Paulina (2;7 J.) hortet bestimmte Spielsachen in der Krippe. Obwohl sie gerade nicht damit spielt, protestiert sie, sobald ein anderes Kind in die Nähe kommt. Was können wir tun?“
(Natascha Sauer aus Offenburg)
Antwort der Expertin:
Paulina zeigt ein absolut entwicklungsgerechtes Verhalten. Mit 2;7 Jahren befindet sie sich mitten in der Autonomiephase. Aufgrund ihres Alters verfügt sie noch nicht über die erforderlichen Fähigkeiten, um für sie wichtige Spielsachen mit anderen zu teilen. Hierzu zählen nach dem Schweizer Kinderarzt Remo Largo (2019) Empathie, Theory of Mind und Perspektivübernahme. Paulinas Ich-Entwicklung ist bereits so weit fortgeschritten, dass sie sich als eigenständige Person mit eigenem Willen wahrnimmt. Dadurch verspürt sie den starken Wunsch nach Besitz, weswegen sie Spielsachen hortet und unter lautem Protest verteidigt. Es steht also der Besitz im Vordergrund und nicht das Spiel. Erst mit ca. drei Jahren beginnen Kinder aufgrund ihrer fortschreitenden Entwicklung, begehrte Spielmaterialien freiwillig zu teilen, so Verhaltensbiologin Gabriele Haug-Schnabel (2011).
Erwarten Sie deshalb nicht, dass Paulina ihre Spielsachen bereitwillig mit anderen teilt. Dennoch ist es möglich und erforderlich, dass Sie die beteiligten Kinder einfühlsam begleiten.
Begegnen Sie Paulina auf Augenhöhe und bringen Sie ihr Verständnis entgegen. Belehrend oder moralisierend mit ihr zu sprechen, ihr Spielsachen einfach wegzunehmen oder zu bestimmen, dass sie ihren Besitz teilen muss, ist nicht zielführend und stellt gewaltvolles Handeln dar. Benennen Sie mit ruhiger Stimme ihre Emotionen und bestärken Sie sie darin, ihre Grenze zu zeigen: „Paulina, du sagst deutlich Nein! Du willst die Spielsachen behalten. Das habe ich verstanden. Du kannst selbst entscheiden, wann du etwas abgibst. Das ist in Ordnung.“
Wenn Sie merken, dass Paulina verbal zugänglich ist, können Sie mit beiden Kindern in einen ergebnisoffenen Dialog treten. Benennen Sie die jeweiligen Wünsche und verbalisieren Sie die Gefühle. Sammeln Sie gemeinsam mögliche Lösungen, z. B. etwas im Tausch anbieten, abwechseln oder später noch einmal nachfragen.
Sollte Paulina nach wie vor nichts abgeben wollen, wenden Sie sich dem anderen Kind zu. Ihre Aufgabe ist es, seine Gefühle einfühlsam zu regulieren. Vielleicht braucht es Trost oder zeigt starke Gefühle wie Ärger und Wut, die Sie empathisch begleiten und benennen. Im Anschluss suchen Sie gemeinsam Alternativen, z. B. indem Sie sich als Spielpartnerin anbieten oder anderes attraktives Spielmaterial finden.
Bei wiederholten Besitzkonflikten ist es ggf. erforderlich, das Materialangebot oder die Raumstruktur zu verändern, um diese zu minimieren. Schaff en Sie ggf. einen geschützten Aktivitätsraum, indem Sie z. B. Pikler-Spielgitter verwenden.