Manager für KindergruppenFachkräfte im Ganztag

Rollenmuster, Geschlechterunterschiede, Charaktertypen: Für einen guten Zusammenhalt müssen Fachkräfte vieles beachten.

Kooperative Lernformen, Gruppenarbeit oder die Lernspirale von Heinz Klippert – Lehrerinnen und Lehrer haben ihre Methoden, wie Kinder gemeinsam in einer Klasse lernen können. Im Ganztag aber steht das Miteinander in einer Gruppe stärker im Vordergrund. Die Kinder verhalten sich anders als im Unterricht, die Gruppendynamik ist eine andere als im Unterricht. Fachkräfte in der Betreuung arbeiten deshalb eher mit sozialpädagogischen Methoden als ihre Lehrkollegen. In jeder Gruppe entwickeln sich Rollenmuster, wobei ein Kind in unterschiedlichen Gruppen nicht immer die gleiche Rolle einnehmen muss. Damit Gruppenarbeit gelingt, ist es wichtig, dass jedes Mädchen und jeder Junge die Rolle findet, die im jeweiligen Verbund zu ihm passt. Fachkräfte müssen dafür sorgen, dass ausreichend Zeit und Freiheit für diesen Prozess zur Verfügung stehen. Bekannte Verhaltensmuster in einer Gruppe sind die des Clowns, des Meinungsmachers, der Leitfigur, des Mitläufers, des Organisators oder des Außenseiters.

Manche Kinder suchen sich in der Ganztagsgruppe bewusst die Rolle, die sich von ihrer Stellung zu Hause oder auch in der (Unterrichts-)Klasse unterscheidet. Dieses Ausprobieren unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung. Ganz unabhängig von der Rolle in einer Gruppe müssen Fachkräfte aber auch den Charaktertyp des jeweiligen Kindes im Blick haben. Es gibt Helfer oder Quertreiber, anhängliche Kinder, die Angeber und die Stillen, geltungssüchtige oder verspielte Kinder, die Schüchternen und Ängstlichen oder die Verspielten. Es ist wichtig zu wissen, dass Fachkräfte zwar das Rollenverhalten in der Gruppe steuern können, den Charaktertyp aber respek tieren müssen. So leiden stille Kinder nicht zwingend darunter, dass sie nicht im Mittelpunkt stehen. Es sollte nicht versucht werden, etwa einen stillen Jungen in einen Draufgänger zu verwandeln.

Glückliche Außenseiter

Für Fachkräfte wächst die Herausforderung, wenn zu einer Gruppe mehrere Außenseiter gehören. Man unterscheidet verschiedene Typen: Sogenannte reife Außenseiter fühlen sich am Rand einer Gruppe meist wohler als im Zentrum. Sie gehen Konflikten eher aus dem Weg oder lösen sie ohne lauten Streit. Unreife Außenseiter sind in der Entwicklung verzögert oder in der Schule überfordert. Davon erholen sie sich, indem sie in der Gruppe eine passive Rolle einnehmen. Beide Rollentypen hadern meist wenig mit ihrer Stellung – im Unterschied zu den unfair Ausgegrenzten, die von der Gruppe an den Rand gedrängt werden. Egal was der Grund für die Ausgrenzung sein mag – diese Kinder brauchen Hilfe. Es hilft nicht, Mobbing einfach zu verbieten oder Gruppenfrieden verordnen zu wollen. Wichtig ist, dass die Gruppe ihr Fehlverhalten einsieht. Hilfreich ist es, wenn Fachkräfte solche Konflikte in der Gruppe thematisieren und mit allen Kindern die Folgen ausgrenzenden Verhaltens besprechen. Oft ist denjenigen, die ausgrenzen, die ganze Tragweite für das Opfer nicht bewusst. Darüber hinaus sollten Fachkräfte auch den Außenseitern eigene Erfolgserlebnisse ermöglichen, sie damit aber nicht in den Mittelpunkt der Gruppe stellen. Das würde einen Erfolg für den Ausgegrenzten entwerten, da er es dann nur als Folge der Erwachsenen-Intervention und nicht als Ergebnis eigener Leistung interpretieren würde. Vor den anderen Gruppenmitgliedern wiederum wäre der Ausgegrenzte dann doppelt stigmatisiert.

