„Bis zum Schulkindalter haben Kinder von Natur aus einen ausgeprägten Bewegungsdrang, kurze Konzentrationsspannen, und im Affekt schlagen sie auch mal zu. Mit fortschreitendem Alter lernen sie aber, ihr Verhalten zu steuern und sich nach einer Phase des Tobens zu beruhigen.
Die typischen Merkmale von ADHS (Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung) sind ähnlich: motorische Unruhe, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Wie hebt sich das von gesundem, lebhaftem Verhalten ab?
Man unterscheidet drei Subtypen der ADHS mit dem gemeinsamen Merkmal der Unaufmerksamkeit. Die beiden anderen Symptome treten in unterschiedlicher Ausprägung hinzu:
- Einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, wie oben genannt.
- Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung inklusive Störung des Sozialverhaltens.
- Unaufmerksamkeit, ohne Hyperaktivität, auch ADS genannt. Typisch sind: Tagträumen, Langsamkeit und Vergesslichkeit. (…)
Erscheinungsbild
- Säuglinge und Kleinkinder mit ADHS sind deutlich unruhiger, schreien mehr, ohne sich beruhigen zu lassen, schlafen weniger und haben ein wählerisches Essverhalten.
- 3- bis 6-Jährige haben schier unbegrenzt Energie und originelle Ideen. Bei Gruppenaktivitäten fallen geringe Ausdauer auf und beim Spielen schnelle Handlungswechsel. Beim Zeichnen zeigen sich Bewegungskoordinationsprobleme. Durch ihre Impulsivität vergessen sie Regeln. Handgreiflichkeiten fallen unverhältnismäßig heftig aus. (…)
Ursachen/Entstehung
Man geht heute von einer genetischen Disposition für ADHS von 70-90% aus (Schlack 2007), da ADHS in betroffenen Familien gehäuft auftritt. Ferner wurden Gene lokalisiert, die die Funktion der Neurotransmitter regulieren (Gawrilow 2012). Neurotransmitter sichern den „Nachrichtenfluss“ zwischen den Nervenzellen.
Bei ADHS führt ein Dopaminmangel dazu, dass die Hemmung unwichtiger Reize unterbleibt. Betroffene werden von einer Informationsflut überschüttet. Das löst ein Zuviel an psychischer Energie aus, die sich in Hyperaktivität entlädt.
Des Weiteren stört die Informationsflut die Zusammenarbeit von Arbeits- und Langzeitgedächtnis, die unverzichtbar sind für die Handlungsplanung, den Aufbau von Motivation, den Ausgleich von Affekten und den Zugriff auf vorhandene Fähigkeiten.
Auch psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle. Wenn es Eltern nicht gelingt, ihr schreiendes Baby zu beruhigen, werden beide Seiten verunsichert und der Bindungsaufbau erschwert. Und wenn sich ein Kind den Erziehungsbemühungen der Eltern wiedersetzt oder wie im Fall von ADS nur verhalten auf Ansprache der Eltern reagiert, fühlen sich diese als Versager, resignieren oder „verschärfen“ ihre Erziehungsmaßnahmen. Das belastet auch die Beziehung der Eltern untereinander und das familiäre Klima.
Im Extremfall entwickeln Kinder ADHS-Symptome als Hilferuf, z.B., um in einer familiären Krisensituation Beachtung zu finden. Ein hochtouriger Lebensstil oder übermäßiger TV-Konsum beeinflussen eine ADHS-Entwicklung, werden heute aber nicht mehr als alleinige Ursachen für ADHS angesehen.“