klasseKinder!: Was läuft bei Konfliktgesprächen mit Eltern häufig schief?
Kati Ahl: Einer der häufigsten Fehler ist, sich auf einen Machtkampf einzulassen. Das vermeidet man mit einer guten Vorund Nachbereitung, durch Supervision und durch Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen. Es hilft auch, die gemeinsame Verbindung im Blick zu behalten: Sowohl wir als auch die Eltern wollen doch das Beste für das Kind. Außerdem passiert es Pädagogen und Pädagoginnen oft, dass sie mit einer fertigen Lösungsidee in ein Gespräch gehen.
Man scheitert, weil man so fest auf ein Ziel fixiert ist?
Ja. Eine fertige Idee unterschätzt das Gegenüber. Ein Lösungsvorschlag muss aber von beiden Seiten getragen werden. Ein häufiger Fehler ist auch, dass zu viel Zeit verwendet wird, um die Probleme zu schildern. Man verfällt dann in eine Problemtrance.
Was ist damit gemeint?
Das heißt, dass man sich quasi von dem Problem paralysieren lässt.
Wir haben die ganze Zeit geredet, sind aber keinen Schritt weitergekommen.
Genau. Man hat sich dann gegenseitig erklärt, wie schwierig alles ist. Aber die Energie ist vertan. In den letzten fünf Minuten wird dann versucht, sich noch irgendetwas zu überlegen. Aber bei einem einstündigen Gespräch brauche ich schon die Hälfte der Zeit, um an konkreten Lösungsideen zu arbeiten.
Gibt es noch weitere Fehler?
Lehr- und Fachkräfte nehmen sich häufig zu wenig Zeit, um Gespräche vorzubereiten. Man sollte sich vor allem klar werden: Mit welchen Gefühlen gehe ich, mit welchen Gefühlen gehen die Eltern ins Gespräch? Gerade bei schwierigen Gesprächen ist es gut, sich persönlich vorzubereiten, zum Beispiel eine kurze Pause vor Gesprächsbeginn einzulegen oder sich kurz entspannen.
Was ist die beste Strategie, wenn sich Eltern aggressiv verhalten?
Bei Beleidigungen ist klar, dass ein sachliches Gespräch nicht möglich ist. Man kann natürlich die Eltern noch auffordern, wieder in einem angemessenen Ton miteinander zu reden. Ansonsten muss das Gespräch vertagt werden.
Wie reagiere ich, wenn meine pädagogischen Fähigkeiten angezweifelt werden?
Solche Äußerungen bedeuten, dass die Eltern wenig Vertrauen haben. Aber wir wollen doch das Vertrauen der Eltern. Hier kann man mit Fragen arbeiten, um das dahinter liegende Bedürfnis zu finden. Was brauchen Sie, um mir zu vertrauen? Was wünschen Sie sich von mir? Was befürchten Sie? Die Antwort deckt häufig auf, was hinter der harschen Kritik steckt.
Geht das, in einer kritischen Gesprächssituation solche Fragen zu stellen?
Es ist sicher nicht einfach, aber möglich. Eine andere Möglichkeit wäre, die eigenen Gefühle zu benennen. „Ich sehe, Sie sind sehr aufgebracht, aber ich muss sagen, dass die Kritik mich auch trifft. Ich möchte erst einmal darüber nachdenken.“ In emotionalen Gesprächen kommt häufig eine hohe Dynamik auf. Dann ist es eine gute Methode, zu verlangsamen, indem man über seine Gefühle redet. Man kann auch durch Visualisierung ein Gespräch lenken, in dem jeder erst einmal auf eine Karte schreibt, was er sich von dem Gespräch wünscht.
Wie erreichen wir Eltern, die nicht gesprächsbereit sind?
Man muss unterscheiden, warum die Eltern nicht kommen. Es gibt Eltern, die Schule oder Hort früher anders erlebt haben und diese Form der Kooperation nicht kennen. Da hilft es, sie einzuladen und am Vertrauen zu arbeiten. Dann gibt es Eltern, die familiär oder beruflich überfordert sind und eine Kooperation ablehnen. Wir können sie nicht dazu zwingen. Wir sind ja keine Fachkräfte für die Eltern, sondern für die Kinder.
Wie bereite ich mich auf Gespräche vor, wenn der Anlass für die Eltern unangenehm oder mit Scham verbunden ist?
Hilfreich ist es, zu sehen, welche Ansätze die Eltern schon mitbringen. Denn wenn die Eltern sich als inkompetent erleben, zweifeln sie an ihrem Selbstwert. Positive Initiativen kann man stärken: „Ich habe gesehen, Sie machen schon dieses oder engagieren sich hier.“ Dann rate ich, sich Zeit zu nehmen und Gefühle zu benennen, wenn sie aufkommen. „Ich weiß, das ist Ihnen jetzt unangenehm, aber mir fällt es auch schwer.“ Durch eigene Transparenz gewinnt man bei den Eltern ein Stück Vertrauen.
Wie geht man mit getrennt lebenden Eltern um?
Es ist natürlich eine große Versuchung, sich in eine Koalition ziehen zu lassen. Oft hilft es, sich wieder auf das Kind zu fokussieren: „Unser gemeinsames Interesse in diesem Gespräch ist das Wohlergehen des Kindes. Was würde der Mia, dem Ben guttun“?
Sollten Kinder bei Gesprächen übersetzen, wenn die Eltern nicht Deutsch sprechen?
Nein, das halte ich nicht für sinnvoll. Das Kind kommt in einen Rollen- und Loyalitätskonflikt. Das Kind soll übersetzen, will den Eltern aber vielleicht gar nichts sagen. Oder es übersetzt falsch. Es gibt professionelle Übersetzer, an die man sich als Einrichtung wenden kann.
Die Fragen stellte Angelika Friedl.