Partizipation: in der Kita

„Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden.“² Dieses Zitat stammt von Richard Schröder, dem ehemaligen Leiter des ersten Kinderbüros in Deutschland. Die Definition von Schröder umfasst drei grundsätzliche Bereiche:

1. Entscheidungen, die das eigene Leben betreffen: In der Kita sind hiermit individuelle Selbstbestimmungsrechte von Kindern gemeint, wie beispielsweise das Entscheidungsrecht darüber, ob, wie viel und was ein Kind isst oder wann und ob es schläft.
2. Entscheidungen, die das Leben der Gemeinschaft betreffen: Hier handelt es sich in erster Linie um Mitbestimmungsrechte der Kinder als Gruppe, z. B. bei der Fragestellung, wie ein Fest gefeiert wird, welche Bücher oder Spiele angeschaut werden oder wie der Gruppenalltag gestaltet wird.
3. Gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden: Hiermit sind Problemlösungen gemeint, die von den Kindern entwickelt und umgesetzt werden.

Die Kinder müssen als Gesprächspartner*innen wahr- und ernst genommen werden, ohne dass die Grenzen zwischen Erwachsenen und Kindern verwischt werden.³

Partizipation betrifft alle Bereiche im Kita-Alltag: Sie beginnt an der Garderobe bei der Begrüßung. Partizipation prägt jeden Dialog und alle Spiel-, Essens-, Schlaf- und Pflegesituationen, sie hinterfragt Raum- und Tagesgestaltung sowie das Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern und stellt dialogbasierte Prozessqualität konsequent ins Zentrum des pädagogischen Handelns.⁴

Für eine gelingende Partizipation im Kita-Alltag übernehmen die Fachkräfte in allen Bereichen immer eine moderierende Rolle. Dabei hat Beteiligung auch immer mit Machtabgabe zu tun. Es ist somit ein hervorragender Ansatz, um Adultismus in der Kita zu begegnen.

Partizipation sollte sowohl durch die Kita-Leitung als auch im Team praktiziert werden. Denn wie sollen Fachkräfte den Kindern partizipatorisch begegnen, wenn sie selbst keine Selbstwirksamkeit erfahren oder von der Kita-Leitung nicht gehört werden? Damit das Team eine partizipatorische Grundhaltung entwickeln kann, benötigt es eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit und Kooperation.⁵ Im Bereich der Zusammenarbeit mit Eltern kann Partizipation ebenso umgesetzt werden, beispielsweise über einen Elternbeirat.

1. Stufe: Informiert werden

Welche Informationen benötigen die Kinder, um eine Entscheidung zu treffen? Fachkräfte haben die Aufgabe, die notwendigen Informationen verständlich aufzubereiten. Nur dann können die Kinder eine selbstbestimmte Entscheidung treffen.

2. Stufe: Gehört werden

In der nächsten Stufe der Beteiligung geht es darum, dass die Bedürfnisse und Ideen der Kinder gehört werden.

3. Stufe: Mitbestimmen

Zuvor hatten alle Beteiligten die Gelegenheit, ihre Ideen darzustellen. Nun geht es darum, gemeinsam eine Entscheidung zu treffen. Argumente werden diskutiert, Standpunkte gehört. Es ist ein gleichwertige Austausch, um gemeinsam zu einer tragfähigen Entscheidung zu kommen.

4. Stufe: Selbst bestimmen

Die Selbstbestimmung stellt die umfassendste Beteiligungsmöglichkeit der Kinder dar.

• Zum einen geht es um die Selbstbestimmung der Kinder als Gruppe. Die pädagogischen Fachkräfte haben in diesem Fall eine ausschließlich moderierende Rolle.
• Zum anderen geht es dabei um die Selbstbestimmung des Kindes als Individuum. Entscheidungen wie „Ziehe ich Hausschuhe an oder laufe ich barfuß?“ trifft jedes Kind für sich selbst eigenverantwortlich. Die Erwachsenen überlassen in dieser Stufe den Kindern die Entscheidung.⁶

• Kinder gestalten den Tagesablauf und Kita-Projekte aktiv mit: Anstehende Aufgaben lassen sich gut auf einer Magnettafel darstellen. Wer die Aufgabe erledigt hat, darf ein Kärtchen auf die Seite „erledigt“ schieben.
• Kinder und Fachkräfte übernehmen Ämter: Der Kinder-Zähldienst checkt, welche Kinder da sind, das Deko-Team hilft bei der Gestaltung der Fenster usw. Wichtig dabei: Die Übernahme eines Amtes ist immer freiwillig.
• Platz und Zeiten für Beschwerden: Kinder wissen wo und wann sie ihre Meinung oder Verbesserungsvorschläge vorbringen können, zum Beispiel via Tafel, Briefkasten, Sorgenfresser, Feedback-Stunde. Jede Rückmeldung ist willkommen.
• Kinder diskutieren im Kinderrat: Ob Kinderkonferenz, Kinderversammlung oder Kinderplenum – in solchen regelmäßigen Versammlungen haben die Kinder Gelegenheit, Ideen und Verbesserungsvorschläge vorzubringen und darüber zu sprechen.

Kinder in alltägliche Entscheidungen im Kita-Alltag einzubeziehen, hat viele Vorteile. Es gibt viele gute Gründe, Partizipation in den Kita-Alltag einzuführen:

• Die Beteiligung von Kindern an allen sie betreffenden Entscheidungen ist gesetzlich verankert.⁷
• Wenn Kinder ihren Tagesablauf aktiv selbst gestalten, erleben sie Selbstwirksamkeit.
• Wenn Kinder aus freien Stücken Ämter in der Kita übernehmen, können sie ihre Stärken einbringen. Es fördert ihr Selbstvertrauen.
• Wenn Kinder gemeinsam Entscheidungen treffen, kommen sie in den Austausch. Sie hören einander zu und suchen gemeinsam einen Kompromiss. Sie entwickeln sozial-emotionale Kompetenzen.
• Wenn Kinder die Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse zu äußern, üben sie sich auch sprachlich. Partizipation ist also alltägliche Sprachbildung.
• Partizipation ein wichtiger Schutzfaktor in Bezug auf eine Kindeswohlgefährdung: Wenn Kinder im Alltag erfahren, dass sie gehört werden, sind sie eher in Lage, die Einhaltung ihrer persönlichen Grenzen einzufordern und bei Bedarf Hilfe zu holen.⁸