Nicht schimpfen!Herausforderndes Verhalten

Was pädagogische Fachkräfte tun können oder besser lassen sollten, wenn Kinder sich auffällig und herausfordernd verhalten. Tipps für den Alltag in Hort und Ganztagsschule.

Nicht schimpfen! Herausforderndes Verhalten im Kitaalltag
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Die nachfolgenden Tipps sollen helfen, in schwierigen Erziehungssituationen gelassen und möglichst souverän zu reagieren. Aber Vorsicht: Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht – jedes Kind ist einzigartig, individuell und befindet sich in einer ganz bestimmten Lebenssituation.

Reflexion. Das wichtigste Erziehungsmittel sind Sie selbst: Reflektieren Sie Ihr Verhalten, überlegen Sie, wie sie neu, anders und auch überraschend reagieren könnten. Versuchen Sie, in brenzligen Situationen ruhig zu bleiben. Zeigen Sie dem Kind, dass Sie an es glauben, auch wenn es schwierig ist. Kritisieren Sie das Verhalten des Kindes, nicht das Kind als Gesamtpersönlichkeit. Reflektieren Sie Ihre Macht/Ohnmacht, Ihre eigenen Gefühle gegenüber dem Kind.

Beziehung. Solange sich ein Kind, das sich schwierig verhält, von Ihnen angenommen und wertgeschätzt fühlt, wird es offen für Ihre Impulse, Ideen, Grenzen und Konsequenzen sein. Ihre gute Beziehung zum Kind ist die Grundlage für eine Verhaltensänderung des Kindes. Das erfordert einen langen Atem und ist immer wieder anstrengend. Und: Die Kinder brauchen verlässliche Bezugspersonen.

Perspektivwechsel. Versuchen Sie, sich in das Kind hineinzuversetzen. Kinder brauchen, gerade wenn es schwierig ist, Erwachsene mit einem guten Einfühlungsvermögen. Wenn Sie das Kind verstehen, Verständnis entwickeln (ohne sein störendes Verhalten gutzuheißen), werden Sie einen anderen, neuen Zugang zum Kind mit seinen Themen und Nöten finden. Das Kind wird dadurch empfänglicher für Ihre Ideen und Impulse.

Gefühle spiegeln. Gehen Sie auf die Gefühle des Kindes ein – spiegeln Sie ihm seine Gefühle, seine Wut, seine Enttäuschung. So zeigen Sie dem Kind, dass Sie es verstehen, dass Sie seine Situation ernst nehmen. Das fördert den Kontakt und die Beziehung zum Kind, das dann besser mit Ihnen kooperieren kann. Beispiel: „Du bist wütend, weil Tim deinen Turm umgestoßen hat.“

Klare Kommunikation. Verwenden Sie Ich-Botschaften, wenn Sie mit dem Kind sprechen. Bleiben Sie ruhig, gerade auch, wenn Sie ihm die Konsequenzen seines Verhaltens mitteilen. Erzeugen Sie Aufmerksamkeit. Reden Sie in einfachen, klaren Sätzen – ohne ein „vielleicht“ oder andere Unklarheiten. Diskutieren Sie nicht. Sagen Sie klar, was Sie vom Kind erwarten. Vermeiden Sie Hektik und Zeitdruck.

Nicht schimpfen! Schimpfen beschädigt ein Kind in seiner Gesamtheit, verletzt sein Selbstwertgefühl und würdigt es herab. Strafen, Drohungen, Schimpfen bewirken nichts – außer, dass sich Kinder zurückziehen oder sich womöglich an Ihnen „rächen“, etwa indem sie Kooperation verweigern oder andere verletzen.

Zeitnah und logisch reagieren. Arbeiten Sie bei Regelverletzungen mit logischen Konsequenzen, die am besten schon vorher klar kommuniziert werden. Wenn möglich, besprechen Sie mit dem Kind diese Konsequenzen in einem ruhigen Moment: „Was passiert, wenn du dich nicht angemessen verhältst? Dann hörst du jetzt mit den Hausaufgaben auf und musst den Ärger zu Hause und morgen mit der Lehrerin aushalten.“ Sie helfen sich und dem Kind nicht, wenn Sie vor lauter Wut un sinnige Strafen oder Drohungen aussprechen („Wenn du jetzt nicht aufräumst, dann hast du eine ganze Woche Baueckenverbot“), das Kind ausschimpfen oder demütigen.

