Paul zieht sich nicht hoch

„Paul (2;8 J.) bewegt sich kaum und zeigt kein Interesse, sich an Gegenständen hochzuziehen. Woran könnte das liegen und was können wir tun?“ (Miriam Waldhoff aus Neustadt)

ANTWORT DER EXPERTIN:

Ich halte mich da an den Satz von Emmi Pikler: „Lasst mir Zeit“. Babys und Kleinkinder sollten sich in ihrem eigenen Rhythmus, auf individuelle Art und Weise sowie ohne den Vergleich mit anderen entwickeln können. Sie erweitern ihr Bewegungsrepertoire nach und nach: Im Säuglingsalter über die Rücken- und Bauchlage bis hin zum Krabbeln, Hochziehen und freien Stehen. Im Laufe des zweiten Lebensjahres lernen sie, frei und sicher zu gehen. Mit steigender Kraft, Ausdauer und zunehmenden koordinativen Fähigkeiten differenzieren Kleinkinder ihre Bewegungen immer weiter aus: Sie klettern, rennen, balancieren und entdecken das Kribbeln im Bauch beim Schaukeln, Schwingen und Erleben von Geschwindigkeit. Ihre Bewegungsvorlieben sind dabei sehr unterschiedlich: Manche Kinder bewegen sich zunächst scheinbar kaum, stehen aber von einem Tag auf den anderen frei und rennen los. Andere Kinder haben einen enormen Bewegungsdrang und kommen erst nach intensivem Austoben zur Ruhe. Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen, sind u. a. die eigene Physis, Bewegungsvorbilder, das Verhalten pädagogischer Fachkräfte, Regeln in Krippen sowie Bewegungsoptionen im Innen- und Außenbereich.
Wichtig ist, zunächst zu ergründen, weshalb Kinder wie Paul scheinbar wenig Interesse an Bewegung haben. Vielleicht reizt ihn das Klettern und Steigen nicht, weil er interessante Materialien auch ohne körperliche Anstrengung leicht erreichen kann. Oder ihm ist die Höhe suspekt und er bewegt sich bspw. im Wasser viel agiler. Um Paul zu motivieren, sich in die Höhe zu bewegen, gilt es vorab zu beobachten:

  • Wo liegen seine Interessen und Stärken?
  • Was sind seine Lieblingsgegenstände in der Krippe?
  • Auf welche Kinder und erwachsenen Bezugspersonen achtet er besonders?

So kann es vielleicht für Paul auffordernd wirken, einen seiner Lieblingsgegenstände auf einer höheren Ebene zu platzieren. Das könnte ihn motivieren, sich dorthin zu bewegen und diesen Gegenstand zu erreichen. Oder eine für ihn wichtige Bezugsperson lädt ihn ein, ihr auf eine Podestebene zu folgen. Vielleicht reizt es ihn auch, auf einem erhöhten Standort einen gemütlichen Platz einzunehmen, von dem aus er das Gruppengeschehen beobachten kann. Die größte Antriebskraft für Paul werden vermutlich seine Selbstwirksamkeitserfahrungen sein: „Ich schaffe es, hier hochzukommen, auch wenn es anstrengend ist und ich ein paar Versuche brauche!“ Bekommt Paul anschließend Wertschätzung für seine Anstrengung, wird ihn das motivieren, die Bewegungsherausforderung „nach oben zu kommen“ öfter zu wagen.  

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