In welche Ereignisse in unserer Schulzeit erinnern wir uns besonders positiv? Oft sind es die, bei denen wir das Klassenzimmer verlassen haben und die Welt da draußen entdecken durften. Es war die Reformpädagogik, die eine Öffnung der Schule forcierte. Neue Ansätze wie selbstbestimmte Tätigkeit und entdeckendes Lernen sollten die Lebenswirklichkeit für Schüler und Schülerinnen erfahrbar machen. Ob John Dewey, einer der Erfinder der Projektmethode, Hermann Lietz, der Begründer der Schullandheimbewegung, oder Célestin Freinet, der ein Schulkonzept entwickelte, in welchem außerschulische Lernorte eine zentrale Rolle einnahmen – allen war eines bewusst: Bestimmte Kompetenzen lassen sich nur außerhalb des Schulgebäudes aneignen. Oft sind es gerade diese Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler später Probleme im Alltag kreativ lösen lassen.
Die Ganztagsschule eröffnet neue Perspektiven, um außerschulische Lernorte einzubinden, schließlich steht mehr Zeit zur Verfügung und es gibt oft gute Kontakte zur Jugendhilfe und Vereinen. Aber die Praxis zeigt das Gegenteil: Der Stundenplan ist eng getaktet, es fehlt an Personal und die Schülergruppen sind zu groß. Das erschwert die Bereitschaft, das Schulhaus zu verlassen. So wird ein wesentliches Potenzial ganztägiger Schule nicht aktiviert und Bildungschancen bleiben den Schülern und Schülerinnen vorenthalten.
ÖFFENTLICHE RÄUME ERSCHLIESSEN
Denn Kinder und Jugendliche entwickeln sich vor allem dadurch, dass sie sich ihre Umwelt, ihren Lebensraum Stück für Stück aneignen. Ein solcher Prozess braucht die Begegnung mit der Welt da draußen, braucht Bezüge zur Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen. Hier tut sich ein Teufelskreis auf. Umso weniger Kinder und Jugendliche öffentliche Räume für sich erschließen können, umso weniger wird akzeptiert, dass diese Räume für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig sind. Im Extremfall führt das dazu, dass die Anwesenheit von spielenden Kindern auf Plätzen oder Grünflächen als Störfaktor empfunden wird und man sie von dort verbannen möchte – am liebsten wieder den ganzen Tag in die Schule.
Damit würde der Schule eine Rolle zugeschrieben, die sie nicht verdient, für die sie allerdings mit verantwortlich wäre. Umso mehr sind die Fachkräfte in der Schulkindbetreuung gefordert, die Initiative zu ergreifen: Verlassen Sie die Hort- und Schulräume, gehen Sie raus! Besuchen Sie den Kinder- und Jugendtreff im Quartier, die Kinderfarm oder einen Bauernhof vor der Stadt, den Wochenmarkt oder auch nur eine Wiese, ein Gewässer. Meist garantiert das vermeintlich einfache, weniger reglementierte Angebot ein Mehr an Entdeckerfreude.
Kinder und Jugendliche sollten sich ihr Bild von der Welt selbst erschließen können. Nur so ist ihre Bildung bestmöglich gewährleistet.
Schulklos verschönern
Die Toiletten werden beim Raumkonzept häufig übersehen.
Über vieles wird beim Schulbau diskutiert – aber die Toiletten werden oft vergessen. Dabei gehören sie zu den spannungsgeladensten Räumen. „Sie sind einer der wenigen Freiräume an der Schule, wo die Kinder nicht beaufsichtigt werden“, umschreibt der Stuttgarter Sozialpädagoge Knut Vollmer den einen Pol.
Andererseits gehören die Klos zu den Angsträumen im Schulgebäude. Die German Toilet Organisation (GTO), die sich weltweit für eine bessere Sanitärversorgung engagiert, hat seit 2009 stichprobenartig 1.200 Schüler befragt. Jedes zweite Kind gab an, sich nicht sicher auf der Schultoilette zu fühlen. Manche sind Hänseleien ausgesetzt, andere fühlen sich bedroht, weil Mitschüler hier Grenzen austesten. Lehrkräfte benutzen meist eigene Toiletten und bekommen von den Konflikten wenig mit. Viele verkennen, dass die Schultoilette der erste Ort ist, an dem sich Erstklässler unbeaufsichtigt im öffentlichen Raum nur unter ihresgleichen bewegen.
UNERTRÄGLICHER GESTANK
Auch die Hygieneprobleme auf Schultoiletten sind vielfältig: Oft gibt es keine Seife, kein Toilettenpapier, keine Klobürsten oder Mülleimer. Der Uringestank ist in manchen Schulgebäuden unerträglich. Die GTO-Umfrage ergab, dass über die Hälfte der Befragten die Schultoiletten meidet oder nur im Notfall benutzt. Dafür versuchen Schülerinnen und Schüler während des Schultags weniger zu trinken und zu essen, mit Folgen für die Lern- und Konzentrationsfähigkeit. Der Düsseldorfer Didaktikprofessor Ulrich Deinet warnt vor belastenden Erlebnissen: „Für einen Erstklässler ist es eine Katastrophe, wenn er sich nicht auf die Toilette traut und dann in die Hose macht.“
Zu einer besseren Atmosphäre können schon kleine Veränderungen beitragen. Die GTO empfiehlt zum Beispiel, Kleiderhaken anzubringen für Rucksäcke und Taschen. Grünpflanzen, Bilder an den Wänden oder Duftspender können ebenfalls helfen. Und: Auch hier nützt es, wenn Pädagogen, Schülerinnen und Schüler, Hausmeister und andere Beteiligte ohne Vorbehalte über das Problem reden.
Zum Mitmachen
Klobalisierte Welt: So heißt das Bildungsprogramm der GTO, welches die eigenen Schultoiletten in das Konzept des globalen Lernens integriert. Der Ansatz: Der globale Blick auf Toiletten schafft Wertschätzung für die eigenen Anlagen. www.germantoilet.org