„Zu den größten Stolpersteinen im Alltag mit Zweijährigen gehört deren Trotz. Die zunehmende Selbst-Entwicklung führt zu immer mehr Eigensinn, und der äußert sich im dritten Lebensjahr deutlich. Nun erprobt das Kind, wann und wozu der eigene Wille nützt. Deshalb versucht es, gegen alle Widerstände aggressiv anzugehen, um zu erfahren, wann es seinen Willen durchsetzen kann und wann sich unüberwindbare Grenzen bieten. Die Trotzphase ist wichtig, weil danach die Spielregeln klarer sind; sie verlangt jedoch hohe erzieherische Fähigkeiten. Das Kind provoziert Reaktionen, um seinen Handlungsspielraum auszuloten und soziale Orientierungshilfen zu erhalten: Wie weit kann ich mit meinem Verhalten gehen, was kann ich mir ungestraft – Erwachsenen, aber auch Gleichaltrigen gegenüber – herausnehmen, wo muss ich mich bremsen und zurücknehmen? Denn genau das muss man wissen.
Kinder fordern durch ihr Verhalten den Erziehungsrahmen ein, der ihnen Entwicklungsfortschritte möglich macht. Das Kind nimmt am Sozialleben teil, indem es die hier geltenden Normen abfragt, um sich in dieser Welt einbringen zu können. Wenn ein Kind sich also zeitweilig aufdringlich und aufmüpfig verhält, erhöht es die Chancen auf eine schnelle und zweifelsfreie Antwort. Bleibt man dem „fragenden“ Kind die Antwort schuldig, weil man ihm Frustrationen oder sich selbst die Auseinandersetzung ersparen will, kehrt keine Ruhe ein, im Gegenteil, es kommt zu verschärften Provokationen. Das Kind wird unausstehlich, denn es braucht eine Antwort: entweder eine Freiraum schaffendes „Ja“ oder ein eindeutig bremsendes „Nein“, mit dem von jetzt ab immer an dieser Stelle zurechnen ist. Nur das Setzen konsequenter, aber auch einsichtiger Grenzen schafft die so wichtigen klaren Verhältnisse, in denen ein Kind frei agieren kann. In diesen Situationen wird Erziehungsqualität abgefragt.“