Einfache Materialien wie Bretter, Kisten, Leitern, Balken, Röhren und Reifen haben einen hohen Aufforderungscharakter für Kinder. Sie regen Mädchen und Jungen dazu an, zu bauen, zu kombinieren und selbstständig Bewegungsgelegenheiten zu schaffen. Starten Sie einen Aufruf bei den Eltern, um in kurzer Zeit das Material zusammenbringen, das Sie für eine klassische Bewegungsbaustelle brauchen. Fragen Sie bspw. nach
- Hölzern, Balken und Brettern (gehobelt) unterschiedlicher Länge,
- stabilen Kisten (z.B. Getränkekisten) und Autoreifen,
- Resten von Drainagerohren und
- festen Pappkartons.
All diese Materialien können Kinder nutzen, um auf dem Außengelände oder auch im Bewegungsraum eine fantasievolle Bewegungsbaustelle zu errichten. Und wie auf einer Baustelle können sie daraus jeden Tag etwas Neues bauen, bspw. eine Burg, ein Schiff oder einfach nur eine Kartonlandschaft. Bretter zwischen zwei Autoreifen können eine Brücke bilden oder schräg hinauf auf eine Getränkekiste führen, auf welche die Kinder hinaufsteigen und anschließend wieder herunterrutschen können.
Funktionsoffene Materialien fördern die Fantasie
Das zur Verfügung gestellte Material sollte wenige Vorgaben geben, sodass es die Mädchen und Jungen beliebig kombinieren können. Erforderlich ist dafür neben Fantasie auch Körperkraft, um die Geräte zu transportieren, zu stapeln und zu kombinieren. Insbesondere bedarf es Absprachen der Kinder untereinander, denn eine Bewegungsbaustelle ist nur in der Gruppe einzurichten: Ein langes Brett auf die Reifen zu legen, gelingt am besten zu zweit. Und auch auf einer selbst gebauten Wippe in Schwung zu kommen, funktioniert nur mit einem anderen Kind. Je einfacher die Materialien sind, umso mehr ist die Fantasie der Kinder gefordert. Manchmal entstehen im Spiel spezielle Themen: So bauen die Mädchen und Jungen bspw. eine Burg oder ein Schiff, woraus sich dann entsprechende Rollenspiele entwickeln können. Am Ende der Spielzeit bauen die Kinder die Bewegungsbaustelle meist ab – um sie dann am nächsten Tag wieder in neuer Zusammenstellung und mit neuen Ideen zu errichten.
Ursprung der Bewegungsbaustelle
Die Grundidee der Bewegungsbaustelle geht auf den Sportwissenschaftler Klaus Miedzinski zurück, der Kindern Gelegenheit geben wollte, mit einfachen Materialien ihre Bewegungsumwelt selbst zu gestalten. Dazu konstruierte er Holzkästen, Bretter und Rohre, welche die Kinder selbstständig kombinieren und verändern konnten. Diese Materialien ergänzte Miedzinski durch Alltagsgeräte, wie z.B. Autoreifen und Rohre (Miedzinski 2000). Mithilfe dieser funktionsoffenen Materialien können Kinder ihre eigenen Ideen einbringen, Räume selbst verändern sowie Fantasie, Neugierde und Kreativität entwickeln. Da einfache Materialien, wie z.B. ein Brett oder Rundholz, keine feste Bedeutung in sich tragen, laden sie Kinder dazu ein, ihnen einen eigenen Sinn zu geben. So lassen sie etwa durch das Drainagerohr Bälle rollen oder nutzen es als Balancierfläche.
Ziele und pädagogischer Mehrwert der Bewegungsbaustelle
Die Herausforderungen an die sozialen Kompetenzen der Kinder beim Agieren in Bewegungsbaustellen sind groß: Sich zu verständigen und sich untereinander abzusprechen ist wichtig, wenn sie Ideen gemeinsam entwickeln und umsetzen möchten. Dabei ist es bspw. notwendig,
- zu planen und sich gegenseitig zu helfen,
- Kompromisse zu schließen,
- Regeln aufzustellen und sich an diese halten,
- Rücksicht aufeinander zu nehmen und mit Konflikten umzugehen.
