Neulich erzählte mir eine Mutter von der Situation an der Grundschule ihrer Kinder: Die Turnhalle ist seit einigen Monaten mit einem blickdichten Bauzaun vom Rest des Schulhofs abgetrennt, dort leben jetzt hunderte Menschen auf engstem Raum. Der Bauzaun trennt streng zwischen Schulkindern und Flüchtlingskindern. Dass sie miteinander in Kontakt kommen, ist nicht vorgesehen. Für die Durchsetzung dieses Verbots sind eine Sicherheitsfirma, aber auch die Erzieher/innen und Lehrer/ innen zuständig. Noch mindestens zwei Jahre soll die Notunterkunft bestehen bleiben.
Eine schwer erträgliche Situation – für alle Beteiligten. Es gab bereits eine Schlägerei unter den zusammengepferchten erwachsenen Flüchtlingen. Die Spielgeräte des Schulhofs dürfen die rund 90 Flüchtlingskinder erst nach Ende des Schulbetriebs benutzen. Es gibt immer wieder Klagen und Beschwerden aus der Elternschaft. Beliebte Schulveranstaltungen und Sportfeste fallen aus, weil nun der Platz fehlt. Unabgeschlossene Roller und Fahrräder wurden unerlaubt benutzt oder sind weggekommen.
ZWEI SEITEN DER WELT AUF DEM SCHULHOF
Und trotzdem kam es dann, so erzählte die Mutter weiter, mitten in diesen äußerst widrigen Umständen zu einer unglaublich anrührenden Begegnung. Eine Gruppe Zweitklässler traf sich immer wieder in einer abgelegenen Ecke des Schulhofs um StarWars- oder Fußball-Karten zu tauschen. Und plötzlich stand da ein Junge hinterm Bauzaun, im gleichen Alter. Sehnsüchtig schaute er hinüber zu den Altersgenossen. Durch einen Schlitz im Zaun fing schließlich eine Unterhaltung an. Der Junge sprach nur wenige Brocken deutsch, aber seinen Namen und sein Alter konnte er sagen. Ab da traf sich die Clique jeden Tag mit Ahmed am Zaun – unerlaubt und trotz Verwarnung der Erzieher. Deutsche und syrische Sammelkarten wechselten den Besitzer. Es wurde gequatscht und gelacht. Ahmed gehörte ab jetzt dazu.
Die Freundschaft dauerte einige Wochen. Zuhause stellten die Kinder in dieser Zeit viele Fragen, erzählten immer wieder von ihrem neuen Freund. Die Eltern überlegten, ob sie den Jungen oder seine Familie mal einladen könnten. Doch dazu kam es nicht mehr. Eines Tages war Ahmed weg. Verschwunden. Von der Turnhalle in eine neue Unterkunft umgesiedelt? In ein anderes Bundesland weitergezogen? Weder die Kinder noch die Eltern konnten in Erfahrung bringen, was aus ihm und seiner Familie geworden ist.
Kein Happy End also. Aber trotzdem eine Geschichte, die Mut macht. Und die es wert ist, weitererzählt zu werden. Denn wenn Kinder das so spielend hinkriegen mit der Annäherung und Integration, dann können wir Erwachsenen das vielleicht auch schaffen.