Die offene Ganztagsschule in Barkelsby, einem kleinen Ort unweit von Eckernförde in Schleswig- Holstein, ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Angefangen mit der Leitung: Inga Lange war eigentlich einmal selbstständige Buchhändlerin. Als ehrenamtliche Lesepatin brachte sie den Schülerinnen und Schülern Bücher und deren Lektüre nahe. Schulleiter Klaus Düllmann erkannte ihr Potenzial: „Und wenn wir erst einmal jemanden schätzen gelernt haben, lassen wir ihn nicht mehr los.“ Inga Lange wurde 2013 Begleiterin des pädagogischen Mittagstisches, zwei Jahre später übernahm sie die Leitung des offenen Ganztags. Mittlerweile hat sie sich noch zur Lerntherapeutin fortgebildet.
Lange und ihr Team, das aus sechs Mitarbeiterinnen und zwei Bundesfreiwilligendienstlern besteht, tragen der gesellschaftlichen Realität Rechnung: Immer mehr Kinder bleiben immer länger in der Schule. 80 Prozent der nunmehr 126 Schülerinnen und Schüler sind im Ganztag angemeldet. Nicht wenige kommen morgens um 7 Uhr und werden um 17 Uhr abgeholt.
Manche Aufgaben, für die früher ganz selbstverständlich die Eltern zuständig waren, übernehmen in Barkelsby inzwischen Schule und Ganztag: Lebensmittel zubereiten, ein Buch lesen, Fahrrad fahren. „Das sind elementare Dinge, die wir aber nur abseits des Lehrplans, sprich nachmittags, anbieten können“, sagt Düllmann. Es gibt eine lerntherapeutische Begleitung – Leselust und Zahlenzauber – eine Küchen-AG und eine Theatergruppe. Einerseits orientieren sich die Angebote im Ganztag an den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder; zum anderen „schauen wir, was zuhause nicht trainiert wird“, sagt Schulleiter Düllmann. Fahrradfahren zählt ebenso dazu wie Schwimmen. Folgerichtig wurden aktuell die AG „Radelprofis“ und „Wasserflöhe“ ins Leben gerufen.
LERNEN FÜRS LEBEN
Um für die Fahrrad-AG fit zu sein, besuchten Ganztagsleiterin Inga Lange und ihre Kollegin Britta Hinrichsen eine von der Verkehrswacht und der Unfallkasse Nord angebotene Fortbildung. Bewusst zu zweit: „Denn es darf nicht sein, dass die AG nicht stattfindet, wenn eine Erzieherin einmal ausfällt“, sagt Inga Lange. Zwölf Schulfahrräder wurden angeschafft. Seither geht es wöchentlich zum Training in die Sporthalle. Spielerisch lernen die Erst- und Zweitklässler den Umgang mit dem Rad, trainieren ihren Gleichgewichtssinn, fahren Slalom, üben das Abbiegen. „Wir mussten uns eingestehen, dass sich immer weniger Kinder im Verkehr sicher bewegen.“ Linksabbiegen beispielsweise erfordert gute motorische und koordinative Fertigkeiten: Handzeichen geben, mit einer Hand lenken, rückwärts über die Schulter schauen, weiterfahren. Klaus Düllmann ist sicher: „Diese AG trägt zur Ertüchtigung, Selbstwirksamkeit und Ermutigung bei.“ So wie die Zirkus-AG. Das dort Erarbeitete präsentieren die Kinder jährlich vor der Schulgemeinschaft. Wer sich traut, vor Publikum ein Rad zu schlagen, dem fällt es später auch leichter, vor der Klasse ein Referat zu halten.
MIT DEM TAXI INS SCHWIMMBAD
Wenn sich die Wasserflöhe im Wasser tummeln wollen, müssen sie zunächst einmal mit Übungsleiterin Susanne Helbig oder dem pensionierten Schulmeister Norbert Ober ins Schwimmbad nach Eckernförde fahren. Mit dem Taxi. Eine andere Verbindung kostet zu viel Zeit. Die Eltern müssen aber dafür nicht extra in den Geldbeutel greifen, die Gemeinde als Schulträger trägt die Kosten, da auch der öffentliche Nahverkehr keine Alternative zur Taxifahrt darstellt. Die Pauschale für die offene Ganztagsschule ist individuell gestaffelt. Für Kinder, die nur einen Tag pro Woche die OGS nutzen, werden monatlich 20 Euro fällig. Zwei bis drei Tage kosten 40 Euro, vier bis fünf Tage 60 Euro.
In der Schwimmhalle angekommen, geht es auch hier spielerisch zu. Wassergewöhnung lautet die Devise. Gegenseitiges Nassspritzen zählt ebenso dazu wie Blasenblubbern unter Wasser, Gleitübungen und Ringe aufheben. „Wenn es uns gelingt, den Kindern in dieser AG die Angst vor dem Wasser zu nehmen, ist das Schwimmenlernen ein Klacks. Andernfalls wird es ein Krampf“, versichert Klaus Düllmann. Damit die Erfahrung der Kinder aus der Wasserfloh-AG nicht verblasst, wird der zum Schulinhalt zählende Schwimmunterricht künftig von der vierten auf die dritte Klasse vorgezogen. Schule und Ganztag sind in Barkelsby eng verzahnt.
UMWELTBEWUSSTSEIN FÖRDERN
Kinder auf das Leben vorzubereiten, bedeutet für Inga Lange und ihr Team auch, sie zu einem verantwortlichen Umgang mit Materialien aller Art zu bewegen. „Schwuppdiwupp – aus Alt mach Neu“ heißt die entsprechende AG in Kooperation mit der Abfallwirtschaft Eckernförde. Hier lernen die jungen Umweltprofis, wie man Verpackungen und Plastikmüll neues Leben einhaucht: Aus leeren Konservendosen entstehen Insektenhotels, aus PET-Flaschen Gartenlaternen. Schulleiter Klaus Düllmann: „Das ist Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Grundschule.“