Was bei Wut hilft

Wie können Erwachsene Kinder unterstützen, mit Ärger und Zorn gut umzugehen? Tipps von Experten, Spiele und Literatur

Was bei Wut hilft
© shutterstock.com © Andrey Arkusha

Es ist verständlich, dass Fachkräfte bei Kindern, die wütend sind und austicken, erst einmal das herausfordernde Verhalten „abstellen“ wollen. Aber dabei wird oft übersehen, was hinter dem Verhalten steckt. Oft sind es ungestillte Bedürfnisse, etwa nach Anerkennung oder Aufmerksamkeit. „Kinder gehen an die Decke, wenn sie sich nicht verstanden fühlen“, sagt der Diplom-Pädagoge und Sozialwirt Knut Vollmer. Fachkräfte sollten daher darauf achten, sich einen Überblick über die Gefühlslagen der Kinder zu verschaffen, damit sie auf ihre Bedürfnisse eingehen können. Eine Möglichkeit dafür ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler schon beim Ankommen im Hort oder der Nachmittagsbetreuung Steine oder Papptafeln in verschiedenen Farben nehmen dürfen, die ihre Gefühle symbolisieren.

Selbstreflexion

Manchmal liegt das Problem auf der Ebene der Erwachsenen. Wie gehen Erzieherinnen und Erzieher mit der eigenen Wut, den eigenen Gefühlen um? Können sie selbst gut wahrnehmen und verbalisieren, wenn sie etwas ärgert oder frustriert? Hat es vielleicht etwas mit dem Team zu tun, dass die Kinder so aggressiv sind? Diese Fragen können sich Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig stellen, sagt Knut Vollmer. Kinder lernen viel über die Vorbildfunktion ihrer Bezugspersonen, auch wie diese selbst mit ihren Emotionen und Wutimpulsen umgehen.

Verständnis zeigen

Erwachsene sollten Kinder von klein auf aufmerksam dabei begleiten, mit ihrer Wut gut umzugehen. Das empfiehlt der Verhaltensbiologe Joachim Bensel von der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen. Dazu gehört auch, Verständnis zu zeigen und Hilfe anzubieten, wenn die Wut hochkocht: „Jetzt bist du aber richtig sauer. Das kann ich verstehen; was können wir ändern, damit es dir besser geht und du wieder ruhiger wirst?“

Regulationsmöglichkeiten aufzeigen

Letztlich ist Wut nur ein Motor, um eigene Interessen gegenüber anderen durchzusetzen, Frustrationen zu bewältigen und sich selbst zu behaupten. Lassen sich keine guten Lösungen finden, weil sich an der Situation momentan nichts ändern lässt, kann es hilfreich sein, sich über Bewegung oder an einem Boxsack abzureagieren oder in einen „Schreieimer“ zu brüllen, ohne dass andere Kinder oder Schulinventar dabei zu Schaden kommen. So lernen Kinder, auf sozial verträgliche Weise ihre Emotionen zu regulieren.

Exekutive Funktionen trainieren

Es gibt Trainings und Spiele, die mit der Förderung exekutiver Funktionen werben. Der Begriff beschreibt verschiedene kognitive Fähigkeiten, die erforderlich sind, um das eigene Verhalten und Denken zu regulieren. Für sie alle ist das Stirnhirn verantwortlich (siehe auch Seite 43). Eine dieser Funktionen ist die Impulskontrolle. Wer seine Impulsivität unter Kontrolle bringt, kann auch besser mit Wut umgehen. Insofern sind Spiele, die exekutive Funktionen trainieren, für manche Kinder durchaus hilfreich. Sie können dabei lernen, aufkommende erste Impulse erst einmal zu bremsen, bevor sie handeln. „Für Kinder, die leicht aufbrausen, sind sie aber eher impraktikabel, da sie eine gewisse Mitmachbereitschaft und Selbststeuerung voraussetzen“, sagt Joachim Bensel.