Machtkämpfe vermeiden. Verhindern Sie, dass Situationen eskalieren, in denen es dann nur Verlierer gibt. Das passiert vor allem, wenn Sie direkt auf das störende Verhalten reagieren wollen und müssen. Achten Sie auf Ihre eigenen Gefühle. Die eigene Wut verhindert einen gelassenen Umgang in hitzigen Situationen. Versuchen Sie stattdessen, sich zu beruhigen, indem Sie zum Beispiel kurz aus dem Raum gehen.

Konflikte moderieren. Versuchen Sie in einem Konflikt zwischen Kindern zu moderieren. Greifen Sie aber nicht zu vorschnell ein, auch wenn ein Kind einen Fehler gemacht hat.

Systemische Sichtweise. Auffälliges Verhalten ist eine gesunde Reaktion auf eine krank machende Umwelt. Das Verhalten ist ein Notsignal des Kindes. Sehen Sie das Verhalten als eine verschlüsselte Botschaft, die Sie verstehen müssen. Stellen Sie dazu Hypothesen auf: Warum muss das Kind diese Verhalten zeigen, gibt es Zusammenhänge in seinem System, gibt es Schwierigkeiten, Belastungen (Trennung und Scheidung, die Geburt eines Geschwisterkindes, Arbeitsplatzverlust)? Danach überlegen Sie sich Lösungsideen, am besten zusammen im Team.

Grundbedürfnisse prüfen. Wenn ein Kind grundsätzlich keine Zuwendung, Zugehörigkeit, Bedeutung, keine Selbstwirksamkeit erfährt, wenn es keinen Schutz, keine Geborgenheit zu spüren bekommt, dann kann es mit seinem Verhalten darauf aufmerksam machen.

Nicht immer nur die Defizite sehen. Überlegen Sie, was das Kind gut kann, was seine Stärken und Ressourcen sind: Setzen sie bedingungslos an diesen Stärken an. Bauen Sie über die Stärken des Kindes eine Brücke zu den Themen, die das Kind noch lernen muss (Bridging). Überlegen Sie sich Erziehungsziele für ein verhaltensauffälliges Kind: Was soll das Kind ganz konkret als Nächstes lernen?

Die Bühne nehmen. Auffällige Kinder suchen oft die Aufmerksamkeit – gerade in Situationen im Tagesablauf, in denen alles funktionieren sollte, etwa wenn man zusammen zum Essen geht. Versuchen Sie einem auffälligen Kind diese Bühne zu nehmen und schenken Sie ihm nicht zu viel Beachtung. Die anderen Kinder beobachten sehr genau, was passiert. Signalisieren Sie, dass Sie sich, natürlich am besten in einem Zweierteam, auch um die Gruppe kümmern. Sonst wird diese unruhig und Sie haben zwei Probleme: das auffällige Kind und die unruhige Gruppe.

Belohnungssysteme. Wenn man es sich zeitlich leisten kann, können Verstärkerpläne, bei denen positives Verhalten verstärkt und belohnt wird, sinnvoll sein.

Strukturen, Regeln und Rituale. Kinder brauchen Regelmäßigkeit, klare Strukturen und gute Rituale. Achten Sie auf einen guten und klaren Regelkatalog in Ihrer Gruppe, der am besten zusammen mit den Kindern besprochen und beschlossen wurde.

Elternarbeit. Arbeiten Sie mit den Eltern: Nur mit diesen werden Sie letztendlich eine Lösung finden.

Hilfe holen. Wenn Sie neue Ideen und Impulse brauchen oder nicht mehr weiterwissen: Sprechen Sie Ihre Leitung an, fordern Sie eine kollegiale Beratung oder Fallbesprechung ein. Überlegen Sie, ob es sinnvoll ist, weitere Unterstützung zu holen, etwa von Beratungsstellen, Jugendamt u. Ä.

Geduldig sein. Bedenken Sie: Bis sich bei Kindern neues Verhalten verfestigt, braucht es Zeit. Ein Kind spürt, dass es der Erwachsene „aushält“, auch wenn es schwierig ist. Und bei allem Ärger und Stress, der manchmal entsteht: Seien Sie nachsichtig mit sich und dem Kind!

Zu guter Letzt. Nicht allen Kindern können wir in unseren Einrichtungen gerecht werden. Man darf es sich nie zu einfach machen – aber innerhalb eines guten Prozesses können Sie zu der Entscheidung kommen, dass Sie den Bedürfnissen eines Kindes in Ihrer Einrichtung nicht mehr gerecht werden. Dann ist zu überlegen, ob Sie den Platz kündigen. Es kann sein, dass erst durch diese Intervention Eltern oder Jugendamt tätig werden.

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