Dieser Beitrag befasst sich mit einem besonders wichtigen Teil des pädagogischen Handelns in Kindertageseinrichtungen und Ganztagsschulen: mit den Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern. Interaktion bedeutet, dass mehrere Personen aufeinander bezogen handeln – in diesem Fall Erzieherinnen, Erzieher und Schulkinder. Konkret geht es darum: Wie kommunizieren sie miteinander, über was wird gesprochen, welche Botschaften werden über Mimik und Gestik vermittelt, was genau machen die einzelnen Akteure und welches Lernumfeld (Raum und Material) nutzen sie? Es gehört zu den Aufgaben einer pädagogischen Fachkraft, die Interaktionen gegenüber jedem einzelnen Kind ständig wieder zu reflektieren und sie womöglich zu verbessern. Ziel ist immer, das Wohlbefinden der Kinder zu steigern und sie optimal beim Lernen zu unterstützen. Dazu stelle ich im Folgenden Kriterien vor, auf die Erzieherinnen und Erzieher achten können, wenn sie ihre Interaktionsqualität beurteilen und verbessern wollen.
Wie man die Qualität der eigenen Interaktionen beurteilen kann, wird hier exemplarisch am Beispiel der Hausaufgabenzeit ausgeführt – denn das ist eine der zentralen Situationen der Nachmittagsbetreuung. Wie man die Hausaufgaben optimal begleitet und betreut, darüber machen sich Fachkräfte viele Gedanken. Tatsächlich können sie über Interaktionen diese Situation entscheidend beeinflussen. So können sie zum Beispiel die Motivation der Kinder, ihre Hausaufgaben zu erledigen, steigern, und sie beim Nachdenken und Lernen unterstützen.
Der Beitrag basiert auf einem Projekt zur Weiterentwicklung der Hausaufgabensituation, das eine Kollegin und ich im Auftrag des Staatsinstituts für Frühpädagogik gemeinsam mit zwölf Horten und Häusern für Kinder durchführen. Besonders viel Wert wird dabei auf den Handlungsspielraum gelegt, den Fachkräfte in dieser Situation haben – denn derzeit wird viel von der Schule vorgegeben.
Grundsätzlich lernen Kinder dann gut, wenn sie
- Autonomie und Partizipation, also Selbst- und Mitbestimmung, erleben können,
- die Erfahrung machen, dass sie Anforderungen bewältigen können (Kompetenz erleben),
- erleben, dass sie gut sozial eingebunden sind und dass ihre Individualität wertgeschätzt wird, und
- eigene Interessen leben können.
Dies sollte bei allen Interaktionen beachtet werden. In Modellen zur Interaktionsqualität werden drei Kriterien unterschieden:
1. Emotionale Unterstützung
Die emotionale Unterstützung, die Erzieherinnen und Erzieher geben, ist mit entscheidend für die Interaktionsqualität. Die pädagogische Fachkraft baut zum einen Beziehungen zu den Kindern auf und begleitet zum anderen Beziehungen unter den Kindern. Dazu schafft sie eine wertschätzende und vertrauensvolle Lernatmosphäre, in der sich Fachkraft und Kinder nahe sind und Gefühle miteinander teilen. Sie tauschen ermutigende Worte und Gesten aus, die Fachkraft teilt Neugier und Begeisterung mit den Kindern. Sie nimmt feinfühlig die Bedürfnisse der Kinder wahr und reagiert darauf. Dabei kümmert sie sich sowohl um emotionale Bedürfnisse, etwa wenn ein Kind frustriert oder wütend ist, weil es sich kurz zuvor mit jemand gestritten hat. Sie sorgt sich aber auch um die Lernbedürfnisse: Kommt das Kind mit den Aufgaben in der Hausaufgabensituation zurecht oder ist es über- oder unterfordert?
Für Kinder im Schulalter spielt Partizipation eine große Rolle. Es ist wichtig, dass sie ihre Interessen einbringen können, auch in Bezug auf die Hausaufgabensituation. So können Kinder meistens schon selbst entscheiden, wann und wie sie ihre Hausaufgaben machen: Welchen Arbeitsplatz sie dafür aussuchen, ob sie die Hausaufgaben allein oder mit anderen Kindern erledigen und in welchem Rhythmus. Pädagogische Fachkräfte sollten daher Kinder zu ihrer Meinung und ihren Wünschen bezüglich der Hausaufgabensituation im Hort bzw. in der Nachmittagsbetreuung befragen, die Ergebnisse diskutieren und das weitere Vorgehen mit den Kindern gemeinsam entwickeln. Experimentieren Sie mit unterschiedlichen Wegen in der Hausaufgabensituation und reflektieren dies gemeinsam mit den Kindern! Manche Kinder genießen die Freiräume, andere brauchen mehr Struktur.
