Es scheint ein Urtrieb des Menschen zu sein: Die Suche nach Dingen, die andere versteckt haben. Das zeigt nicht nur die ungebrochene Beliebtheit des Kindergeburtstags-Klassikers „Schatzsuche“. Im digitalen Zeitalter gibt es mit Geocaching längst eine moderne Variante der Schnitzeljagd. Weltweit verstecken Menschen größere oder kleinere, manchmal winzige Gegenstände und veröffentlichen deren geografische Koordinaten im Internet. Auf die Suche machen sich bisher vorwiegend Jugendliche und Erwachsene. Ausgerüstet mit satellitengestützten GPSNavigationsgeräten versuchen sie die Schätze aufzuspüren.
Da liegt die Idee nahe, das aus einem Kinderspiel entstandene Erwachsenenvergnügen auch wieder den Heranwachsenden zugänglich zu machen. Der Schülerhort „Arche Noach“ im südhessischen Heppenheim gründete vor zwei Jahren die Arbeitsgemeinschaft „Geocaching“. Seitdem starten die sechs- bis zehnjährigen Schüler regelmäßig alle zwei Wochen eine „Schatzsuche 3.0“ in der näheren Umgebung. „Wir gehen meist mit fünf bis zehn Kindern für zwei bis zweieinhalb Stunden los in die Wälder“, berichtet Erzieherin Heike Wickenheiser. Während der Ferienzeit geht es auch mal mit der Bahn weiter hinaus. Dann stöbern die Kinder einen Tag lang nach besonders sehenswerten Caches – so nennen sich die modernen Schätze.
Die Erzieherin geht in ihrer Freizeit auch selbst gerne auf Schnitzeljagd. Sie kennt sich deshalb gut aus und weiß, dass in der Gegend um Heppenheim einige in der Szene sehr bekannte Geocaches zu finden sind. Als solche gelten nicht etwa besonders wertvolle Kostbarkeiten, sondern originell versteckte Gegenstände. Dabei schneidet die Region gut ab, wie an zahlreichen Bewertungen auf entsprechenden Websites zu erkennen ist. Im Verborgenen schlummern hier etwa kleine, selbst gebastelte Installationen wie die einer Siegfried- Figur aus der Nibelungensage. Diese muss man per Hebel dazu bringen, ins Herz des Drachens zu treffen. Erst dann öffnet sich eine Schachtel, in der die zum Schatz führenden Koordinaten stecken.
Wickenheiser sieht im Geocaching die Möglichkeit, ihre Mädchen und Jungen von einem Ausflug in die Natur zu überzeugen. „Manche unserer Kinder waren vorher noch nie im Wald und haben eine Abneigung, sich dort auf den Boden zu setzen“, berichtet sie aus ihrem Hortalltag am Rande einer Hochhaussiedlung. Spätestens beim gemeinsamen Picknick während der Suche können die Schüler und Schülerinnen dann diese neue Erfahrung machen. „Die zwei bis drei Stunden auf der Suche vergehen immer wie im Flug“, sagt die Erzieherin. Viele Touren sind so angelegt, dass man zuerst die Geokoordinaten aus dem Internet bekommt und dann über mehrere Stationen mit weiteren Hinweisen ans Ziel kommt. Auf diese Weise gibt es für die Kinder alle 500 bis 600 Meter etwas zu tun. Zusätzlich motiviert sie der Umgang mit den Hilfsmitteln Computer und Smartphone.
RÄTSELHAFTER SCHATZ IM WEIDENBAUM
Nach einigen Touren reichte den Mädchen und Jungen allein die Suche nicht mehr aus. Sie wollten selbst mal einen Schatz verstecken. „Daraus entstand unser Projekt ‚Wir bauen und gestalten selbst einen Geocache‘“, berichtet Wickenheiser. In der internationalen Spielerszene werden nicht einfach nur irgendwelche Dinge versteckt, sondern es gibt spezielle Anforderungen an die modernen Schätze. Sie bestehen aus Behältern in drei Größen: von winzig (manchmal nur so klein wie eine Schraube) bis groß (meist massive Bretterkisten). Darin deponieren die Spieler jeweils passende Tauschgegenstände. Findet ein Mitspieler den Schatz, darf er ihn mitnehmen, muss aber etwas anderes hinterlassen.
Drei Monate lang bastelten sieben Kinder gemeinsam am eigenen Cache. „Dabei entstand eine wunderschöne Holzkiste mit selbst gebastelten Arche-Noah-Figuren“, erzählt Wickenheiser, die die Arbeiten anleitete. Zum Thema passend dachten sich die Kinder ein Rätsel aus. Das müssen Suchende erst auf der Geocaching-Website knacken, bevor es die entscheidenden Hinweise auf den Schatz gibt. Der Clou: In die Kiste bauten die Kinder einen Soundchip ein, auf dem sie die Geschichte der Arche Noah sprechen. Die fünfminütige Aufnahme kann sich jeder anhören, der den Cache aufgespürt hat.
Die Erzieherin beobachtete während des Projektes, dass ihren Schülern und Schülerinnen erst nach und nach klar wurde, wie viel Liebe und Mühe in einem Geocache steckt. „Ihnen wurde von Mal zu Mal bewusster, dass es gar nicht so einfach ist, in unserem dicht bebauten Umfeld ein passendes Plätzchen für ein Versteck zu finden.“ Erst nach längerer Suche entdeckte die Gruppe einen verborgenen Ort an einem See im nahe gelegenen Naturschutzgebiet. Nach Abstimmung mit der zuständigen Behörde versteckte sie ihren Schatz dort in einem Weidenbaum. Schon mehrmals wurde er seither aufgespürt, wie an den Bewertungen auf der Geocache-Website zu sehen ist. Das freut die Kinder und auch die Erzieherin. Wickenheiser sieht auch die pädagogischen Seiten ihres Projektes: Selbstvertrauen und Zuversicht der Schüler steigen, wenn sie die gestellten Aufgaben lösen. Die Kinder haben gelernt, im Team etwas zu schaffen. Sie haben ihr Sozialverhalten trainiert und beim Bau des eigenen Caches auch ihre handwerklichen Fähigkeiten geschult. Spaß hatten sie dabei ohnehin, wie der Eintrag eines Kindes im Freundebuch beweist. Unter dem Punkt „Mein größtes Abenteuer“ steht: „Geocaching im Einhauser Wald“. (sk)
Infos
Geocaching.de
gibt einen umfassenden Einblick in das Hobby Geocaching. Auf der Website sind zudem regionale Cacheforen und Verzeichnisse mit Geodaten versteckter Caches gelistet.
Opencaching.de
ist eine deutschlandweite Datenbank, auf der Cache-Verstecker die Koordinaten ihres Versteckes sowie Zusatzinfos zur Suche veröffentlichen können.