Wenn ein Kind plötzlich anders istSchul- und Lernschwierigkeiten

Eigentlich ging Paul immer gern zur Schule. Der Zweitklässler hatte rasch Lesen und Schreiben gelernt und bewältigte den Rechenstoff ohne Probleme. Auch in der Ganztagsbetreuung war er gern mit anderen Kindern unterwegs. Doch seit einigen Wochen wirkt der Junge verändert. Er geht morgens ungern aus dem Haus, zieht sich auch nachmittags oft zurück, trifft sich kaum noch mit seinen Freunden und auch den Erzieherinnen und seiner Klassenlehrerin fällt auf, dass er abgelenkt wirkt, irgendwie weniger bei der Sache. Er sagt, es mache ihm einfach alles keinen Spaß mehr. Was kann hinter solch einem Verhalten stecken? Welche möglichen Ursachen sind zu überprüfen?

Schul- und Lernschwierigkeiten können einen vielfältigen Hintergrund haben. Zunächst sollte geklärt werden, ob sich im schulischen oder familiären Umfeld Veränderungen ergeben haben, die Paul möglicherweise belasten. Hierzu gehören Konflikte mit Schulkameraden, Mobbingerfahrungen, negative Rückmeldungen durch die Lehrer, Belastungen in der Familie durch Erkrankungen, Verluste oder äußere Veränderungen. Traurigkeit mit oder ohne Tränen, alles ist denkbar und normal! Oft leiden trauernde Kinder unter Schuldgefühlen und haben Angst, dass noch jemand sterben könnte. Auch sind Entwicklungsrückschritte nicht selten, einige Kinder leben nun in der Vergangenheit und in einer Traumwelt mit dem Toten.

WOHLWOLLENDE GESPRÄCHE

Vieles von dem ist in Gesprächen mit Paul zu klären. Sie sollten ihm das Gefühl vermitteln, dass seine Befindlichkeit wahr- und ernst genommen wird, er aber nicht bedrängt wird. Bewährt hat sich ein Bezugspersonensystem, das den Kindern einen verlässlichen und konstanten Ansprechpartner zur Verfügung stellt, sodass mehr Vertrauen vorhanden ist. Wenn pädagogische Fachkräfte und Lehrer merken, dass sich ein Kind auffallend verändert, sollten sie ihren Eindruck auch den Eltern des Kindes mitteilen. Diese kennen möglicherweise den Grund und reagieren im günstigen Fall rasch und einfühlsam auf die Nöte ihres Kindes. Aber auch Lehrerinnen und die pädagogischen Fachkräfte selbst können wichtige Vertrauenspersonen sein und dazu beitragen, dass Probleme rasch angesprochen und geklärt werden können.
Finden sich keine Hinweise auf die oben genannten möglichen Belastungsfaktoren, ist zu überlegen, ob das Kind unter besonderen emotionalen Schwierigkeiten leidet. Stimmungsschwankungen bis zu depressiven Störungen gehören hierzu, Ängste unterschiedlicher Ausprägung oder Reaktionen auf schwere Belastungen. Aber auch eine schulische Über- oder Unterforderungssituation kann sich hinter einer auftretenden Leistungsproblematik oder Verhaltensänderung verbergen, ebenso können Teilleistungsstörungen wie eine Rechen- oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche verantwortlich sein.

HILFE VON EXPERTEN

Es gibt also eine Vielzahl möglicher Hintergründe, die es zu beachten und zu erkennen gilt. Die meisten können im Gespräch mit dem Kind, pädagogischen Fachkräften und Lehrern näher eingegrenzt werden. Manchmal ist es jedoch notwendig, Hilfe bei Experten zu suchen. Allgemein gilt, dass rasche Erklärungen und Lösungen oft nicht zutreffen, da sie der Komplexität der Problematik nicht gerecht werden. Notwendig ist eine wohlwollende Unterstützung und Begleitung des Kindes ohne Vorwürfe wie „Streng dich endlich einmal an“. Wichtig ist, im Gespräch mit dem Kind sein Selbstvertrauen und seine Kompetenzen zu stärken, sodass beispielsweise Lern- und Leistungsblockaden besser überwunden werden können. Und letztlich sollten die möglichen testdiagnostischen Schritte nicht vergessen werden, die entscheidend zur Klärung beitragen können. So können etwa Lese-Rechtschreib-Probleme oder Rechenprobleme mit alters- und klassennormierten Testverfahren abgeklärt werden, aus denen sich auch Empfehlungen für Förderprogramme ableiten lassen. Auch die Feststellung, wie gut ein Kind und mit welchen Schwerpunkten es begabt ist, ist ein wichtiger diagnostischer Auftrag.
Daneben existieren Fragebögen zur Abklärung emotionaler Probleme (etwa SDQ, CBCL, TRF): Sie systematisieren den Blick von Eltern, Erziehern oder Lehrern auf Verhaltens- und Erlebensweisen des Kindes. Solche Tests können die Diagnose, die letztlich immer von einem Psychologen oder Kinderpsychiater durchgeführt werden muss, mit Informationen aus Lebensfeldern ergänzen, die diesem nicht so zugänglich sind. Ergeben sich aus diesen Angaben Hinweise für spezifische Probleme wie Ängste oder Stimmungsschwankungen, dann können diese mit speziellen Verfahren weiter differenziert werden. Am wichtigsten ist jedoch der gemeinsame, wohlwollende Blick aller Erwachsenen aufs Kind und sein Verhalten im Alltag. Die Bezugspersonen des Kindes sollten im engen Kontakt stehen und neue Entwicklungen besprechen, ohne das Kind dabei bloßzustellen oder zu übergehen.  

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