"Die Begriffe Erziehungswissenschaft und Pädagogik werden uneinheitlich verwendet. Ein Blick in die Geschichte liefert den Hintergrund für eine Unterscheidung: In Abgrenzung zur Pädagogik, die oftmals mit der Erziehungspraxis gleichgesetzt wurde, sollte der Begriff der Erziehungswissenschaft den Wissenschaftscharakter der Disziplin betonen. Trotz dieser Unterscheidung werden die Begriffe Erziehungswissenschaft und Pädagogik seit einigen Jahrzehnten auch nebeneinander verwendet. Dies scheint sich immer mehr durchzusetzen (Gudjons 2006, S. 21). Eine einheitliche Systematik der Erziehungswissenschaft findet man nicht vor, auch darum, weil die Erziehungswissenschaft eine vergleichbar junge Disziplin ist, die sich in den vergangenen Jahrzehnten, auch aufgrund sich ständig wandelnder gesellschaftlicher Problemlagen, in hohem Maße entwickelt und ausdifferenziert hat.
Vor diesem Hintergrund entwickelt Lenzen (2000, S. 37 ff .) ein Strukturmodell für die Erziehungswissenschaft :
Ebene 1: Teilgebiete (Subdisziplinen): allgemeine Pädagogik, Sozialpädagogik, Berufs- und Wirtschaftspädagogik, historische Pädagogik, vergleichende Pädagogik, Schulpädagogik, Sonderpädagogik, Vorschulpädagogik.
Ebene 2: Fachrichtungen, die als Spezialisierungsversuche noch nicht den Charakter einer Subdisziplin haben: interkulturelle Pädagogik, Betriebspädagogik, Freizeitpädagogik, Kulturpädagogik, Medienpädagogik.
Ebene 3: Praxisfelder: Friedenserziehung, Gesundheitserziehung, Verkehrserziehung, Schule, Sexualerziehung. Von den Praxisfeldern zu unterscheiden sind die „pädagogischen Lehren“ (Montessori, Waldorf), die auf verschiedene Praxisfelder Einfluss ausüben.
Interdisziplinärer Charakter der Erziehungswissenschaft: Ohne die Einbeziehung von Erkenntnissen aus den Nachbarwissenschaften der Erziehungswissenschaft (Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Philosophie, Biologie, Medizin, Neurowissenschaften) wäre die Erziehungswissenschaft heute nicht mehr vorstellbar. Die Aufgabe der Erziehungswissenschaft ist aufgrund ihrer komplexen Struktur bzw. ihrer nichtverbindlichen Gliederung schwer zu formulieren: Grundsätzlich befasst sich die Erziehungswissenschaft mit der Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung, nicht nur im Kindesalter, sondern bis ins Erwachsenenalter. Sie soll die Erziehungswirklichkeit mit empirischen Methoden untersuchen, um diese Erkenntnisse dann der Praxis zur Verfügung stellen zu können. Dabei geht es um die Beschreibung von Erziehungs-, Unterrichts- und Ausbildungsprozessen, um die Interpretation von Erziehungstheorien, um die Erklärung von Erziehungsprozessen und der beobachtbaren Wirkung von Erziehung sowie um die Klärung pädagogischer Grundbegriffe."