Herr Vollmer, wie sieht die Situation momentan an Betreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen aus?
Vollmer: Die Kolleginnen und Kollegen in der Ganztagsbetreuung sind mit der neuen Situation verständlicherweise oft überfordert.
Was können Sie ihnen raten? Was können sie tun, um sich evtl. weniger hilflos zu fühlen? Wo gibt es Hilfe für pädagogische Fachkräfte?
Vollmer: Es gibt hier drei zentrale Punkte: Zum einen ist die eigene Qualifikation wichtig. Sich weiterbilden (lassen) in den Bereichen interkulturelle Kompetenzen, Wissen um Migration und islamische Kultur/Religion usw. Das an sich ist nichts vollkommen Neues: „Alte“ Kompetenzen, wie z. B. vorurteilsfreie Erziehung, sind jetzt wieder gefragt. Der zweite Punkt ist die Vernetzung: Stärkere und neue Vernetzungen und mehr Kooperation sind sicherlich notwendig und hilfreich, z. B. direkt mit Sozialdiensten (Flüchtlingsheimen, Lebenshilfe usw. …) und auch mit Jugendämtern, Kommunen, Trägern usw. Ein dritter Punkt: Im Alltag aktiv bleiben, sich regelmäßig fragen, was im Vorfeld, möglichst früh getan werden kann, um mit den Kindern und Familien gut in Kontakt zu kommen. Wissen, dass Familien kommen, die mit der deutschen Pädagogik, mit dem deutschen Bildungssystem nicht vertraut sind. Es gilt also, in Kontakt und Beziehung zu treten, auch um eigene Erwartungen zu formulieren. Und stets überlegen, wie man Zeichen senden kann, dass die Familien, ihre Kinder willkommen sind und wertgeschätzt werden. Der Austausch im Team, ggf. Supervision, sind dabei Standard.
Und für die Kolleginnen selbst? Was können sie tun bei Überforderung und Stress? Wenn sie das Gefühl haben, der Situation einfach nicht gewachsen zu sein?
Vollmer: Dann hilft es evtl., Abstand auf die Situation zu bekommen: sich selbst zu fragen: Was können wir hier leisten? Was ist möglich? Was nicht? Wo sind meine persönlichen Grenzen? Es ist wichtig, solche Grenzen zu erkennen und ernst zu nehmen. Das bedeutet konkret, sich im Zweifelsfall zu trauen, Kinder nicht aufzunehmen bzw. mit zuständigen Behörden und Diensten zu besprechen, wo beispielsweise Kinder mit schwerwiegenden traumatischen Belastungsstörungen besser aufgehoben sind und wo diesen Kindern adäquat geholfen werden kann.