1. Selbstreflexion und pädagogische Haltung
Wie vielfältig ist unsere Schule, unser Hort? Sind unterschiedliche Familienformen gleichberechtigt sichtbar? Welche Einstellung habe ich persönlich zu Lesben, Schwulen, transgeschlechtlichen Menschen? Es lohnt, sich sowohl im Team als auch auf der Leitungsebene offen mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Dazu gehört, die eigene Haltung kritisch zu hinterfragen, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und diesen entgegenzuwirken. „Noch immer gibt es viele Berührungsängste, Unsicherheiten und auch Unwissen“, sagt Yan Feuge. Die Studienrätin arbeitet als Bildungsreferentin für die Berliner Bildungsinitiative Queerformat. In Auftrag der Berliner Senatsverwaltung berät sie zusammen mit Kolleginnen und Kollegen Berliner Schul- und Kitaleitungen, wie sie vielfältige Lebensweisen in ihrer Einrichtung unterstützen können.
2. Leitbild und Konzept
Wichtig ist, sagt Feuge, dass die Leitungsebene sich klar für Vielfalt positioniert und eine diskriminierungskritische Haltung des Kollegiums fördert. Wenn Leitung und Team eine klare eigene Haltung haben, können sie diese nach innen und außen vermitteln und auch möglichen Widerständen – etwa seitens der Eltern – begegnen. Idealerweise verankern Einrichtungen vielfältige Lebensweisen und Diversität bereits im Schulprogramm oder im Leitbild.
3. Das Thema sichtbar machen
„Zeigen Sie deutlich, dass Sie generell eine positive Einstellung zu vielfältigen Lebensformen haben und alle Familienformen wertschätzen“, rät Yan Feuge. Erzieherinnen und Erzieher können entsprechende Poster, Fotos und Bilder aufhängen (siehe auch Seite 28). Auch offenes Interesse für die Familiensituation der Kinder und der Eltern signalisiert eine Willkommenskultur für alle Familien.
4. Elternarbeit: Alleinerziehende haben wenig Zeit
Alleinerziehende stehen oft unter großem Zeitdruck. Der größte Teil von ihnen ist berufstätig, nicht selten Vollzeit. Daher ist es für sie ungleich schwieriger, an Elternabenden oder Bastelnachmittagen teilzunehmen; oft fehlt ihnen schlichtweg jemand, der auf die Kinder aufpasst. Fachkräfte im Ganztag sollten das bei Elternabenden oder Gesprächsterminen mitdenken. Manchmal erreicht man alleinerziehende Papas oder Mamas mit einem zwanglosen Gespräch beim Abholen am Nachmittag besser als mit einer formellen Einladung zum Elternabend.
5. Auf die Sprache achten
Sprache bildet unsere Wirklichkeit nicht nur ab, sondern gestaltet sie. Wie wir etwas formulieren, beeinflusst unser Denken und unsere Wahrnehmung. Fachkräfte im Ganztag sollten daher auf eine geschlechtersensible Sprache achten. Das heißt, möglichst immer in der männlichen und weiblichen Form sprechen (Schülerinnen und Schüler) oder den Gendergap (Schüler_innen) benutzen sowie in der Ansprache berücksichtigen, dass es vielfältige Familienbilder gibt („Bitte sag deinen Eltern Bescheid“ anstatt „Bitte sage deiner Mama und deinem Papa Bescheid“).
6. Offener Umgang mit Lebensformen im Kollegium
Studien belegen, dass Menschen ihre negativen Einstellungen gegenüber einer Gruppe verändern, wenn sie einen guten und angenehmen Kontakt zu Menschen dieser Gruppe haben. Ein Kollegium, in dem es Menschen gibt, die offen schwul, lesbisch, bisexuell oder transgeschlechtlich leben, wirkt deshalb besonders stark gegen Diskriminierungstendenzen unter Kindern. Sie erleben Homosexualität dann nicht als abstraktes Thema, sondern als eine Möglichkeit unter vielen, Partnerschaft und Liebe zu leben.
7. Rollenklischees innerhalb des Teams prüfen
Stereotype Geschlechterrollen sind tief in uns verankert und zeigen sich auch in der alltäglichen Arbeit im Ganztag. Fachkräfte im Hort können sich fragen: Wer leitet die Gruppe? Wer bastelt mit den Kindern? Wer spielt mit ihnen Fußball? Muss der einzige Mann in der Gruppe die Dinge machen, die als typisch männlich angesehen werden – oder geht es auch anders?
8. Klare Intervention bei Diskriminierung
„Schwuchtel“, „Du Lesbe“, „Das ist voll schwul“ – diese Worte sind auf dem Pausenhof allgegenwärtig und werden von Lehrkräften allzu oft als Jugendsprache relativiert. Aber solche Beschimpfungen sind nicht harmlos. Sie verbinden Lesbisch- und Schwulsein mit etwas Negativem und verletzen alle, die homosexuell sind. Fachkräfte im Ganztag sollten hier sofort reagieren und klar Position zeigen: „Ich will nicht, dass schwul oder lesbisch als Schimpfwort verwendet wird. Denn das hat Auswirkungen auf die Jungen und Mädchen, die nicht heterosexuell sind. Sie trauen sich dann nicht, zu ihren Gefühlen und zur ihrer sexuellen Identität zu stehen.“
9. Medien und Spielsachen ergänzen
Sorgen Sie dafür, dass Bücher, Broschüren, Filme im Ganztag die Vielfalt der Familien und Lebensformen abbildet – Anregungen finden Sie ab Seite 27. Viele (Schul-) Bücher und Arbeitsmaterialien reproduzieren immer noch Stereotype über Mädchen und Jungen und über Menschen, die nicht heterosexuell leben. Lesbische, schwule, bisexuelle Menschen, Regenbogen- und Patchworkfamilien kommen oft schlichtweg nicht vor. Nehmen Sie auch die Spielsachen kritisch unter die Lupe! Warum gibt es im Puppenhaus nur Figuren, mit denen man die klassische Familie (Vater, Mutter, zwei Kinder) nachspielen kann?
10. Keine Angst vor Veränderung
Fachkräfte im Ganztag sind oft sehr belastet und scheuen deshalb Veränderung. „Was sollen wir mit dem Thema, wir haben schon genug zu tun“, heißt es dann. Tobias Häußler von Queerformat rät daher, nicht auf die größten Hürden zu schauen, die man überwinden muss – sondern darauf, welche schon existierenden Ansätze in der Schule man ausbauen kann. Inklusive Schulen haben manchmal schon ein Konzept für Vielfalt in ihrem Leitbild, das man nur ergänzen muss. „Haben Sie keine Angst vor Veränderung, holen Sie sich Unterstützung, bilden Sie sich weiter“, sagt Häußler. „Das einzige, was Fachkräfte im Ganztag falsch machen können, ist, sich nicht auf den Weg zu machen.“