Wie Sie die passenden Materialien für Ihre Einrichtung findenSprache fördern, doch womit?

Es gibt eine Fülle von Materialien zur Sprachförderung, doch welche eignen sich für die Kinder in Ihrer Einrichtung und entsprechen Ihrer Vorstellung von professioneller Sprachförderung?

Sprachförderung ist eine von vielen wichtigen Aufgaben, die ErzieherInnen in ihrem Berufsalltag zu leisten haben. Dabei geht es nicht darum, Kinder kurz vor der Einschulung noch einmal besonders zu fördern, z.B. im Bereich der phonologischen Bewusstheit als Vorbereitung auf den Schriftspracherwerb, sondern um eine umfassende Begleitung und Anregung der (vor-) sprachlichen Fähigkeiten von Anfang an. Den ErzieherInnen stehen dafür zahlreiche Materialsammlungen zur Verfügung, die von AutorInnen verschiedener beruflicher Herkunft verfasst bzw. zusammengestellt und mit unterschiedlichem Anspruch konzipiert wurden: Bei einigen stehen die theoretischen Aspekte im Vordergrund, bei anderen die praktische Anwendbarkeit. Die Altersgruppe ist mal mehr, mal weniger klar eingegrenzt und die verschiedenen sprachlichen Ebenen werden mal berücksichtigt, mal nicht. Viele Sprachfördermaterialien konzentrieren sich auf Teilbereiche von Sprache und bieten spezielle Übungen bzw. Materialien für den Wortschatzaufbau, die Grammatik (Satzbau und Wortbildung) oder die phonologische Bewusstheit an. Dabei besteht die Gefahr, dass Sprachförderung nur Einzelaspekte berücksichtigt und die Ganzheitlichkeit von Sprache und Kommunikation aus dem Blick verliert. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Eindruck entsteht, dass Förderprogramme den Aspekt Sprache innerhalb von 20 Minuten am Tag bearbeiten wollen. Kurz: Es ergibt sich kein einheitliches Bild und es stellt sich die Frage, ob alle Aspekte von Sprache bzw. Sprachförderung in den Materialien bedacht werden bzw. welches überhaupt die für die Sprachförderung relevanten Aspekte sind.

Die Fülle an verfügbaren Sprachfördermaterialien lässt ErzieherInnen nach Kriterien suchen, anhand derer sie beurteilen können, welche Materialien denn für ihre Zielgruppe, ihre Bedingungen und ihre Vorstellungen von Sprachförderung angemessen sind. In der Tabelle auf Seite 23 werden 20 ausgewählte Sprachfördermaterialien hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit dargestellt. Die dort genannten Kriterien bieten zudem die Möglichkeit, die hier definierte Messlatte auch an andere Materialien anzulegen und unter dieser Perspektive zu betrachten.

Erläuterungen zu den Kriterien

Im Folgenden wird die Bedeutung der Kriterien erläutert, die in der Tabelle auf Seite 23 auftauchen.

Wer ist die Zielgruppe?

Hier wird die von den AutorInnen des Sprachfördermaterials genannte Altersgruppe angegeben. Zusätzlich gibt es einen Hinweis, wenn das Material explizit für die Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund konzipiert wurde.

Gibt es einen Abriss über die Sprachentwicklung?

Eine kurze Beschreibung der regulären Sprachentwicklung ermöglicht es zum einen, die eigenen Erwartungen bezüglich der sprachlichen Äußerungen eines Kindes in seiner Altersgruppe realistisch einzuschätzen und so die Angebote zur Sprachförderung altersgerecht und dem Entwicklungsstand angemessen zu gestalten. Zum anderen hilft dieser Vergleich bei der Einschätzung, ab wann zeitliche oder strukturelle Abweichungen im Spracherwerb das Hinzuziehen einer Sprachtherapeutin erfordern.

Sind Hinweise zu möglichen Störungen des Spracherwerbs enthalten?

Erläuterungen zu Abweichungen vom regulären Spracherwerb geben ErzieherInnen zusätzlich Hinweise, ab wann das beratende Gespräch mit den Eltern bezüglich einer professionellen Sprachtherapie gesucht werden sollte. Auch hier sollen Kriterien für die Entscheidung zwischen einer allgemeinen Sprachförderung, die durch die Erzieherin geleistet werden kann, und einer professionellen Sprachtherapie, die durch eine Sprachtherapeutin geleistet werden muss, deutlich werden.