2. Organisation der Hausaufgabenzeit
Idealerweise kümmert sich die pädagogische Fachkraft darum, die Lernzeit der Kinder zu maximieren, und achtet darauf, dass die Lernprozesse nicht unterbrochen werden. Das bedeutet konkret: Sie lässt die Kinder nicht unnötig warten, stellt Material bereit und vermeidet unnötige organisatorische Gespräche, die eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre im Raum unterbrechen könnten.
Klar geregelte Abläufe sorgen dafür, dass die Kinder genau wissen, was zu tun ist – etwa am Anfang oder am Ende der Hausaufgabensituation –, und nicht etwa umherwandern, ohne Anschluss zu finden. Auch die Regeln für Kinder sind klar. Die pädagogische Fachkraft stellt sie partizipativ in gemeinsamer Diskussion mit den Kindern auf und wendet sie einheitlich an. Sie organisiert die Lernsituation vorausschauend, sodass Konfliktsituationen und herausforderndes Verhalten von einzelnen Kindern möglichst vermieden werden. Tritt ein solches Verhalten dennoch auf, so tragen ihre Interaktionen dazu bei, dass sich das Verhalten ändert, ohne dass dieses Kind und die anderen Kinder zu lange vom Lernen abgehalten werden und sich die Situation negativ auf die Atmosphäre auswirkt. Dabei hat sie die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes – etwa nach Bewegung – im Blick und kann einschätzen, inwieweit das zu Konflikten in der Hausaufgabensituation führen kann.
Die Fachkraft unterstützt die Kinder auch dabei, die Situation so interessant wie möglich zu gestalten, sodass die Kinder motiviert und engagiert bei der Sache sind. So kann sie entsprechendes Material zur Verfügung stellen, Bezüge zum praktischen Alltag herbeiführen oder einfach Fragen stellen, die die Fantasie und das Interesse der Kinder anregen.
3. Lernunterstützung
Mit ihrer Interaktion können Erzieherinnen und Erzieher Kinder beim Lernen unterstützen. Idealerweise sieht das so aus, dass die pädagogische Fachkraft die Kinder bei Lernprozessen einen Schritt weiter bringt, ohne Lösungen vorwegzunehmen oder sie im Denken zu behindern – gemäß dem Motto „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Das ist oft schwieriger, als es sich anhört! Ziel der Unterstützung sollte darüber hinaus sein, dass sich die Kinder mit den Sachverhalten so intensiv wie möglich geistig und inhaltlich auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung kann die Fachkraft auf verschiedene Weise anregen:
- indem sie Rückfragen zum Thema stellt, das die Kinder bearbeiten.
- indem sie nach Gedanken der Kinder dazu fragt: „Wie kommt du auf den Gedanken/auf dieses Ergebnis?“, „Erklär mir das doch mal“.
- indem sie durch weiterführende Informationen oder durch Feedback eine inhaltliche Rückmeldung gibt: „Das war super, wie gut du dich konzentriert hast“. „Letzte Woche hast du mit einer solchen Aufgabe noch Probleme gehabt, jetzt hast du verstanden, dass…“.
Gedankliche Anregungen tragen auch dazu bei, Wissen im Gehirn zu vernetzen. Sie stellen Bezüge zu früheren Erfahrungen im Hort, in der Schule, in der Familie oder im Urlaub her. Das sind nur einige Beispiele für ein pädagogisches Handeln, das man in der Fachsprache als „kognitive Aktivierung“ diskutiert.
Grundsätzlich sollte eine pädagogische Fachkraft immer so agieren, dass sie das selbstgesteuerte Handeln und die Selbst ständigkeit der Kinder unterstützt. Denn Kinder im Schulkindalter haben ein sehr großes Bedürfnis nach Autonomie. Zudem sollen Kinder möglichst selbstgesteuert lernen und etwa selber bestimmen, welche Lern- und Arbeitstechniken sowie Materialien sie benutzen und wie viel Zeit sie dafür aufwenden.
WEITERENTWICKLUNG UND PROFESSIONALISIERUNG
Pädagogische Fachkräfte entwickeln sich weiter, indem sie herausfinden,
- welche Interaktionsaspekte sie generell oder in bestimmten Situationen mehr umsetzen und welche weniger sowie
- welche Unterschiede sie zwischen den Kindern machen, etwa in Bezug auf einzelne Kinder oder in Bezug auf Gruppen, wie Jungen /Mädchen oder Kinder mit/ohne Migrationshintergrund,
- welche Unterschiede einen Sinn machen und welche vielleicht hinderlich sind.
Die Professionalisierung lässt sich unterstützen, indem man sein Handeln gezielt selbst beobachtet oder von einem Kollegen beobachten lässt. Aber Fachkräfte können sich auch externe Beratung und Coaching in den Hort holen. Auf der Basis einer Beratung können pädagogische Fachkräfte dann gezielt einzelne Interaktionsaspekte Schritt für Schritt weiter entwickeln.