Mai 1945: Das absurde Ende des »Dritten Reiches«
(Gebundene Ausgabe)
Wie und wo die Nazi-Herrschaft wirklich ihr Ende fand
- 2025: 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs
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Die vergessenen letzten Wochen des "Dritten Reiches"
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Ein bisher ungeschriebenes Kapitel des Epochenjahrs 1945
- Theiss in der Verlag Herder GmbH
- 1. Auflage 2025
- Gebunden mit Schutzumschlag
- 336 Seiten
- ISBN: 978-3-534-61010-5
- Bestellnummer: P3610102
Das Ende der Nazi-Herrschaft – ein "Untergangsstück"
Das Ende des nationalsozialistischen Deutschen Reichs scheint klar verortet: Am 7. bzw. 9. Mai wird die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet. Damit war zwar der Krieg zu Ende, noch nicht aber waren Wehrmacht und »Drittes Reich« endgültig untergegangen. Nicht jeder bekam sogleich mit oder wollte mitbekommen, dass alles zu Ende war. Manche kämpften weiter, Hinrichtungen von »Deserteuren« gab es noch massenhaft. Manche versuchten sich abzusetzen, begingen Selbstmord oder gerierten sich als Unbeteiligte wie Albert Speer. Großadmiral Karl Dönitz, der »Nachfolger Adolf Hitlers«, gab noch am 18. Mai einen Tagesbefehl an die Wehrmacht heraus. Am 23. Mai wurden er und andere Mitglieder der geschäftsführenden Reichsregierung in Mürwik bei Flensburg festgenommen. Am gleichen Tag beging SS-Chef Heinrich Himmler in Lüneburg Selbstmord.
Gerhard Paul führt uns in Wort und Bild souverän die letzten vier absurden Wochen des zerbröselnden Reichs vor Augen, zwischen tragikomischen Momenten und brutalem Untergang. Seine Darstellung verbindet erstmals die Perspektiven der Täter, Mitläufer und Opfer, der Besiegten und der Sieger, der Akteure und der Zuschauer miteinander. Ein außergewöhnliches Buch zum 80-jährigen Ende der Nazi-Herrschaft.
Interview mit Gerhard Paul
Am 30. April 1945 beging Adolf Hitler Selbstmord. Zwischen dem 7. und dem 8./9. Mai wurde kapituliert. Wann hörte das "Dritte Reich" denn tatsächlich auf zu existieren?
Gerhard Paul: Das "Dritte Reich" hörte faktisch mit der Festnahme der Nach-Hitler-Regierung des Großadmirals Karl Dönitz am 23. Mai 1945 an der Flensburger Förde auf zu existieren. Seit diesem Zeitpunkt verfügte das Deutsche Reich über keine handlungsfähige Regierung mehr. Mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai endeten lediglich die Kampfhandlungen. Die Regierung des ›Dritten Reiches‹ beziehungsweise das Deutsche Reich hat tatsächlich nie kapituliert. Sie wurde lediglich in Kriegsgefangenschaft genommen und damit außer Kraft gesetzt. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland konnte daher vom Fortbestand des Deutschen Reiches ausgehen. Vermutlich nicht zufällig wurde es am 23. Mai 1949 unterzeichnet.
Was konnte denn die neu eingesetzte "Reichsregierung" in diesen letzten Wochen denn tatsächlich noch gestalten oder anrichten?
Gerhard Paul: Die wohl wichtigste Entscheidung war die schrittweise Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Durch sie konnten Hunderttausende Soldaten der Wehrmacht sowie Flüchtlinge aus dem Osten nach Westen gebracht und der sowjetischen Herrschaft entzogen werden. Ansonsten begnügte sich die Flensburger Regierung mit symbolischen Akten und Denkschriften ohne Realisierungschancen. Die vermutlich folgenreichste ›Leistung‹ von Dönitz & Co. war die Formulierung der Legende von der "sauberen Wehrmacht", die jahrzehntelang die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen verhinderte.
Und wann kam es tatsächlich zu einer Regierungsübernahme durch die Alliierten?
Gerhard Paul: Die Regierungsübernahme durch die Alliierten fand mit der "Berliner Erklärung" der vier Hauptsiegermächte vom 5. Juni 1945 statt. An diesem Tag übernahmen die vier Siegermächte die "oberste Regierungsgewalt" in Deutschland. Als Oberste Regierungsgewalt fungierte fortan der "Alliierte Kontrollrat" mit Sitz in Berlin.
Wenn Sie als Historiker diese letzten Wochen des "Tausendjährigen Reichs" betrachten: Wie würden Sie diese charakterisieren?
Gerhard Paul: Begrifflich lassen sich diese letzten Wochen des "Dritten Reiches" nicht fassen, sondern nur beschreiben. Das haben Zeitgenossen und spätere Historiker gleichermaßen gesehen. Ein Zeitgenosse sprach von einer "Posse" beziehungsweise einer Operette, Albert Speer von einer "Oper" ohne grandioses Finale, Sven Felix Kellerhoff von einer "zynischen Realsatire". Ich selbst habe vor allem auf das Absurde und Theatralische diese Tage abgehoben und das Flensburger Zwischenspiel zwischen Krieg und Frieden "Absurdistan" und ein "Untergangsstück" genannt.
Autor
Der Historiker Gerhard Paul ist in Deutschland der Pate des sogenannten 'Visual Turns' und Vater der Bildgeschichtsschreibung (Visual History). Er hat zahllose grundlegende Werke zur Bildergeschichte des 20. Jahrhunderts geschrieben. Zugleich ist er einer der profiliertesten Kenner der Geschichte des NS-Regimes.