Pech ist, wenn das eine Kind montags die erste Stunde freihat. Und das andere Kind dienstags. Wieder nichts mit 30 Minuten Schlafzugewinn für die müden Eltern. Ich habe aufgehört davon zu träumen, dass doch mal das Schulhalbjahr kommt, in denen die Aus-dem-Haus-geh-Zeiten meiner Kinder perfekt harmonieren. Wird nicht passieren. Was auf jeden Fall passieren wird: Dass uns der Stundenplan alle sechs Monate durcheinanderrüttelt. Neuste Entwicklung: Die Klasse meines Sohnes isst jetzt an vier von fünf Tagen erst um halb zwei zu Mittag. Ich finde das suboptimal, aber wer bin ich, dass ich mich beschweren darf?
Das Problem mit dem Essen ist: Es liegt vieles im Argen – aber es gibt keinen richtigen Schuldigen, auf den man mit dem Finger zeigen könnte. Denn würde mein Kind die Stullen essen, die sich in seiner Brotdose stapeln, hätte es gegen Mittag nicht schon Bauchgrummeln vor Hunger. Das ist leider elterliches Wunschdenken. Warum das Kind die Brote nicht isst? Es liegt NICHT am Belag, sondern daran, dass Essen in den Hofpausen langweilig ist. Da will man doch Fußball spielen. In den kleinen Pausen ist auch keine Zeit, da muss man Hefte zusammenpacken oder Räume wechseln. Am liebsten würden die Kinder wahrscheinlich während des Unterrichts an ihren Bananen und Müsliriegeln kauen, aber das geht auch nicht. Also: vormittags Intervallfasten. Das führt gelegentlich zu derart beißenden Bauchschmerzen, dass mein Sohn behauptet, er habe das Mittagessen deshalb stehen gelassen. Was ist jetzt hier Henne und was Ei?
TISCHSITTEN? GIBT’S NICHT
Nächstes Problem: Gruppendynamik. Ich beneide keinen unserer Erzieher (es sind in diesem Jahr alles Männer), die diese halbstarke Horde jeden Tag zum Essen begleiten müssen. Eichhörnchen hüten stelle ich mir einfacher vor. Jedenfalls kann von Tischsitten, soweit ich das höre, keine Rede sein. Es wird gematscht, gepampt, geblödelt. Viel landet in der Biotonne. „Warum esst ihr eure Teller nicht leer? “, habe ich die Kinder gefragt. Sieht komisch aus. Schmeckt nicht. Waren Gemüsestückchen drin. So lauten die gängigsten Argumente. Ich kann das nicht überprüfen, habe aber den Verdacht, dass es sich mit dem Schulessen ähnlich verhält wie mit dem Mensa-Essen früher an der Uni. Nicht gerade überwältigend in Farbe und Textur und auch eher lauwarm als heiß. Aber immerhin ein Haufen Kohlenhydrate, der sich in Energie verwandeln lässt. Anders gesagt: So schlimm kann es gar nicht sein. „Doch“, sagen die Kinder.
PECH GEHABT
Durch die neueste Stundenplan-Änderung kommt ein weiterer Mangelfaktor hinzu. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn es doch mal was Leckeres gab – die Kinder verstehen darunter: Würstchen oder Pizza –, ist um halb zwei fast alles leer. Wie kann das angehen, haben wir uns beim Elternabend empört. Warum bringt der Caterer nicht genug mit? Unser Erzieher kann das Phänomen erklären: Weil das Chipkartensystem zu kompliziert war (dauernd vergaßen Kinder ihre Karten), stellen sich jetzt einfach alle bei der Essensausgabe an. An Pizza-Tagen schlüpfen manche mehrfach in die Schlange. Wer will bei Hunderten Grundschulkindern den Überblick behalten? Blöd nur für die Spät- Esser, die vor leeren Theken stehen.
Wie gesagt: Keiner ist allein schuld, aber alle sind unzufrieden. Ich habe mir jetzt angewöhnt, die Kinder am Nachmittag zu Hause mit einem Survival-Paket zu empfangen: Nudeln, Obstteller, Kuchen. Danach geht’s dann meistens wieder mit der Kraft – und der Laune.