Dass Grundschüler am frühen Morgen in der ersten Unterrichtsstunde kurz wegnicken, passiert fast nie. Kinder in diesem Alter sind größtenteils Lerchen. Sie kommen morgens also problemlos aus den Federn und sind gleich wach und leistungsfähig. Der Mittagsschlaf wird in den meisten Fällen mit dem Übergang von der Kita zur Schule ad acta gelegt. Grundschüler sind daher den ganzen Tag über fit – theoretisch.
Praktisch unterliegen Kinder genauso wie Erwachsene einem Biorhythmus, der ihre Leistungskurve über den Tag bestimmt. Hochs und Tiefs wechseln sich ab, es gibt entspannte und konzentrierte Phasen. Die sehen bei jedem Schüler, Lehrer und Erzieher anders aus, sodass im Laufe eines Tages an einer Schule immer wieder unterschiedliche Biorhythmen aufeinanderprallen.
Der ehemalige Lehrer und Schulleiter Karl-Heinz Dirkmann hat sich für die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Niedersachsen mit Möglichkeiten der Rhythmisierung in Ganztagsschulen beschäftigt. Er kommt unter anderem zu dem Schluss: „Biorhythmisch und von der Aufnahmekapazität her sind längere Pausenzeiten zwischen Unterrichtsblöcken geboten. Für die Mittagszeit ist ein Zeitraum erforderlich, der es ermöglicht, in Ruhe zu essen, sich zu bewegen und zu entspannen.“
Ein Kind, das nachmittags mal eine halbe Stunde müde in den Seilen hängt, ist nicht krank, sondern hat einfach gerade einen toten Punkt. „Das erledigt sich meist ganz von allein, wenn das Kind sich wieder zu bewegen anfängt, weil der Körper ihm signalisiert: Los, mach was, es ist doch Tag“, sagt Barbara Schneider. Die Oberärztin leitet das Schlaflabor am Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut und ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Pädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin.
Anders sieht es aus, wenn ein Schüler oder eine Schülerin auffällig oft müde wirkt. Dann sollten Lehrer und Erzieher aufmerksam werden und das Gespräch mit den Eltern suchen. Was viele nicht wissen: Zu wenig oder schlechter Schlaf kann die gleichen Symptome hervorrufen wie eine Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. „Viele Kinder reagieren anders auf chronische Müdigkeit als Erwachsene, sie können nicht mehr still sitzen, werden hibbelig und unkonzentriert“, sagt Barbara Schneider, „das wird von außen betrachtet schnell als ADHS fehlgedeutet.“
SCHNARCHENDE KINDER SCHLAFEN OFT SCHLECHT
Besteht der Verdacht, dass ein Kind nicht gut schläft, weil es zum Beispiel im Unterricht wegdämmert oder hyperaktiv ist, sollte gemeinsam mit den Eltern Ursachenforschung betrieben werden. Schlafprobleme können sowohl organisch als auch psychisch bedingt sein. Zu den klassischen Problemen gehört zum Beispiel das Schnarchen, das von vielen Eltern als harmlos hingenommen wird. Dabei bekommt ein Kind, das schnarcht, nicht genug Luft durch die Nase. Daran können vergrößerte Rachenmandeln oder auch Übergewicht schuld sein. In der Folge kann es zu Atemaussetzern kommen. „Dadurch entstehen kleine Weckreaktionen, die Schlafqualität wird gestört“, sagt Schlafmedizinerin Barbara Schneider. Selbst wenn das Kind dann in der Summe genug Schlaf bekommt, ist es nicht ausgeschlafen. Auch das Restless-Legs- Syndrom oder Narkolepsie sind mögliche Ursachen für eine gestörte Nachtruhe. „Wir erleben es zudem oft, dass Kinder zu viele neue Medien konsumieren und damit die Nacht zum Tag machen, das hängt ihnen dann natürlich in der Schule nach“, sagt Barbara Schneider. Sorgen und belastende Situationen können den Schlaf eines Kindes ebenfalls beeinträchtigen.
Schlaf ist eine wichtige Ressource – für Menschen jeden Alters. Doch gerade bei Kindern wirken sich Schlafprobleme häufig gravierend aus. Das Gehirn nutzt den Schlaf als Helfer, um Fakten und motorische Abläufe zu festigen. Dafür sind zwei verschiedene Phasen notwendig. Vokabeln werden eher im Tiefschlaf gelernt, die Bewegungen beim Radfahren in der Traumphase. Auch die Wachstumshormone sind nachts besonders aktiv. Wird der Schlaf beeinträchtigt, hinterlässt das Spuren in der körperlichen und geistigen Entwicklung. „Bei jüngeren Kindern ist vor allem das Wachstum betroffen, je älter ein Kind ist, umso mehr wirkt sich schlechter oder zu wenig Schlaf auf der Leistungsebene aus“, sagt Barbara Schneider.
Nachholen lässt sich der fehlende Schlaf im Hort nur bedingt. „Wenn, dann sollte das nicht zu spät am Nachmittag passieren, alles nach 16 Uhr ist kontraproduktiv, denn dann haben die Kinder abends keinen Schlafdruck mehr“, sagt Barbara Schneider. Die Schlafmedizinerin empfiehlt, lieber die Ursachen für den Schlafmangel zu suchen und sie zu beheben. „Wenn das Kind nachts gut schläft, hat es tagsüber auch keine Probleme in Schule und Hort.“