Wenn ich Königin Luise die 317 wärePraxistipps

Jedes Kind kann philosophieren – vorausgesetzt, Erwachsene schaffen dafür Räume. Michael Siegmund gibt Praxistipps auf Youtube – und in klasseKinder!.

© Michael Siegmund - Youtube

Es gibt keine fest umrissene Definition vom Philosophieren mit Kindern. Zweifeln, Staunen, Denken, Erzählen, Fantasieren und vieles mehr ist mit dem Philosophieren verbunden. Meine Lieblingsdefinition lautet: Philosophieren mit Kindern ist ein Denk-Sprech-Prozess mit offenem Ausgang. Das kann mal nur ein paar Minuten dauern, mal ein oder zwei Stunden in Anspruch nehmen. Man weiß vorher nicht, was passieren wird. Es gibt beim Philosophieren nämlich kein vorgefertigtes Ziel. Und es soll erst recht keine Philosophiegeschichte („Wer war Sokrates?“) vermittelt werden. Philosophieren soll vor allem Spaß machen. Es geht – im doppelten Wortsinne – um Zuwendung und um ein Gespräch auf Augenhöhe. Ganz nebenbei trainiert es die intellektuellen, kreativen und sprachlichen Fähigkeiten von Kindern.

WELCHE THEMEN EIGNEN SICH ZUM PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN?

Zum einen natürlich die klassischen Stoffe: Gott, Liebe, Freundschaft, Glück, Leid, Gerechtigkeit oder das gute Leben. Aber Sie können auch wunderbar über Dinosaurier, Mülltrennung, Außerirdische und Erwachsene philosophieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

GIBT ES METHODEN FÜR DAS PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN, DIE SICHER FUNKTIONIEREN?

Es gibt nicht die eine Supermethode. Philosophieren ist vor allem gemeinsames Nachdenken und Sprechen über die Welt. Wie Sie dieses Denken und Sprechen konkret anbahnen und gestalten, steht Ihnen frei – genau das ist das Geniale am Philosophieren mit Kindern. In meiner praktischen Erfahrung haben sich einige Methoden besonders bewährt. Hier eine kleine Auswahl:

1. Offensiv Fragen stellen oder Fragen der Kinder spiegeln

Kinder fragen uns von morgens bis abends Löcher in den Bauch. Mein Tipp: Geben Sie die Angelegenheit einfach mal zurück. Aus einer „Warum ist das so?“-Frage kann eine „Was glaubst du, warum das so ist?“-Frage werden. Die Spiegelmethode, verbunden mit einer bewussten Hinwendung zum Kind, kann ein toller Einstieg in ein philosophisches Gespräch sein. Manchmal überlege ich mir auch selbst Fragen. Erprobte Klassiker, aus denen sich eigentlich immer interessante Gespräche ergeben: Sind Erwachsene glücklicher als Kinder? Wie wird man glücklich? Ist Arbeit hilfreich, um glücklich zu werden?

2. Gemeinsam Fotos anschauen

Sie können Bilder, Zeichnungen, Gemälde, Fotos als Anlass zum Philosophieren nehmen. Ich habe besonders gute Erfahrungen mit Natur- oder Wissensmagazinen gemacht, in denen es viele Tier- und Landschaftsabbildungen gibt. Bevor ich das Heft den Kindern mitbringe, entferne ich alle Fotos, die thematisch in den Bereich Sexualität oder Gewalt gehen. In dem präparierten Heft können Sie gemeinsam mit den Kindern blättern, bis diese bei einem Bild hängen bleiben. Wichtig ist, dass der Impuls vom Kind ausgeht! Anhand des Bildes können Sie dann mit einer Frage ins philosophische Gespräch einsteigen. Bei einem Foto, das einen Elefanten zeigt, könnte die lauten: „Darf man Elefanten einsperren?“ Vorbereitung ist sinnvoll: Überlegen Sie sich vorher bereits einige Impulse zu den verschiedenen Motiven.

3. Der Helm-Trick

Die „Was wäre, wenn …“-Methode ist in der Philosophie weit verbreitet. Was wäre, wenn du das Sagen hättest? Was würdest du als Herrscherin oder Herrscher der Schule, der Stadt oder der Welt verbieten, was befehlen? Ich nutze dazu gerne ein reales Requisit, zum Beispiel einen Helm oder eine Krone. So können die Kinder ganz leicht in die Rolle schlüpfen und eine neue, ungewohnte Perspektive einnehmen. Aus Luise wird Königin Luise die 317. Fast immer ist das ein genialer Einstieg ins Philosophieren.

4. Geschichten erzählen

Kaum etwas fasziniert Kinder (und Erwachsene) so sehr wie gute Geschichten. Sie können an fast jeder Stelle einer vorgelesenen Geschichte Pausen einbauen und Fragen einbauen. Wenn Sie ein besonderes Geschick für freie Erzählungen haben, können Sie Ihre Geschichte selbst erfinden, ausschmücken, den Figuren Namen geben – und dann an entscheidenden „Weggabelungen“ innehalten. Beispiel: Lina und Leo haben sich fürchterlich verirrt und schrecklichen Hunger. Nun kommen sie zu einer Bäckerei. Dürfen sie dort etwas zum Essen klauen? Wie soll die Geschichte weitergehen? Diese Methode erfordert etwas Kreativität und Übung, ist aber nicht nur für die Kinder, sondern auch für pädagogische Fachkräfte selbst lohnend und spannend.

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