Natürlich fordert das Agieren in der Bewegungsbaustelle auch die Motorik der Kinder. Es sind v. a. grobmotorische Bewegungserfahrungen, die sie hier gewinnen, z.B.:
- die eigene Körperkraft gezielt einsetzen,
- das Gleichgewicht erproben,
- auf Balken balancieren,
- auf Wackelbrettern kippeln und wippen,
- Hindernisse überwinden oder sich unter ihnen hindurchwinden sowie
- klettern und springen.
Diese Grundbewegungsformen erproben die Mädchen und Jungen in der Bewegungsbaustelle in vielfältiger Form. Darüber hinaus lernen sie in diesem Zusammenhang die spezifischen Eigenschaften der Geräte bzw. Materialien kennen und sammeln Erfahrungen über physikalische Gesetzmäßigkeiten, wie z.B:
- Hält das Brett mein Gewicht?
- Wie legen wir das Brett über das Rundholz, damit eine Wippe entsteht?
Schließlich gewinnen die Kinder auch Einblicke in statische Gesetze, z.B.:
- Welche Geräte eignen sich als Unterbau?
- Wie schwer und groß dürfen die Aufbauten sein?
Nicht zuletzt schafft das selbstständige Bauen das Gefühl, etwas aus eigener Kraft geschaffen zu haben. Die Spuren der eigenen Anstrengung werden für die Jungen und Mädchen sichtbar.
Variante: Die Bewegungslandschaft
Eng verwandt mit der Bewegungsbaustelle ist die Bewegungslandschaft. Bei dieser gestalten die Kinder und Erwachsenen den Bewegungsraum oder den Eingangsbereich wie eine Landschaft: Sie kombinieren Geräte so miteinander, dass sich verschiedene Ebenen, unterschiedliche Untergründe oder Hindernisse ergeben, welche die Kinder zum Erproben anregen und auffordern. Ähnlich wie in der Natur, gibt es z.B. Gräben zum Überspringen (Matten, die in Abständen nebeneinander auf dem Boden liegen) oder Berge und Hügel zum Hinaufklettern und Herabspringen (Kästen, Matten und Schaumstoffelemente). Bewegungslandschaften lassen sich auf die individuellen Bedürfnisse von Kindern verschiedener Altersstufen abstimmen. Für jüngere Kinder können sie „bodennah“ gestaltet werden: Mit Decken, Kissen, Matten, flachen Kästen und Schaumstoffblöcken bieten sie erste Herausforderungen bereits für Kinder im Krabbelalter. Hier erfahren Kinder die Beschaffenheit verschiedener Untergründe, sie überwinden Hindernisse, kriechen durch Tunnel, krabbeln über Kissenberge und verstecken sich unter Tüchern. Aus Pappkartons lässt sich ohne großen Zeit- und Materialaufwand eine „Kartonstadt“ und mit Kissen eine Krabbellandschaft gestalten (Zimmer 2014).
Offene Bewegungsangebote vorbereiten und begleiten
Bewegungsbaustellen und -landschaften sind offene Bewegungsangebote. Sie erfordern Vorbereitung hinsichtlich der Materialien und Gerätekombinationen – sie sind aber dennoch offen für die spezifischen Interessen und Bedürfnisse der Kinder und lassen ihnen einen möglichst großen Freiraum. Überflüssig ist die pädagogische Fachkraft hier allerdings nicht, sondern sie
- begleitet und beobachtet die Kinder in ihrem Tun,
- achtet darauf, dass keine Gefahren entstehen, die für die Kinder nicht erkennbar sind, und
- unterstützt Kinder, die noch Hilfe und Zuspruch benötigen.
Darüber hinaus nimmt die pädagogische Fachkraft Anteil an den Aktivitäten der Kinder. Sie bestärkt deren Ideen, ist präsent und erkennt die Leistungen der Mädchen und Jungen an.