Das können Erzieherinnen und Erzieher tun

  • Die Gefühle der Kinder aufmerksam wahrnehmen
  • Die Wut nicht verbieten oder bestrafen. Wut ist okay, Wut aktiviert ein Kind.
  • Rückmeldung geben: „Du bist aber richtig wütend. Warum? Hast du eine Idee, was wir dagegen machen können?“
  • Verständnis für beide Seiten eines Konfliktes zeigen, nicht nur für das Opfer
  • Den Konflikt ansprechen und ihn nicht übersehen, etwa aus Angst, damit nicht klarzukommen
  • Fragen: Wo liegt das Problem, welche Lösungen gibt es?
  • Achtsam wahrnehmen, wenn ein Kind es geschafft hat, Wut oder einen Konflikt sozial verträglich auszuleben: „Ich hab gesehen, wie sauer du auf Sebastian warst, aber du hast nicht gleich losgehauen, sondern ihm laut gesagt: Gib das wieder her!“
  • Das eigene Verhalten in Konfliktsituationen überprüfen

Literatur für Erwachsene

  • Sabine Stuber-Bartmann: Besser lernen – Ein Praxisbuch zur Förderung von Selbstregulation und exekutiven Funktionen in der Grundschule. Ernst Reinhardt Verlag, München 2017. 106 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 978-3-497-02689-0
  • Sabine Kubesch (Hrsg.): Exekutive Funktionen und Selbstregulation – Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis. Hogrefe, Göttingen 2016. 416 Seiten, 39,95 Euro. ISBN: 978-3-456-85624-7
  • Die Fühl-dich-Mappe: Wut ... tut manchmal gut (Sammelmappe). Fachwissen über den Affektzustand Wut bei Kindern. Schnelle und effiziente Tricks und Hilfen. Herder, Freiburg 2015. 40 Seiten, 17,99 Euro. ISBN 978-3-451-50082-4

Literatur für Kinder

  • Toon Tellegen und Marc Boutavant: Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen. Hanser, München 2015. 80 Seiten, 14,90 Euro. Empfohlen ab 6 Jahren. ISBN 978-3-446-24677-5

Spiele

  • Petra Stamer-Brandt: Wut-weg-Spiele – Für Kita, Hort und Schule. Aggressionen abbauen – Entspannung finden. Herder, Freiburg 2017. 80 Seiten, 9,99 Euro. ISBN 978-3-451-32402-4
  • HABA: Schusselhexe. 16,95 Euro. Ab 5 Jahre. Dieses Würfel- und Brettspiel fördert die Konzentration und die Reaktion. Je nach Alter können verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gespielt werden.

Interdisziplinäres Institut ZNL und fex

Das ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen ist eine gemeinsame Einrichtung der Universität Ulm, der Wehrfritz GmbH und der Metzler-Stiftung unter der Leitung des Gehirnforschers Manfred Spitzer. Auf der Internetseite finden sich Informationen zum Thema „Förderung exekutiver Funktionen (fex)“ sowie Produktempfehlungen, Spiele und Fortbildungen. www.znl-fex.de
Broschüre: Manfred Spitzer: fex – Förderung exekutiver Funktionen. www.znl-fex.de/Fex_Broschuere.pdf

Präventionskonzept Faustlos

Faustlos ist ein wissenschaftlich evaluiertes Gruppenprogramm, das impulsives und aggressives Verhalten von Grundschulkindern reduziert und ihre sozial-emotionalen Kompetenzen fördert. Lehrkräfte können es nach entsprechender Fortbildung einsetzen. Die Umsetzung erstreckt sich über drei bis vier Jahre. www.h-p-z.de/faustlos-grundschule-karten  

Die Zeitschrift Schulkindbetreuung im Abo

  • 2 Ausgaben pro Jahr
  • Pädagogisches Hintergrundwissen für die Arbeit mit Kindern im Grundschulalter
  • Vielfältige Impulse und Tipps für die Praxis in Hort und Ganztag
  • Jede Ausgabe mit einem Themenschwerpunkt
  • Best Practice: Einrichtungen zeigen, wie sie arbeiten
Jetzt testen