabei immer wieder interessant an sich selbst zu testen, wie die Bildauswahl von Harder zu uns spricht. Und Zeit sollte man/frau sich auch dafür nehmen – es lohnt sich.
| Matthias Knaut
Heinrich Schliemanns Reisen – Tagebücher und Briefe aus Ägypten und dem Vorderen Orient
Umberto Pappalardo (Hrsg.)
Darmstadt: wbg Philipp von Zabern 2021, 180 S., 150 farb. Abb., 50 Euro
Anlässlich des 200. Geburtstags von Heinrich Schliemann am 6. Januar 1822 veröffentlichte die wbg Wissenschaftliche Buchgesellschaft im vergangenen Jahr zunächst das Buch »Heinrich Schliemann und die Archäologie« (Sonderheft 12.21, ANTIKE WELT). Nun folgt dieses ansehnliche Buch, das einen wenig bekannten Bereich von Schliemanns Leben beleuchtet, nämlich seine vier großen Reisen zwischen 1858 und 1888.
Das Buch beginnt mit den Quellen der Reisen, einem Essay über das Schliemann-Archiv in der Gennadius-Bibliothek im Athener Stadtteil Kolonaki von Natalie Vogeikoff-Brogan und Doreen C. Spitzer, Direktorin des Archivs der American School of Classical Studies in Athen. Es folgen ein kurzer Abschnitt über Schliemanns Leben und einer über seine Tagebücher, die in vielen verschiedenen Sprachen geschrieben wurden. Der Hauptteil des Buches behandelt Schliemanns vier lange Reisen: 1. Reise (1858–1859), 2. Reise (1864), 3. Reise (1886–1887), 4. Reise (1888), unterbrochen von seinen Briefen und Auszügen aus seinen Tagebüchern.
Wie der Titel schon andeutet, legt dieses unglaublich schöne Buch den Schwerpunkt auf Schliemanns Reisen nach Tunesien, in die Türkei, in den Nahen Osten und insbesondere auf seine Reisen nach Ägypten, dessen Kultur ihn zutiefst faszinierte. Die vielen schönen Farbfotografien des Buches laden den Leser ein, in die Bilder einzutauchen und sich noch mehr für das beeindruckende Leben Schliemanns zu interessieren, das ihn für immer weltberühmt gemacht hat.
| Jesper Tae Jensen
Menosgada – Die keltische Stadt auf dem Staffelberg. Ein archäologischer Führer
Markus Schußmann
Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2022, 128 S., 101 Abb., 14,95 Euro
Die archäologische Erforschung des die Landschaft am Obermain beherrschenden Staffelberges beginnt in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wird die durch entsprechende Funde zu datierende Höhensiedlung als spätkeltisches Oppidum erkannt und mit dem beim antiken Geografen Ptolemaios erwähnten Ort »Menosgada« identifiziert. Die vorerst letzten Ausgrabungen 2018/19 gaben den Anstoß, dem Felsplateau den vorgestellten Führer zu widmen.
Dieser stellt außer der Forschungsgeschichte die wesentlichen, durch Ausgrabungen erhaltenen Funde und Befunde zu den gestaffelten Befestigungen und Toren, zu den mit ihrem Schutz betrauten Kriegern, zu den besiedelten Flächen und ihrer Wasserversorgung, zum Münzwesen, zu Handwerk und Handel, Wegen, Straßen und Plätzen, zur Religionsausübung und schließlich zum Ende der Stadt vor. Dabei erschließen passend platzierte Exkurse die antike Quellenlage, Erscheinungsformen der keltischen Kultur, Religion und Lebensweise sowie die archäologische Prospektion. Auf ihr beruht auch die Übersichtskarte auf der Umschlaginnenseite. Vieles erläutert zusätzlich das Glossar im Anhang.
Dies alles macht den Führer zu einem unentbehrlichen Begleiter bei einer Erkundung des Siedlungsplateaus, denn dort sind Rekonstruktionen, von denen viele in grafischer Form präsentiert werden, nicht vorhanden. Archäologische Fundstücke sind naturgemäß nur über ihre Abbildungen im Buch gegenwärtig.
| Frank Unruh
Wieviel Steinzeit steckt in mir?
Sabine Gaudzinski-Windheuser, Lutz Kindler, Michael Bernal Copano
Mainz: RGZM 2020, durchgehend farb. illustr., 50 S., 29,80 Euro
In diesem großformatigen und mit viel Liebe zum Detail gestalteten Band begeben sich die beiden Protagonisten, Chip und Flake, auf eine Reise durch den Zeittunnel. Dieser führt sie weit zurück bis in die Urzeit des Menschen. So gelangen sie zunächst ins Afrika vor 2,5 Millionen Jahren, von wo aus sie über insgesamt sechs weitere Stationen den unterschiedlichen Menschenarten begegnen, die es im Laufe der Zeit gegeben hat. Begriffe wie beispielsweise Neandertaler oder Homo sapiens finden hier jedoch kaum Gebrauch. Stattdessen werden hauptsächlich beschreibende Begriffe verwendet, und zwar in dem Sinn, dass sie uns sofort verraten, was im Kern jede einzelne der Menschenarten ausgemacht hat. So tritt beispielsweise der Neandertaler als Rudelmensch auf, denn wie keine andere Menschenart vor ihm arbeitete er im Team und konnte somit Aufgaben bislang ungeahnten Ausmaßes meistern.
