Kollegiale Beratung orientiert sich an der Philosophie der Prozessberatung. Ihr liegt die Idee zugrunde, dass Menschen aus ähnlichen Arbeitsfeldern sich bei beruflichen Problemen beraten können; ein externer Berater ist nicht anwesend. Stattdessen bekommt die Gruppe eine Strategie an die Hand, die relativ einfach und zugleich zielführend ist. Eine wesentliche Voraussetzung des Konzepts ist die Kollegialität – Kolleginnen und Kollegen müssen bereit sind, sich gegenseitig zu helfen.
VORAUSSETZUNGEN. Erforderlich sind sechs bis zehn Teilnehmende, da sich dadurch erst das Potenzial der Methode erschließt. Werden nicht alle Rollen besetzt, lässt sich die Methode eventuell auch mit fünf Personen durchführen. Sind weniger Teammitglieder vorhanden, bietet sich manchmal der Zusammenschluss mit dem Team einer anderen Einrichtung an. Das kann die Vielfalt der Perspektiven erheblich erweitern. Wichtig ist, dass zwischen den Teilnehmenden innerhalb der Beratungssituation keine hierarchischen Unterschiede bestehen. Die Rollen werden allein durch das Verfahren bestimmt.
ROLLENSPIEL. Zu Beginn jeder Beratung erhält jeder Teilnehmende eine Rolle. Dadurch ist die Aufgabenteilung klar strukturiert. Der/die Fallerzähler/-in schildert die Fallsituation sowie seine bzw. ihre aktuelle Sichtweise dazu. Abschließend formuliert er oder sie eine konkrete Schlüsselfrage. Der/die Moderator/-in leitet die Runde. Er oder sie unterstützt die erzählende Fachkraft durch aktives Zuhören. Während der Beratungsphase sorgt die Moderation für die Einhaltung von Gesprächsregeln, Zeitrahmen und Methode sowie für einen klaren Abschluss. Die Berater/-innen (mindestens drei) hören zunächst aufmerksam zu und stellen, falls nötig, klärende Fragen. Danach nehmen sie eine aktive Rolle ein, indem sie ihre Gedanken, Kenntnisse, Perspektiven zu der geschilderten Situation einbringen. Zusätzlich können weitere Rollen vergeben werden: Der/die Sekretär/-in stellt sicher, dass alle Gedanken und Lösungsansätze schriftlich fixiert werden. Dabei wird wörtlich mitgeschrieben. Die Aussagen der Berater sollen nicht eigenmächtig zusammengefasst werden. Der/die Prozessbeobachter/-in nimmt nicht am Geschehen teil. Hilfreich ist es, wenn er oder sie sich außerhalb des Kreises befindet und Notizen macht. Die Gruppe wird so unterstützt, die kollegiale Beratung zunehmend zu professionalisieren.
ABLAUF. Der Ablauf einer kollegialen Beratung lässt sich in sechs Phasen unterteilen. Es beginnt mit der Besetzung der einzelnen Rollen, die nicht länger als fünf Minuten dauern sollte. Es folgt die Spontanerzählung (ca. fünf bis zehn Minuten), bei der ein kurzer Überblick über die Situation gegeben wird. Anschließend formuliert der Fallerzähler die Schlüsselfrage. Danach gibt es eine kurze gemeinsame Beratung darüber, welche Methoden (siehe unten) zum Einsatz kommen sollen. Nun kommen die Berater ca. zehn bis 15 Minuten lang zu Wort. In der Abschlussphase gibt der Fallerzähler der Gruppe eine Rückmeldung darüber, was davon hilfreich erschien. Die Moderation beendet die Runde, der Fallerzähler dankt allen. Insgesamt sollte eine kollegiale Beratung nicht länger als eine Dreiviertelstunde dauern.
GÄNGIGE METHODEN. Nicht immer hat man sofort passende Lösungen zur Hand. Deshalb können verschiedene Ansätze hilfreich sein, um sich in die geschilderte Situation besser hineinzuversetzen und die Wahrnehmung dafür zu schärfen. Gängige Methoden sind beispielsweise:
- Brainstorming: Freie Assoziationen zur Schlüsselfrage werden kommentarlos eingebracht.
- Resonanz: Welche Gefühle und Stimmungen löst die geschilderte Situation bei den Berater/-innen aus?
- Paradox intervenieren: Die Schlüsselfrage wird umgekehrt –wie müsste sich der/die Erzählende verhalten, damit sich die Situation garantiert verschlimmert?
- Sharing: Welche eigenen Situationen fallen den Berater(inne)n dazu ein? Welche Parallelen zeigen sich zur geschilderten Situation?
- Erfolgsmeldungen: Faktoren werden geschildert, die zu positiven Veränderungen in ähnlichen Situationen führten.
GRENZEN UND CHANCEN. Die Grenzen der kollegialen Beratung werden dann erreicht, wenn organisatorische (z. B. Qualitätsmanagement) oder funktionale Probleme (z. B. Dienstplan) gelöst werden müssen. Hier ist unter Umständen ein Coaching sinnvoller. Schwierig gestaltet sich der Prozess der kollegialen Beratung auch, wenn Konflikte zwischen den Gruppenteilnehmenden thematisiert werden sollen. Ebenso wenig ist die kollegiale Beratung bei privaten oder persönlichen Themen angebracht. Ansonsten stellt die kollegiale Beratung eine sehr gute Möglichkeit dar, neue Ideen und Sichtweisen zu entwickeln. Aufgrund des relativ geringen Zeitaufwandes kann das Verfahren auch bei begrenzten Kapazitäten eingesetzt werden. Ebenso entfallen finanzielle Aufwendungen und eine längerfristige Organisation im Vorfeld. So kann die kollegiale Beratung bei Situationen und Problemen, in denen verschiedene Kompetenzen sinnvoll gebündelt werden, schnell und unkompliziert Hilfe bringen.
Der Original-Artikel „Die kollegiale Beratung: So lassen sich Fragen und Probleme zielgerichtet bearbeiten“ ist in einer längeren Version erschienen in: Kindergarten heute – Das Leitungsheft, Ausgabe 1/2014.