Kinder im Grundschulalter lieben Herausforderungen, spielen und bewegen sich sehr gerne, erproben ihre Kräfte, erobern sich neue Räume und wollen vor allem selbstständig und selbsttätig (manchmal verbotene) Dinge tun – zusammen mit den gleichaltrigen Freundinnen und Freunden, sehr gerne ohne Erwachsene.
Können sie das in Hort und Ganztagsschule ausreichend und gut? Wird das Recht des Kindes nach Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung erfüllt? Ich meine, eher nicht. Viel zu oft beteiligen sich Ganztag und Hort zu unreflektiert an Projekten, Themenunterricht oder anderen formalen Bildungsangeboten, die zwar für Wissenserwerb, aber weniger für eine gute kindliche Persönlichkeitsentwicklung sorgen. Viel zu selten gibt es den institutionellen Raum, der Möglichkeiten zum Rennen und Toben, zum Lautsein und zum Ausprobieren lässt. Diesen Raum müssen pädagogische Fach- und Lehrkräfte zusammen mit den Kindern ausfindig machen. Es gibt einen, der wie dafür gemacht ist: die Natur.
ERFAHRUNGEN MIT ALLEN SINNEN
Das Spielen in der Natur, am besten im Wald, bietet etwas, das Fernsehen, Smartphone oder auch manch gut gemeintes formales Bildungsangebot in Hort und Schule nicht leisten können. Im Wald machen Kinder Erfahrungen mit allen Sinnen, sie bewegen sich, probieren Dinge aus und erfahren beim Entdecken, beim Hütten- und Staudamm-Bauen Selbstwirksamkeit. Manchmal tut es weh, wenn ein Kind vom Stein abrutscht und es eine Beule und die Schmerzen aushalten muss. Vielleicht eine ganz neue Erfahrung, vor allem für Kinder, die es gewohnt sind, schon für den kleinsten Schmerz ein „Kügelchen“ verabreicht zu bekommen. Wir schützen, reglementieren und bemerken dabei häufig nicht, dass wir die Kinder um wertvolle Erfahrungen bringen, die manchmal eben auch schmerzhaft sind.
Darum: Geht mit den Kindern in den Wald! Lasst sie dort spielen und macht (erst einmal) keinen Naturunterricht daraus. Konzipiert Waldtage oder -wochen und sorgt ab und zu dafür, wahrscheinlich am ehesten in der Ferienbetreuung, dass die Kinder am Abend schmutzig, nach Rauch riechend und sehr müde zurückkommen. Besorgt Euch ein Stockbrot-Rezept. Redet mit Eltern, wie gut diese Aktivitäten den Kindern tun und wie sie tatsächlich, ganz nebenbei, auch das schulische Lernen unterstützen.
Ein Recht auf Spielen haben Kinder auch innerhalb der Institution. In Hort und Schule müssen Kinder ein kindgerechtes und an ihren Bedürfnissen orientiertes Außengelände vorfinden. Lasst die Kinder auf Bäume klettern. Erlaubt, dass sie sich in Büschen verstecken und Löcher buddeln und zwar richtig tiefe. Und wenn die Chance besteht, beteiligt Euch mit den Kindern bei Neubauten und Sanierungen an Planungsprozessen, damit ein naturnaher und kindgerechter Außenbereich entstehen kann. Und kooperiert mit Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit – besucht Aktivspielplätze oder Jugendfarmen. Aus dem Wald und der Natur kommen selbstbewusste, gesunde und starke Kinder heraus, aus zu vielen vorgeplanten und vorstrukturierten Bildungsangeboten nicht unbedingt. Und Kinder, die viel draußen sind und sich viel bewegen, lernen ohnehin besser. Also: Nix wie raus!