Pubertät beginnt

Die Rollen in der Gruppe können sich während der Grundschulzeit ändern. Gerade die beginnende Pubertät im Alter von etwa zehn Jahren führt bei den Kindern zu neuen Interessen. Außerdem durchleben sie zuweilen ein Wechselbad und Schülern auf die Probe stellen und sich auch auf die Gruppe auswirken kann. Die Besonderheiten der Geschlechter sollten Fachkräfte beim Managen der Gruppe stets im Auge behalten – ohne dabei in Stereotype zu verfallen. So sind viele Mädchen eher sozial orientiert: Sie beschäftigen sich gerne mit Gruppenspielen, in denen Hierarchien unwichtig sind. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Handeln. Viele Schülerinnen orientieren ihr Verhalten an Kompromissen, was sich unter anderem in einer stark dialogisch orientierten Sprache zeigt. Sie schlagen zum Beispiel vor: „Wollen wir Schleim herstellen?“, statt direkt dazu aufzufordern. Jungs dagegen spielen oft in größeren und hierarchisch orientierten Gruppen mit einem dominanten Anführer. Sie lassen andere ihre Überlegenheit spüren und definieren sich oft über ihre Stellung in der Gruppe und auch darüber, ob sie mit ihren Handlungen auffallen. Streit wird zuweilen als eine Form der Kontaktaufnahme gesucht. Generell geht es oft derber zu als in einer Mädchengruppe, verbale Ausfälle werden von Schülern eher als normal begriffen. Konflikte zwischen den Geschlechtern wegen dieser Unterschiede können das Zusammenleben der Gruppe beeinflussen.

Gruppendynamik verstehen

Damit zu Beginn eines Schuljahres eine gute Kindergruppe entsteht, können sich Fachkräfte am Modell der Gruppendynamik von Bruce Tuckman orientieren. Der US-amerikanische Psychologe hat in den 1960er-Jahren ein Modell für die Arbeitswelt entwickelt, das die Entstehung eines Teams in vier Phasen Forming (Einstiegs- und Findungsphase), Storming (Auseinandersetzungs- und Streitphase), Norming (Regelungs- und Übereinkommensphase) und Performing (Arbeits- und Leistungsphase) unterteilt. Näheres haben wir in klasseKinder! Heft 3/2017 beschrieben.

Für die erfolgreiche Gruppenarbeit ist es wichtig, dass die Fachkräfte sich ihrer eigenen Rolle als Manager bewusst sind. Deshalb sollten sie sich auch über ihren Leitungsstil im Klaren sein. Es geht um die Frage der Autorität – ein in den vergangenen Jahren durchaus kritisch bewerteter Begriff. Mit Autorität ist nicht gemeint, sich selbst und die eigenen Auffassungen in den Mittelpunkt zu stellen und von den Kindern blinden Gehorsam zu verlangen. Die Autorität der Fachkräfte soll darin bestehen, dass die Kinder ihnen im Zweifelsfall zutrauen, richtige Entscheidungen zu treffen. Es geht also um das Vertrauen der Kinder in die Persönlichkeit der Erwachsenen. Die ist ganz generell ohnehin zunächst gegeben, wenn Erstklässler in die Schule und damit auch in den Ganztag kommen. Die Herausforderung besteht darin, sich diese Autorität zu bewahren. Das gelingt mit klaren und nachvollziehbaren Eingriffen ins Gruppengeschehen. Fachkräfte sollten also nicht deshalb für Ruhe sorgen, weil sie vom Lärm genervt sind, sondern weil andernfalls etwa ein bestimmtes Angebot oder Spiel nicht funktionieren oder Erklärungen nicht verstanden würden. Das Hervorkehren einer Chefrolle, in der die Autorität oft missbraucht wird, untergräbt diese langfristig. Fachkräfte sollten ein freundschaftliches, kein herrschaftliches Verhältnis zu den Kindern pflegen.

Positive Autorität

Unverzichtbar ist die Autorität der Fachkräfte in gefährlichen Situationen: bei einem Ausflug entlang einer belebten Straße etwa, einer Radtour, auf einem überfüllten Bahnsteig oder auch im Wald beim Klettern auf Bäume. Die Kinder sollten schon am Gesicht eines Erwachsenen ablesen können, dass es jetzt ernst wird – und sie sollten dies dann auch ernst nehmen. Spätestens in solchen Situationen hilft es, wenn für die Gruppe klare, nachvollziehbare Regeln gelten. Fachkräfte sollten deren Sinn gemeinsam mit den Kindern besprechen und dann für deren Einhaltung sorgen – notfalls mit Konsequenzen.

Für ein gelingendes Gruppenleben ist es wichtig, Konflikte, die alle betreffen, transparent zu klären. Umgekehrt muss aber nicht jede Auseinandersetzung zwischen Kindern sofort thematisiert werden. Gruppen verfügen in dieser Hinsicht über ein beträchtliches Selbstreinigungsvermögen. Wenn es nötig ist, kann eine Sofortreaktion einen Konflikt zunächst schlichten und darauf verwiesen werden, dass das Thema später noch mal genauer besprochen wird. Auch hier gilt: Für das Zusammenleben der Kinder sind die Fachkräfte Vorbild. Die Art und Weise, wie im Team Entscheidungen getroffen, Konflikte geklärt werden und miteinander umgegangen wird, wirkt sich direkt auf die Schülerinnen- und Schüler-Gruppe aus.

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