Wann wird es endlich Sommer? Die hoffnungsvolle Frage macht die Runde unter den Schülerinnen und Schülern der GGSStrand Europaschule in Timmendorf. Dann nämlich können sie endlich wieder rausgehen aus dem Schulgebäude – raus aufs Meer, raus auf den Golfplatz. Segeln und Golfen mag anderswo als Hobby für Reiche gelten, in der Grund- und Gemeinschaftsschule an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste sind sie Teil des alltäglichen AG-Angebots im offenen Ganztag. Neben Gitarre, Schach und Kunst gibt es eben auch Segeln, Golf und Eishockey.
Wer jetzt denkt, bei der Bildungsstätte handele es sich um eine Einrichtung für Betuchte, täuscht sich. Noch vor wenigen Jahren galt sie als „Restschule“. Eine, die Kinder aufnahm, die anderswo keinen Platz fanden. Eine, die auf die Jungen und Mädchen schaut, genau überlegt, was diese brauchen, um zu Persönlichkeiten zu reifen. Die Angebote am Nachmittag, für deren Teilnahme dank finanzieller Unterstützung der Kommune gerade einmal 20 Euro pro Halbjahr fällig werden, gehören in dieses Konzept so unverzichtbar wie der Unterricht am Vormittag. Das Gesamtpaket funktioniert. Heute ist die GGS die Vorzeigeschule im hohen Norden.
Naturschutz auf dem Meer
Frank Haunschild ist der Schulsozialpädagoge. Bei ihm laufen die Fäden des Ganztags zusammen. „Wir locken die Kinder mit unseren Angeboten weg vom Computer, vermitteln ihnen Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen“, betont er. Sabine Jensen pflichtet ihm bei. Die engagierte Sportlerin und Lehrerin leitet gemeinsam mit Karina Westphal die Segel- AG. Einmal wöchentlich geht es zum Niendorfer Hafen. Dort liegt das Team-8-Boot, das allen Schulen in der Nähe im Rahmen des Landesprogramms „Schüler segeln“ zur Verfügung gestellt wird. In den Stunden an Bord dreht es sich nicht nur um die Freude am Wassersport und um die Vermittlung von Technik. Nur wenn die Gruppe funktioniert, gelingt der Sport und bereitet Freude. Und: Die Kinder lernen die Pflanzen- und Tierwelt genau kennen, bestimmen Arten, erfahren viel über Naturschutz. „Wenn ich dann von einem solchen Kind gefragt werde, ob ich den Kormoran gesehen habe, geht mir das Herz auf“, strahlt die Hobbyseglerin.
Werte fürs Leben gewinnen auch jene Mädchen und Jungen, die sich der Golf-Gruppe von Ekkehard Rawohl anschließen. „Sie lernen, sich an Regeln zu halten, die Stärken und Schwächen der anderen zu akzeptieren. Sie lernen, zu gewinnen und zu verlieren“, hebt er hervor. Für den Sport auf dem Golfplatz gilt dies in ganz besonderer Weise. Mal eben auf den Platz laufen, ohne darauf zu achten, ob ein Ball durch die Luft fliegt – unmöglich. Abschlagen, wo man gerade möchte – undenkbar. Ekkehard Rawohl weiß aber auch: „Auf einmal zeigen Kinder Kompetenzen, die ansonsten möglicherweise unentdeckt geblieben wären. Die Schülerinnen und Schüler lernen sich untereinander von einer anderen Seite kennen. Zudem gewinnen sie ein neues Bild von den Lehrkräften und dem pädagogischen Personal. Sie erleben sie als ganz normale Menschen. Auch für die Integration sind die Sportkurse hilfreich. Immerhin rund zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler sind Geflüchtete.
Beim Golfen Regeln lernen
Die Zahl der Kinder, die eine oder mehrere Arbeitsgemeinschaften belegen, steigt jährlich. Schon jetzt sind es mehr als 130 der insgesamt 230 Erst- bis Viertklässler. Einer von ihnen ist Markus*. Bereitwillig erklärt er, warum er die Kurse so schätzt: „Vormittags kriegen wir für alles irgendwie eine Note. Nachmittags können wir uns freier bewegen, auch toben und miteinander laut und lustig sein. Beim Sport kann ich mich richtig auspowern – auch wenn ich mich an Regeln halten muss.“ Schulleiter Hans-Georg Rath formuliert das so: „Durch den Ganztag mit seinen vielen Möglichkeiten wird Schule positiv belegt.“ Die Mischung aus An- und Entspannung hat seiner Ansicht nach auch dazu beigetragen, dass sich Gewalt an seiner Schule in engen Grenzen hält: „Wir entziehen die Kinder dem blödsinnigen Tun.“
Zugleich fördern die intensiven sportlichen Aktivitäten die Motorik und Koordinationsfähigkeiten der Kinder. Die Entwicklung dieser beiden Kompetenzen leidet zunehmend, nicht zuletzt aufgrund des gestiegenen Medienkonsums. Eine Verteufelung von Handy und Tablet liegt der Schule indes fern. Eine Stunde Medienkompetenz steht wöchentlich auf dem Stundenplan. „Es ist die Welt, in die Kinder heute hineinwachsen“, sagt Schulleiter Rath. Er verweist auf die Generation junger Eltern, für die digitale Medien selbstverständlich sind. Allerdings besteht dadurch auch die Gefahr, dass der Blick auf einen verantwortungsvollen Medienkonsum getrübt wird. „Alle haben ein Handy oder Tablet, einen Laptop, einen PC. Darauf kann jeder schauen, was und wann er es möchte. Der Vater hier, die Mutter dort, das Kind im eigenen Zimmer. Das beschert uns eine immer stärkere Individualisierung“, glaubt er. Die Sportkurse der GGS-Strand hingegen führen zusammen.
* Name ist von der Redaktion geändert.
Steckbrief
GGS-Strand Europaschule in Timmendorf Schulform: Grund- und Gemeinschaftsschule (Klasse 1 bis 10) mit offenem Ganztagsangebot
Schülerinnen und Schüler: 530, davon 230 Grundschülerinnen und -schüler
Arbeitsgemeinschaften: circa 35, jährlich wechselnd. Darunter zahlreiche Sport- und Musikangebote
Kursbelegung: Die Schülerinnen und Schüler können so viele Kurse wie gewünscht belegen.
Kosten: 20 Euro pro Kurs und Halbjahr
Gebührenübernahme: Im Rahmen des Bildungsund Teilhabepakets (BuT) können Gebühren für Kurse übernommen werden. Das gilt auch für das Mittagessen (2,50 Euro pro Mahlzeit).
www.ggs-strand.de