Immer früher landen sie in den Schultaschen, immer stärker drängen Smartphones in den Alltag der Grundschulen. Von „Verjüngungstendenzen“ sprechen Experten. Gemeint ist, dass mittlerweile schon manche Erst- und Zweitklässler über internetfähige Geräte verfügen. Bei den Viert- bis Sechstklässlern sind die Kinder ohne eigenes Smartphone meist in der Minderheit.
Wie können Erzieherinnen und Erzieher ihren Teil zum Medienkompetenzerwerb beitragen, wie die Kinder vor Risiken schützen? klasseKinder! hat nachgefragt bei Arne Frisch, Medienpädagoge bei der Fortbildungseinrichtung BITS 21 im fjs e. V. (www.bits21.de), die Seminare für Fachkräfte aus Schule und Jugendarbeit anbietet.
Totales Handyverbot auf dem Schulgelände?
„Natürlich braucht es Regeln für den Umgang mit Smartphones“, sagt Arne Frisch. Allerdings hält er nicht viel vom Totalverbot. Man müsse die Schüler „stark und fit machen“. Das funktioniere nur, wenn man sie begleitet und leitet. Die Erwachsenen müssen über die Hintergründe und Fallstricke mancher Onlineangebote aufklären. Außerdem, so Frisch, kann gerade im Hort der kreative, positive Umgang geübt werden. Zum Beispiel: gemeinsam einen Trickfilm drehen. Parallel können die Pädagoginnen und Pädagogen dann leichter das Gespräch auf mögliche Risiken bringen.
Sollten Erzieherinnen und Erzieher wissen, was im Klassenchat los ist?
Zunächst einmal: WhatsApp darf offiziell erst ab 13 Jahren benutzt werden. Die Realität sieht anders aus; manchmal haben schon Drittklässler eigene Klassenchats. „Solange es keine Probleme gibt, können sich die Erwachsenen im Hintergrund halten“, sagt Frisch. Aber wenn im Chat ein rüder Ton herrscht oder Kinder beleidigt werden, sollten die Erwachsenen einschreiten. „Ein großes Problem sind Fotos, die unerlaubt verbreitet werden.“ Den Kindern ist nicht bewusst, wie schnell sich Inhalte im digitalen Raum vervielfältigen können. Über diesen möglichen Kontrollverlust müssen die Erwachsenen mit den Kindern so früh wie möglich ins Gespräch kommen.
Wie erkennt man Cybermobbing?
Cybermobbing und Mobbing gehören eng zusammen, die Anzeichen sind bekannt und gut erforscht. Frisch ist überzeugt, „dass Fachkräfte, die mit einer Klasse über längere Zeit zu tun haben, viel mitbekommen“. Wenn Kinder über Wochen bedrückt wirken oder oft krank sind, kann Mobbing dahinter stecken. „Die Schülerinnen und Schüler nutzen die Chats als Erweiterung ihres Klassenlebens.“ Fachkräfte im Ganztag sollten daher wachsam für Gruppendynamiken sein – denn oft werden Konflikte aus dem Klassenraum ins Netz übertragen. Im schlimmsten Fall eskalieren sie dort.
Was tun, wenn es zu Cybermobbing kommt?
Laut neusten Studien wünschen sich Kinder und Jugendliche meist, Konflikte auf Augenhöhe zu lösen. „Die Schülerinnen und Schüler wollen nicht Opfer oder Täter sein.“ Frisch rät daher, genau zu prüfen, ob es sich eher um eine (Online-)Auseinandersetzung handelt oder wirklich um Mobbing. Bei Ersterem können Erwachsene „die Kinder unterstützen, den Konflikt selbstständig zu lösen“. Denn richtig streiten lernen ist durchaus erwünscht. Liegt tatsächlich Mobbing vor, gibt es Methoden, die ebenfalls darauf abzielen, dass die Kinder selbstständig einen Weg finden, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren. „Diese Ansätze haben aber Grenzen“, sagt Frisch. Je nach Schwere und Fortschritt des Mobbings ist eventuell externe Hilfe nötig.
Wenn Kinder auf dem Schulgelände Fotos machen – ist das problematisch?
Auch in der Schule gilt das Recht am eigenen Bild. Den wenigsten Kindern allerdings ist bewusst, dass man Schnappschüsse von Freundinnen und Freunden nicht ungefragt machen und schon gar nicht verbreiten darf. „Das muss man thematisieren“, betont Frisch – und zwar sobald die Kinder fotofähige Geräte besitzen. Da die rechtliche Situation so heikel ist, hält der Medienpädagoge es durchaus für sinnvoll, auf dem Schulgelände ein Fotografierverbot auszusprechen. Wenn fotografiert werden darf, sollten Kinder (und Eltern) unmissverständlich über die Regeln und Rahmenbedingungen aufgeklärt werden.
Braucht eine Ganztagsschule auch Vorschriften für das pädagogische Team?
„Den Fachkräften muss klar sein, dass sie, sobald sie beruflich online aktiv sind, als Vorbilder fungieren“, sagt Frisch. Das wird schon bei einer typischen Situation deutlich: „Es ist schwierig, den Kindern Handyverbote zu vermitteln, wenn die Erwachsenen selbst dauernd ein Gerät in der Hand haben.“ Leitlinien für die Lehr- und Fachkräfte sind daher hilfreich; sie geben dem pädagogischen Team Handlungssicherheit im Alltag. „Und viele Erzieherinnen und Erzieher haben gar nichts gegen solche Regeln, im Gegenteil, sie wünschen sich Hilfestellungen“, berichtet Frisch.