Die verwendeten Begriffe kommen nicht von ungefähr, sind sie doch Teil der Dauerausstellung von MONREPOS, dem Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, aus dessen Hause die Autoren stammen. Das Buch ist daher zweierlei: Begleitband zur Ausstellung, aber auch unabhängig davon lesbar.
Vom Stil her geht es in Richtung Comic mit drei Erzählebenen. Eine grundlegend beschreibende, eine in Form von Sprechblasen, mittels derer Chip und Flake miteinander kommunizieren, und eine weitere Form von Sprechblase, die sich direkt an die jungen Leser wendet. Für durchgehende Interaktion ist daher gesorgt. Eine pure Freude, nicht nur fürs Auge.
| Annine Fuchs
Ravenna – Hauptstadt des Imperiums, Schmelztiegel der Kulturen
Judith Herrin
Darmstadt: wbg THEISS 2022, 605 S., 62 farb. Abb., 39 Euro
Ravenna und der Hafen von Classe waren in der Römischen Kaiserzeit der Stützpunkt für die im östlichen Mittelmeer operierende römische Kriegsflotte. Nach dessen Aufgabe wohl Anfang des 4. Jh. verkam Ravenna zu einem Provinzstädtchen. Niemand ahnte, dass es gut ein Jahrhundert später zu einer neuen Blütezeit kommen sollte. Nach der Verlegung der kaiserlichen Residenz im Jahr 402 von Mailand in das von Sümpfen geschützte Ravenna mit seiner guten Anbindung über See nach Konstantinopel wurde Ravenna zunächst die letzte Hauptstadt des Weströmischen Reiches, danach unter Theoderich dem Großen ostgotische Königsstadt. Von 584 bis 751 residierten die Exarchen, die direkten Vertreter des oströmischen Kaisers in Italien, in der Stadt, bevor sie nach einer kurzen Zugehörigkeit zum Langobardenreich Ende des 8. Jh. unter päpstliche Herrschaft geriet. Diese wechselvolle und bewegte Geschichte der Stadt, die heute für ihre bedeutenden Kirchenbauten mit überaus reichem Mosaikschmuck aus dem 5. und 6. Jh. und das Grabmal des Theoderich mit seiner riesigen Kuppel bekannt ist, lässt Judith Herrin, emeritierte Professorin am King’s College in London, in ihrem Buch unterhaltsam, aber dennoch fundiert geschrieben, lebendig werden. In dem in neun Großkapitel unterteilten Werk bringen Schlüsselfiguren dem Leser die Geschichte der Stadt vor dem Hintergrund der Reichsgeschichte näher. Der Autorin ist für diesen leicht lesbaren, umfassenden Überblick über die Stadt und ihre Protagonisten sehr zu danken.
| Ellen Riemer
50 – Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1972–2022
Landesamt für Denkmalpflege im RPS et.al.
Esslingen am Neckar: LAD RPS 2022, 304 S. 310 Abb., kostenfrei
Aufwendige, gut gemachte Jubiläumsbände wie der vorliegende kommen bisweilen schon in etwas inflationärer Weise auf den Büchertisch. Dem Leser kann das nur recht sein, denn institutionell gefördert und finanziert bekommt der Käufer meist viel für sein Geld.
Das Motto des vorliegenden Bandes könnte nun fälschlicherweise suggerieren, dass es in »The Länd« vor 1972 keine Denkmalpflege gegeben hätte. Dass dem nicht so ist, zeigen schon die ersten Seiten mit einer recht übersichtlichen bebilderten Synopse, die Welt- und Landesgeschichte mit denkmalpflegerischen Höhepunkten verknüpft. Danach folgt als erster von insgesamt 50 Beiträgen der Bericht über den Jahrhundertfund des Fürsten von Hochdorf, eine Initialzündung für die Archäologie im Allgemeinen und die Keltenforschung im Besonderen. Außerdem befassen sich die Hälfte aller Kapitel des stattlichen Bandes mit Themen zur Vor- und Frühgeschichte. Im Limesländ darf natürlich Römisches nicht fehlen, ebenso die weiteren durchs UNESCO-Weltkulturerbe geadelten »Komplexe« wie die Pfahlbauten in Seen und Mooren Oberschwabens oder die Höhlen der Schwäbischen Alb, in denen früheste Kunst der Menschheit geborgen wurde. Außerdem auch Neues zur Keltenstadt Heuneburg, wo man in den letzten Jahren immer wieder mit sensationellen Funden und Befunden aufwarten konnte. Das Buch ist also für historisch Interessierte und vor allem für unsere Leser eine wahre Fundgrube, die natürlich manches Bekannte, aber auch viel zur aktuellen Forschung bietet, und dies in bester Präsentation.
| André Wais