Welche Förderbereiche werden behandelt?

Grundsätzlich sollte die Sprachförderung darauf ausgelegt sein, dass Sprache ausgewogen in allen Teilbereichen gefördert wird. Dabei sollte sowohl auf Artikulation,Wortschatz und Grammatik als auch auf den kommunikativen Aspekt von Sprache Wert gelegt werden. Außerdem ist beim Sprechen nicht nur entscheidend, was gesagt wird, sondern auch, wie es gesagt wird. Daher sollten Aspekte wie Sprechtempo, Sprechrhythmus und Stimmeinsatz ebenso Berücksichtigung finden.

Gibt es methodisch-didaktische Hinweise?

Hier können Fragen zu äußeren Rahmenbedingungen und zu den Sprachförderzielen beantwortet werden. Es wird nach dem „Wer macht was? Wo? Wie funktioniert das und warum?“ gefragt. Das bedeutet, dass Hinweise und Anregungen gegeben werden, z.B. in welche Rahmenhandlung ein Sprachförderziel eingebettet werden kann. Das betrifft auch die Gruppenzusammensetzung: Wie alt sind die Kinder? Welche Gruppengröße ist für mein Ziel günstig? Von welchem Sprachstand gehe ich aus? Wie lange dauert die Fördereinheit ungefähr? Wenn eine Fördereinheit mit Spielen und Liedern gestaltet wird, sollten sowohl Anleitung als auch Melodie vorgegeben sein, um eine zeitökonomische Umsetzung des Vorhabens zu ermöglichen.

Werden Hinweise zur sprachförderlichen Grundhaltung gegeben?

Das Kommunikationsverhalten der Erzieherin beeinflusst die sprachlichen Möglichkeiten der Kinder während des gesamten Kindergartentages. Wichtig sind positiv-kommunikative Bedingungen wie z.B. den Blickkontakt mit dem sprechenden Kind zu halten, es ausreden zu lassen, es zum Sprechen zu ermutigen und das grundsätzliche Interesse am Gespräch. Bietet das Sprachfördermaterial nun Hinweise und Anregungen für die sprachförderliche Grundhaltung der Erzieherin, so dass Sprachlehrstrategien wie etwa das „korrektive Feedback“ (verbesserte Rückmeldung) vermittelt werden? Auch Methoden wie das „handlungsbegleitende Sprechen“ und die „ungeteilte Zuwendung“ können an dieser Stelle aufgeführt werden (vgl. Bender-Körber et al. 2006).

Gibt es Anregungen,wie Sprechanlässe geschaffen werden können?

Erzählen, fragen, kommentieren, diskutieren, streiten, verhandeln – nahezu jede Situation bietet die Möglichkeit, Sprechanlässe zu schaffen. ErzieherInnen können im Kindergartenalltag bewusst kommunikative Rahmenbedingungen herstellen. Daher sind kreative Anregungen, wie vielfältige Sprechanlässe geschaffen werden können, in den Sprachfördermaterialien sehr hilfreich.

Sind Sprach- und Sprechspiele aufgeführt?

  • Lautmalerei Hier geht es um einen spielerischen Umgang mit Lauten, sei es in Liedern („Drei Chinesen mit dem Kontrabass“), Reimen („Eene meene meck und du bist weg“) oder Zungenbrechern. Die Artikulation wird spielerisch verbessert, indem die Kinder gleich oder ähnlich klingende Laute, die auf lustige Art miteinander kombiniert sind, erfassen und sprachlich umsetzen.
  • Rhythmus, Reime, Melodie Rhythmus,Melodie und Betonung spielen beim kindlichen Spracherwerb eine bedeutende Rolle. Die Fähigkeit, rhythmische Sprachmuster wahrzunehmen und umzusetzen, ist bei Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen vielfach eingeschränkt. Da besonders bei Fingerversen, Reimen und Liedern der Rhythmus und die Melodie eine große Rolle spielen, ist ihre Einbeziehung ins Alltagsleben wichtig. So erleben Kinder, dass Sprache gewissen Regeln folgt und Spaß macht, zugleich werden spielerisch die Merkfähigkeit und die Koordination von Bewegungen gefördert.
  • Sprechzeichnen Die Koordination von Atmung, Stimme und Bewegung fördert sowohl die Sprechfähigkeit als auch die Feinmotorik und das Rhythmusgefühl des Kindes. Beim Sprechzeichnen wird das Zeichnen rhythmisch durch Sprechen begleitet. Automatisch betonen die Kinder dann rhythmisch und sprechen deutlich gegliedert. Bekannte Sprüche zum Sprechzeichnen sind z.B. „Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht“ oder „Das ist das Haus vom Nikolaus“.

