Eine systematische Erforschung mittelalterlicher Wüstungen reicht weit zurück in das 19. Jh. und beschäftigte unterschiedliche Disziplinen. Die Fragen, wie es sein kann, dass ein Ort verlassen wurde, wie sich die Natur den Ort zurückgeholt hat und wer hier gelebt hat, beschäftigt Geografen, Historiker und Archäologen. Zwar kommen immer wieder neue Ausgrabungen dazu, doch scheint die Wüstungsforschung seit einigen Jahren inhaltlich eher zu stocken.
Eike Michel skizziert in seiner Einführung nicht nur die Methoden und einen forschungsgeschichtlichen Abriss der Wüstungsforschung, sondern auch den aktuellen Stand der Überlegungen zu Ursachen und Grundlagen insbesondere des spätmittelalterlichen Wüstungsprozesses.
Das »Arbeitsheft« bietet dem Neueinsteiger bequem einen ersten Überblick über die bisherigen Forschungsdebatten. Aktuell eröffnen neue Methoden und eine stärkere theoretische Verortung im Bereich der Umweltgeschichte für die Wüstungsforschung jedoch viele neue Fragestellungen, die nur kurz gestreift werden. Die Chancen, die gerade Wüstungen für das Verständnis der Folgen eines Klimawandels, von Pandemien oder technischem Fortschritt bieten, bleiben daher etwas undeutlich. Eine ausführlichere Darstellung moderner Wüstungsgrabungen – derer es viel weniger gibt, als man angesichts der Zahl bekannter Wüstungen annehmen sollte – hätte die Wüstungen in den Kontext von Umwelt, Kulturlandschaft und überdauernder Dörfer setzen können.