Der im Flugzeug sitzt, bekommt diese Ansage zu hören: Bei Druckabfall in der Kabine fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Decke. „Ziehen Sie sich eine der Masken über Mund und Nase. Anschließend helfen Sie Kindern und anderen Mitreisenden.“ Bei dieser Ansage ist die Reihenfolge interessant: Zuerst hilft man sich selbst und erst danach den anderen. Das ist keine Aufforderung zum Egoismus, sondern pure Vernunft. Wie sollten Sie anderen Menschen – insbesondere Kindern – etwas geben können, während Sie selbst unterversorgt sind? Erst nachdem Sie sich um sich selbst gekümmert haben, können Sie für andere da sein.
Es ist schon länger bekannt: Wer sich selbst und seine Bedürfnisse über längeren Zeitraum vernachlässigt, riskiert es, auszubrennen. Und genau das wäre beinahe Oliver passiert. Denn Oliver ist immer hilfsbereit und kollegial. Aber leider ohne seine erste Vorsitzende, die Selbstsorge.
Was tun, wenn der Kopierer mal wieder streikt? Man könnte die Betriebsanleitung studieren und den Fehler selbst beheben. Oder man macht es leicht und spannt Oliver ein. „Oliver, ich weiß nicht weiter. Ich muss das hier schnell kopieren und der Kopierer blinkt nur seltsam. Du bist echt meine letzte Rettung! Bitte, kannst du mal nachgucken?“
Und wie ein verlässliches Küchengerät, bei dem man die richtigen Knöpfe drückt, springt jetzt bei Oliver das Retterin- der-Not-Programm an. Er lässt alles stehen und liegen und kümmert sich um den verzweifelten Mitmenschen und natürlich auch um den bockigen Kopierer. Schließlich ist er durch und durch solidarisch, teamfähig und kollegial. Und so haben alle in seiner Umgebung schnell begriffen: Oliver ist ein zuverlässiger Helfer, der nicht Nein sagen kann. Kein Wunder, dass er eine große Fangemeinde aus Bittstellern hat, die ihm das Gefühl geben, unentbehrlich zu sein. Und weil er ständig für alle ansprechbar und erreichbar ist, hat er nie eine richtige Pause. Das Ganze hätte bis in alle Ewigkeiten so weitergehen können, wenn nicht Olivers Seele die Notbremse gezogen hätte.
Eines Tages war Oliver ständig müde und – zum Erstaunen seiner Mitmenschen – nur noch schlecht gelaunt. Alle Leute gingen ihm auf die Nerven. Am liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen. Dorthin, wo ihn niemand mehr anspricht. Dann bekam er Rückenschmerzen. Ja, Oliver war erschöpft. Ihm drohte ein Burn-out.
Wer ausbrennt, der tut das zunächst langsam und auf leisen Sohlen. Die ersten Warnzeichen werden häufig übersehen: Das Alltagsgeschäft wird immer freudloser. Die Batterien der Vitalität werden nicht richtig aufgeladen. Die Unzufriedenheit nimmt zu, genauso wie die Reizbarkeit. Irgendwann tauchen die ersten körperlichen Symptome auf. In gewisser Weise waren Olivers Rückenschmerzen für ihn ein Glücksfall. Er fand eine gute Physiotherapeutin, die ihm riet, mehr auf sich und seine Bedürfnisse zu achten. Sie schlug ihm vor, während des Tages immer wieder kleine Pausen machen, in denen er seinen Rücken spürte und Fehlhaltungen ausgleichen konnte. Und so entdeckte Oliver das weite Land der Selbstsorge. Er lernte, sich selbst an die erste Stelle zu setzen. Die Pausen waren dabei seine stärksten Verbündeten.
BURN-OUT PROPHYLAXE: UM BEDENKZEIT BITTEN
Das Prinzip der Pause setzte er auch ein, wenn jemand eine Bitte an ihn richtete. Bevor er antwortete, gab er sich selbst Bedenkzeit. Er ließ sich nicht mehr überrumpeln. Dadurch, dass er immer wieder kurz innehielt, fiel es ihm leichter, auch mal Nein zu sagen. Er verabschiedete sich von dem Ideal, allseits beliebt und perfekt sein zu müssen. Und er spürte mehr und mehr, dass er diese kleinen Pausen brauchte, um wieder bei sich selbst anzukommen.
Die einfachste Strategie, mit der wir uns gegen das Ausbrennen wappnen können, ist genau dieses Pausieren. Dabei beginnt eine gute Pause mit der Frage: Was würde mir jetzt guttun? Und dann sind die eigenen Bedürfnisse dran. Die üblichen Rollen, die wir im Alltag spielen, werden kurzzeitig beurlaubt. In dieser Zeitspanne sind wir mal nicht der Friedenstifter und auch nicht der Lastenesel. Wir kümmern uns ausschließlich um uns selbst.
Wer kein Burn-out riskieren will, sorgt für regelmäßige Pausen. Und dabei gilt dieselbe Regel wie bei einem Druckabfall im Flugzeug: ich zuerst, dann die anderen.