Werden Bewegungsspiele genannt?

Ausreichend Bewegung und Sinneserfahrungen sind für die allgemeine sowie sprachliche Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung. Daher wurde geprüft, ob die untersuchten Sprachfördermaterialien auch Spiele mit angeleiteten Bewegungseinheiten enthalten.

  • Bewegungsspiele Spiele zur Entwicklung der Grobmotorik, die Hopsen, Rennen, Springen usw. beinhalten (z.B. „Fischer! Fischer! Wie tief ist das Wasser?“) oder auch Kinderlieder, in denen Sprache mit Bewegungen in Zusammenhang gebracht wird (z.B. „Ein kleiner Matrose“) sollten vorgestellt werden.
  • Fingerspiele Fingerspiele sind Gedichte oder Lieder, die durch Fingerbewegungen untermalt werden. Bekannte Fingerspiele sind z.B.„Himpelchen und Pimpelchen“, „Das Fähnchen auf dem Turme“ oder „Wenn Igel reisen“.
  • Mundmotorikspiele Spiele zur Mundmotorik (z.B. „Familie Schiefmaul“,Watte pusten, Seifenblasen) schulen die Beweglichkeit und Steuerung der „Sprechwerkzeuge“ und machen den Kindern meistens viel Spaß.

Sind Wahrnehmungsspiele aufgeführt?

Die Sinnesorgane spielen für die Entwicklung der Sprache und Kognition eine große Rolle. Ist z.B. der Hörsinn des Kindes beeinträchtigt, wird der Spracherwerb erheblich erschwert, weil das lautliche Modell und die auditive Rückkopplung des Gesprochenen fehlen. Spielerische Angebote, die verschiedene Sinnesbereiche anregen und Sinneserfahrungen miteinander verknüpfen, sind somit ein wichtiges Element in der Sprachförderung.

Gibt es Literaturhinweise?

Weiterführende Literaturhinweise sind eine sinnvolle Ergänzung, um das theoretische Wissen zu vertiefen und zusätzliche praktische Anregungen zu bekommen. Da der Markt groß ist, helfen besonders kommentierte Leseverweise weiter.

Weitere wichtige Kriterien

Im Folgenden werden Kriterien genannt, die nicht in die Tabelle aufgenommen wurden, weil sie nur vereinzelt in den Materialien Berücksichtigung finden. Sie beeinflussen den Spracherwerb allerdings zum Teil erheblich.

Konzentration

Die Konzentration als willentliche Fokussierung der Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Tätigkeit, einen Reiz o. Ä. wird bei allen (Sprach-) Spielen in unterschiedlichem Maße gefördert. Auch die Merkfähigkeit kann mit verschiedenen Spielen (z.B.Memory, Übungen zur Lautunterscheidung, Fingerspiele) unterstützt werden. 

Medien

Leider gibt es nur in wenigen Sprachfördermaterialien hilfreiche Hinweise zum Umgang mit Medien wie Kassetten, Fernseher, Computer oder Play-Station, obwohl dieser Aspekt gerade in Bezug auf die Folgen für die Sprachentwicklung und -förderung sowie Erziehungsmaßnahmen im Allgemeinen kontrovers diskutiert wird. Keilmann (2005) erläutert als eine der wenigen AutorInnen diese Problematik in einem eigenen Kapitel.Dort gibt sie konkrete Hinweise für den Umgang mit Medien und weist auf deren Gefahren hin. Auch der Ratgeber „Sprich mit mir!“ (2004) liefert gute und praktikable Ideen zum kreativen, eigenaktiven Einsatz von Medien.

