Daniela Pfeiffer muss schmunzeln. Als die stellvertretende Leiterin des Offenen Ganztags (OGS) an der katholischen Grundschule Holzlar in die erste Etage führt, wird sie von der achtjährigen Selina gebremst. „Wann machen wir heute Schleim?“, möchte das Mädchen voller Vorfreude wissen. Minuten zuvor hatte die Erzieherin geschildert, mit welcher Begeisterung insbesondere die Mädchen ihrer 32 Kinder umfassenden Gruppe jede Form von Forschen und Experimentieren annehmen.
Seit drei Jahren gehört die Erzieherin dem Team an, das die insgesamt 240 Kinder in der OGS betreut. Sie hat sich alles rund um die sogenannten MINT-Inhalte auf die Fahnen geschrieben, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. „Das kommt in der OGS häufig zu kurz. Dabei bieten die Themen eine Fülle von Möglichkeiten, selbstständig Dinge auszuprobieren, zu arbeiten und im eigenen Tempo Lösungen zu finden“, ist sie überzeugt. Besondere Freude und Energie entwickeln die Kinder, wenn die Versuche lebensnah sind und sie die benutzten Gegenstände und Elemente anfassen können.
RAKETENBAU MIT SPEZIALISTEN
Um diese Nähe zwischen Theorie und Praxis zu ermöglichen, arbeitet die Schule eng mit Unterstützern zusammen, etwa mit dem wenige Kilometer entfernten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder dem Verein „Abenteuer lernen“. Gemeinsam Forschen stärkt die Kompetenz. „Die Kinder lernen, naturwissenschaftliche Phänomene zu verbalisieren, indem sie sich gegenseitig von ihren Vermutungen und Ideen erzählen.“ Sprachförderung auf spielerische Art.
Ein Blick in den Gruppenraum belegt, was die Erzieherin schildert. Fünf Mädchen und drei Jungen haben sich um einen Tisch versammelt und grübeln: Wie schaffen wir es, gefärbtes Wasser von einem Glas ins andere wandern zu lassen, ohne dass wir das Glas anfassen? Kann man vielleicht eine Leitung aus Papier bauen? „Könnte klappen“, meint Julian. Marie plädiert für grobes Papier, beispielsweise Küchenrolle. Der gemeinsame Test belegt: Das Wasser wandert. Tröpfchen für Tröpfchen. „Es ist total spannend zu beobachten, ob das, was wir vermuten, wirklich klappt“, sagt Max.
VERTRAUEN IN EIGENE FÄHIGKEITEN
Was auch für das zweite Experiment gilt: Bleiben Eiswürfel an einem Wollfaden hängen, wenn dieser vorher mit etwas Salz bestreut wird? Carlotta darf es vorführen. Vor wenigen Minuten hat es schon einmal funktioniert. Doch diesmal wollen die Eiswürfel nicht. Eine Freundin rät: „Vielleicht musst du den Eiswürfel und den Faden zusammenhalten.“ Und tatsächlich – die Eiswürfel hängen kurz darauf am Wollfaden. „Wichtig ist, dass den Kindern keine Wege und Lösungen vorgegeben werden. Sie sollen selbst forschen, manchmal feststellen, dass etwas nicht funktioniert, und oft spüren, wie es gelingt“, betont Betreuerin Claudia Tschirner. Daniela Pfeiffer fügt hinzu: „Die Kinder erfahren Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen, indem sie immer neue Fragestellungen verfolgen, Antworten finden und dadurch Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen. Sie üben sich in Frustrationstoleranz und Ausdauer, indem sie Experimente wiederholen, falls diese nicht sofort klappen.“ Diese Lerneffekte wirken sich insgesamt positiv auf die Entwicklung der Kinder aus.
Schulunterricht und Nachmittagsbetreuung in der OGS sind so weit wie möglich verzahnt. Lehr- und Fachkräfte stimmen sich über vom Lehrplan vorgegebene Inhalte und Forscherthemen ab, nutzen den gut ausgestatteten Forscherraum im Schulgebäude gemeinsam. Ein ganzes Schuljahr lang lautete das Motto „Luft und Fliegen“. In der Turnhalle erfuhren die Kinder beim Parcourslauf mit vorgehaltenem Regenschirm oder Pappbogen die Wirkung des Luftwiderstandes. Sie erlebten die Effekte von Stromlinienförmigkeit. „Das ist ja wie beim Rennfahren“, erkannte ein Kind. Schon war der Bezug zum Leben hergestellt.
Als ebenso wichtig empfinden die Erzieherinnen die soziale Komponente des aktiven, gemeinsamen Handelns. „Wir haben Papierflieger gebaut, jeder nach seiner Vorstellung. Ausgerechnet der eines weniger akzeptierten Jungen flog am besten. Daraufhin gingen die anderen auf ihn zu und ließen sich beraten“, erinnert sich Daniela Pfeiffer. Und plötzlich stand der Kleine auch beim Fußballspielen nicht mehr abseits. Denn in Bonn gibt es neben den MINT-Angeboten natürlich auch alles andere, was einen guten Ganztag ausmacht.
(alle Namen der Kinder geändert)
Steckbrief
Offene Ganztagsschule (OGS) der katholischen Grundschule Holz (Bonn)
OGS-Schülerinnen und Schüler: 240, davon 195 ganztags, 45 in Kurzzeit
Erzieherinnen: 9 pädagogische Fach-, 11 Ergänzungs- und 2 Hauswirtschaftskräfte, 2 FSJler
Arbeitsgemeinschaften im musikalischen, kreativen und sportlichen Bereich.
Träger: Caritasverband Bonn
www.kgs-holzlar.de/index.php/betreuung