Wenn sich die Eltern eines Kindes trennen

Lisa ist ein vergnügtes Kind. Doch seit einiger Zeit sitzt sie kaum noch still, nimmt niemanden ernst, spielt Streiche, die nicht mehr lustig sind. Die Betreuerinnen kommen an Lisa nicht wirklich heran. Dass Lisas Eltern in Trennung leben, erfahren die Fachkräfte erst jetzt. Ist Lisas verändertes Verhalten auf die Scheidungssituation zurückzuführen?

Wenn sich die Eltern eines Kindes trennen
© shutterstock.com © Dmitri Ma

Viele Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Trennung und Scheidung zu einem erhöhten Risiko für die weitere soziale Entwicklung der betroffenen Kinder führen. Durch die Trennung der Eltern werden die betroffenen Kinder in ihren sozialen Bindungen und Beziehungen verunsichert. Feste Strukturen brechen weg, häufig vermissen sie ihren gewohnten sicheren Lebensrahmen. Viele Schulkinder erleben die Trennung ihrer Eltern buchstäblich als Bedrohung ihrer Existenz, haben Angst vor der Zukunft oder schämen sich vor anderen Kindern. Judith Wallerstein, die sich in den USA jahrzehntelang mit diesem Thema beschäftigt hat, fasst ihre Erkenntnisse wie folgt zusammen: „Wir haben neue Familienformen geschaffen, in denen die Beziehungen fragil und oft unzuverlässig sind. Die Kinder erfahren heute weit weniger Zuwendung, Schutz und elterliche Aufmerksamkeit als noch vor einigen Jahrzehnten. Für die Kinder ist die elterliche Scheidung – anders als für die Eltern selbst – eine kumulative Erfahrung. Ihre Wirkung nimmt mit der Zeit zu, wobei sie auf jeder Entwicklungsstufe wieder anders erfahren wird …“

GENAU HINSEHEN

Die Kinder tragen eine Last, die man ihnen nicht ganz abnehmen, wohl aber erleichtern kann. Festzuhalten ist, dass es keine typische oder spezifische Symptomatik nach Trennung oder Scheidung der Eltern gibt. Die ganze Palette von Symptomen und Reaktionen, die psychische Störungen ausmachen, ist möglich (Lehmkuhl und Huss 2013). Mit Rückzugsverhalten, Stimmungsschwankungen, Ängsten und körperlichen Beschwerden ist ebenso zu rechnen wie mit erhöhter Unruhe, übergroßer Lebhaftigkeit, Clownerie, Aggressivität und expansiven Auffälligkeiten: Möglicherweise beginnt ein Kind zu klauen, läuft weg usw. Dazu können psychosomatische Reaktionen wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Einnässen kommen. Zu beachten ist, dass der zeitliche Abstand zwischen dem belastenden Ereignis und den auftretenden emotionalen und sozialen Problemen sehr stark variieren kann und keinen erkennbaren Regeln unterliegt. So reagieren Kinder nicht nur während der Trennung, sondern auch schon vorher, etwa bei ständigem Streit in der Familie, und auch danach, wenn die Scheidung schon einige Zeit zurückliegt. Und oft geht es später denjenigen Kindern schlechter, die zunächst scheinbar gut reagieren und mit allem leicht fertig werden.
Auch wenn das schulische Umfeld hier nur unterstützend wirken kann, kommt ihm doch eine wichtige Funktion zu. Alltagsroutine, Kontinuität und klare Regeln können dabei helfen, wenn Kinder sich wieder ein sicheres Gerüst in ihrem Leben neu aufbauen. Dazu braucht es Geduld aller Bezugsund Erziehungspersonen: Wohlwollende Begleitung, auch wenn ungewohnte Verhaltens- und Leistungsschwierigkeiten auftreten, kann die fehlende Stabilität und Verunsicherung verbessern. Das Stichwort lautet: fürsorgliche Präsenz, das Aufgreifen von „Notsignalen“ und das gemeinsame Überlegen mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen, was zu ihrer Entlastung beiträgt.

5 Tipps für den Umgang mit durch Scheidung/Trennung belasteten Kindern

  1. Geduld bewahren: Bleiben Sie geduldig, auch wenn sich auffällige Verhaltensweisen oder Leistungsschwierigkeiten nicht bessern/wiederholen
  2. Regeln aufrechterhalten: Setzen Sie Regeln nicht „ausnahmsweise“ aus. Lassen Sie sich nicht auf lange und unnötige Diskussionen ein.
  3. Positive Verstärkung: Lob und Zuspruch können helfen, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wieder zu stärken, und signalisieren, dass das Kind wahrgenommen wird.
  4. Gesprächsangebote machen: Signalisieren Sie, dass Sie für Gespräche zur Verfügung stehen und interessiert sind an dem, was im Kind vorgeht.
  5. Notsignale aufgreifen: Bei stärkeren und lang anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten sollten Sie nicht zögern und die Eltern auf die Angebote professioneller Hilfe aufmerksam machen. Dies können Stellen der Ehe- und Familienberatung, Angebote durch den schulpsychologischen Dienst sowie in Kinder- und Jugendpsychotherapeutischen oder -psychiatrischen Praxen sein.  

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