Vorlesen

Dialogisches (Bilder-)Buch-lesen bietet Sprechanlässe zu allen denkbaren Themen. Dabei können die Kinder auch immer wieder zum eigenen Sprechen motiviert werden, z.B. durch offene Fragen wie:„Was ist denn da passiert?“ Durch das Hören einer Geschichte und das gleichzeitige Betrachten von Bildern lernen Kinder viele neue Wörter für Gegenstände und Handlungen. Nebenbei werden ihnen auf diese Weise alternative Handlungs- und Lösungsstrategien von „Bilderbuchhelden“ vorgelebt. Die Ratgeber „Sprich mit mir!“ (2004) und „So spricht mein Kind richtig“ (Brüggebors 2000) bieten gute Anregungen zum gemeinsamen Lesen.

Hinweise zur sprachförderlichen Gestaltung von Regelspielen

Zahlreiche Spiele sind darauf ausgerichtet, bestimmte Wahrnehmungsbereiche zu schulen, die für den Spracherwerb relevant sind. Auch Spiele, die die Feinmotorik (z.B. Stapelmännchen,Mikado) und die Mundmotorik (Fressgeräusche von Tieren nachahmen) einbeziehen, fördern die Artikulation. Wenn die Spielhandlungen dazu sprachlich begleitet werden, z.B. indem der Spieler sagt, was er gerade tut, werden nebenbei der sprachliche Ausdruck und der Satzbau gefördert. Bei vielen Spielen wird neben der Merkfähigkeit auch der Wortschatz der Kinder erweitert, z.B. bei Memory. Kinder profitieren von Regelspielen vor allem dann, wenn eine erwachsene Person mitspielt, die ihre sprachförderliche Grundhaltung mit einbringt. Auch hier geben die beiden Ratgeber „Sprich mit mir!“ (2004) und „So spricht mein Kind richtig“ (2000) gute methodisch-didaktische Hinweise.

Glossar

Eine Nachschlagemöglichkeit für Fachbegriffe, die im Zusammenhang mit der Sprachförderung im Material genannt werden, ist hilfreich. Unbekannte Begriffe und Fachausdrücke, die für das Verständnis und die Umsetzung von Sprachförderung und Sprachtherapie relevant sind, sollten im Anhang präzise und verständlich erklärt werden.

Ansprechpartner bzw. Adressen

Um eventuell auftretende Probleme oder Fragen mit Fachleuten diskutieren zu können, sollten Ansprechpartner wie z.B. die Berufsverbände der Sprachtherapeuten und Logopäden mit Adressen aufgeführt sein. Mannhard/Scheib (2005) beispielsweise geben umfangreiche Hinweise zum Ermitteln medizinischer und therapeutischer Fachleute sowie von Einrichtungen zur Frühförderung.

Hinweise zur Elternarbeit

Für eine fundierte Sprachförderung im Kindergarten ist die Zusammenarbeit mit den Eltern unabdingbar. Für die Eltern sollte transparent sein, nach welchem Konzept und mit welchen Methoden sowie Materialien die ErzieherInnen arbeiten, welche sprachförderlichen Maßnahmen sie ergreifen und welche Themen sie aufnehmen. Auch Anregungen für die Eltern, wie sie die Förderung zu Hause weiterführen können, sind hilfreich. Außerdem ist ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Kindergarten und Elternhaus bezüglich aktueller Entwicklungen und Fortschritte des Kindes empfehlenswert. Für die Zusammenarbeit mit fremdsprachigen Eltern bieten sich zudem ergänzende Angebote wie z.B. Übersetzungshilfen, Hausbesuche,Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder auch in die jeweilige Muttersprache übersetzte Informationsbroschüren an.

Hinweise zu Beobachtungs- und Dokumentationsbögen

Eine Anleitung zur strukturierten, zielorientierten Beobachtung des Kindes und zur Dokumentation des aktuellen Entwicklungsstandes und der durchgeführten Fördermaßnahmen kann helfen, die allgemeine und sprachliche Entwicklung des Kindes wahrzunehmen und festzuhalten. Es geht darum, dass gezielte Beobachtungen systematisch dokumentiert werden und damit auch im Elterngespräch bzw. beim Übergang zur Schule präsent sind. Zu diesem Thema gibt es eigene Veröffentlichungen wie z.B. Lueger „Beobachtung leicht gemacht“ (2005) oder das kindergarten heute – spezial: „Kinder beobachten und ihre Entwicklung dokumentieren“ (2005).

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