"Auf der Grundlage des neuseeländischen Konzeptes "Learning stories" wurde im Deutschen Jugendinstitut (DJI) das Projekt "Bildungs- und Lerngeschichten" entwickelt. Es ist ein Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren, das pädagogische Fachkräfte, Kinder und Eltern für Lernprozesse und Lernmöglichkeiten sensibel machen soll. Lernen soll über die Lerngeschichten der Kinder sichtbar gemacht werden. Lerndispositionen als Grundlage für Lern- und Bildungsprozesse bilden den Mittelpunkt des Konzepts. In den Lerndispositionen kommt nach M. Carr »die Motivation und die Fähigkeit zum Ausdruck, sich mit neuen Anforderungen und Situationen auseinanderzusetzen« (Leu u. a. 2007, S. 49). Bei der Analyse von Beobachtungen orientiert man sich an folgenden Aspekten von Lerndispositionen:
- interessiert sein
- engagiert sein
- standhalten bei Herausforderungen und Schwierigkeiten
- sich ausdrücken und mitteilen
- an einer Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen.
Lerndispositionen können sich überschneiden (engagiert sein heißt auch sich interessiert zeigen). In einer Beobachtung müssen nicht alle Lerndispositionen auftreten. Die Einschätzungen und Interpretationen kindlicher Aktivitäten orientieren sich an den Ressourcen der Kinder. Die Stärken eines Kindes bilden den Ausgangspunkt zur Unterstützung eines Kindes. Das Beobachtungsinstrument bei den Bildungs- und Lerngeschichten besteht aus einem Beobachtungsbogen und einem Bogen zum kollegialen Austausch. Die eigentlichen Lerngeschichten eines Kindes sind Geschichten, die vom Lernen eines Kindes in der Kindertageseinrichtung erzählen. Die Fachkraft schreibt für jedes Kind dessen eigene Lerngeschichte.
Auf der Grundlage des kollegialen Austausches und der dokumentierten Beobachtungen werden dann die "nächsten Schritte", also die Entscheidung darüber, wie ein Kind in seinen Bildungsprozessen weiter begleitet, unterstutzt und vorangebracht werden kann, gezielt geplant.
Um bewusst pädagogisch planen zu können, benutzt die Methode der Bildungs-und Lerngeschichten die Metapher des »progressiven Filters«. Der progressive Filter beinhaltet folgenden Ablauf:
- Wahrnehmen
- Erkennen
- Reagieren
- Dokumentieren
- Austauschen.
»Mit dem Verfahren der Bildungs- und Lerngeschichten werden nun für wenige Situationen Wahrnehmen und Erkennen aus dem alltäglichen Vollzug herausgehoben und das Dokumentieren und der Austausch mit anderen dem Reagieren im Sinne der Planung nächster Schritte vorangestellt« (Leu u. a. 2007, S. 55). Durch diese Art von bewusster Wahrnehmung sollen für Erzieherinnen neue Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden. Über Portfolios und Wanddokumentation werden die Bildungs- und Lernprozesse dokumentiert."