Er hat es mit 41 Jahren geschafft, möchte man meinen: Cäsar hat 58 v. Chr. sein Jahr als Konsul absolviert und damit das höchste Amt innegehabt, das es in der Römischen Republik gibt. Es ist die Krönung jeder politischen Karriere. Doch seine Existenz hängt nun am seidenen Faden. Wie konnte es dazu kommen?
Um nach oben zu gelangen, musste Cäsar wie jeder ambitionierte Römer eine politische Ochsentour durchlaufen. Diese führt über fest vorgegebene Stationen, Magistrate genannt: von der Quästur über das Volkstribunat oder das Ädilat zur Prätur und schließlich zum Konsulat. Ein Kandidat darf jedes Amt nur einmal bekleiden, für die Dauer von je einem Jahr. Er muss von Stufe zu Stufe Wartefristen einhalten und beständig für sich trommeln, sonst ist die Karriere frühzeitig beendet. Das Volk bestimmt durch Wahlen, wer die Posten erhält, und ein Bewerber muss sich jedes Mal in Kampfabstimmungen gegen seine Konkurrenten durchsetzen.
Die Laufbahn steht grundsätzlich allen Bürgern offen, Patriziern (Adligen) wie Plebejern (den Übrigen). Doch der Wahlkampf kostet viel Geld, nicht zuletzt weil die Wählerbestechung zwar offiziell verboten ist, aber üblich. Und zu verdienen gibt es zunächst einmal nichts: Die Amtsinhaber erhalten kein Gehalt, erst nach der Prätur eröffnen sich lukrative Einnahmequellen. Wer bis dahin bei den Abstimmungen auf der Strecke bleibt, sieht nicht selten dem finanziellen Ruin entgegen. Viele aufstrebende Politiker haben sich hoffnungslos überschuldet. Das gilt insbesondere für Cäsar, der es mit 30 Jahren zum Quästor bringt – einer Art Finanzverwalter – und mit 34 zum Ädil.
Zu dessen Aufgaben zählt es, für das Volk Spiele auszurichten. Der Staat steuert dazu nur einen relativ geringen Betrag bei, sodass ein Ädil tief in die Privatschatulle greifen muss, um dem Publikum eine gute Show zu bieten. Cäsar tut das exzessiv. Seine Schulden steigen rasant an und erreichen am Ende des Amtsjahres beängstigende Ausmaße.
Dafür gewinnt der Ehrgeizling enorm an Popularität, und die nutzt er für einen überraschenden Coup. 63 v. Chr. wird das oberste Priesteramt in Rom frei, ein höchst prestigeträchtiger Posten, der durch Volkswahl auf Lebenszeit vergeben wird. Die Bewerber sind traditionell altehrwürdige Männer, und auch diesmal treten zwei angesehene ehemalige Konsuln an – sowie als dritte Person Cäsar. Schon die Kandidatur des 36-Jährigen ist ein Skandal. Doch Frechheit siegt, und der junge Politiker darf sich fortan oberster Priester nennen: Pontifex Maximus. Diesen Titel übernehmen später die Kaiser und dann die Päpste, bis heute.
Cäsar setzte sich danach noch bei der Wahl zum Prätor durch, was bedeutet, dass er im Jahr 62 v. Chr. für die Gerichte und die Rechtsprechung zuständig ist. Mit dem zweithöchsten weltlichen Amt eröffnet sich für den Aufsteiger endlich die Aussicht, seine horrenden Ausgaben zu amortisieren: Die jährlich acht Prätoren und zwei Konsuln gehen nach Ende ihres Dienstjahres üblicherweise als Statthalter in eine Provinz des Reichs. Dort können sie eigene Einnahmen generieren, sprich: die Provinzbewohner ausbeuten. In der Regel haben sie dafür nur ein Jahr Zeit – dann kommt der Nachfolger, um seinerseits so viel Gewinn wie möglich abzuschöpfen. Anreize für ein langfristig sinnvolles Wirtschaften gibt es nicht. Die Menschen in den unterworfenen Gebieten zahlen letztlich die Zeche für die ruinös teuren Wahlkämpfe in der Hauptstadt. Die Staatsform Republik ist für die römischen Bürger ein freiheitliches System, für die übrige Bevölkerung im Reich ein perfide effektiver Unterdrückungsapparat.
Cäsar bekommt nach der Prätur Südspanien zugelost, das er offenbar sehr geschickt ausnimmt. Zudem führt er im heutigen Portugal einen kleinen Krieg – und kann so zusätzliche Gewinne einfahren, indem er dort die Städte plündert. 60 v. Chr. kehrt der Statthalter als sanierter Mann nach Rom zurück.
Kaum angelangt, kandidiert er für das Konsulat. Eigentlich ist er auch für dieses Spitzenamt noch zu jung, doch er gewinnt wie erwartet. Als Konsul darf Cäsar Gesetzesvorschläge einreichen, und diese Kompetenz nutzt er, um populäre Anliegen wie die Landvergabe an Veteranen und verarmte Stadtbewohner vorzubringen. Der aristokratische Senat lehnt dies ab, woraufhin Cäsar eine Volksversammlung einberuft und seine Opponenten vom Platz prügeln lässt. Damit bricht er effektiv die Verfassung und demütigt die politische Führungsklasse, aber er gewinnt die breite Bevölkerung für sich.
Im weiteren Verlauf seines Konsuljahres gelangt Cäsar in solch eine Machtposition, dass er sich für die Zeit danach die Statthalterschaft gleich mehrerer Provinzen sichert: des Illyricums etwa im Gebiet des heutigen Kroatien, der Gallia cisalpina südlich der Alpen und der Gallia transalpina im heutigen Südfrankreich. Diese grenzt direkt an das freie Gallien, den Hauptwohnsitz der Kelten. Zudem erreicht Cäsar, dass seine Amtszeit in den Provinzen nicht wie üblich ein Jahr beträgt, sondern fünf Jahre – aus denen später sogar zehn werden. Aber der erfahrene Politiker weiß, dass seine gedemütigten Gegner im Senat nur darauf warten, ihn danach wegen seiner diversen Verfassungsverstöße vor Gericht zu bringen.
Um das zu verhindern, bleibt ihm nur ein Weg: durch einen großen Krieg so viel Geld, Macht und Prestige anzuhäufen, dass er sich gegen alle künftigen Attacken wehren kann.