Viele der Bundesländer haben eine wertvolle Ressource erkannt: das Erfahrungswissen, über das einzelne Einrichtungen verfügen. Konsultationskitas bieten den Erzieherinnen ein Forum zum fachlichen Austausch unter Kolleginnen. Die Autorin stellt dieses Konzept und seine Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit vor.
In zahlreichen Bundesländern sind in den letzten Jahren eine Reihe von Kindertagesstätten zu Fortbildungseinrichtungen aus der Praxis für die Praxis geworden. Sogenannte Konsultationskindertagesstätten entstanden öffentlich und nicht-staatlich initiiert. Länder, Trägerverbände oder große Träger haben bestimmte Einrichtungen systematisch als Stätten der kollegialen Qualifi zierung etabliert. Neben den offi ziell benannten Referenzeinrichtungen existieren auch zahlreiche Kindertagesstätten, die von sich aus Ansprechpartner für andere Kindertagesstätten, deren Träger sowie andere Interessierte sind. Sie verstehen sich selbst als Konsultationskindertagesstätten, ohne den Titel von anderer Stelle verliehen bekommen zu haben. In Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden vom Land Referenzeinrichtungen eingerichtet. Zu den nicht-staatlich initiierten Konsultationskindertagesstätten zählen beispielsweise die BASF-Konsultationseinrichtungen im Rahmen der Offensive Bildung. Diese Form der Praxisentwicklung wird in der Fachöffentlichkeit zunehmend als Modell wahrgenommen. Mehrere andere Bundesländer signalisieren Interesse bzw. sind bereits dabei, entsprechende Strukturen einzurichten. Die Rahmenbedingungen der Kindertagesstätten, denen eine herausgehobene Rolle zugewiesen wird und für die Fachentwicklung offenbar eine besondere Bedeutung hat, differieren sehr, genau wie die jeweiligen Profi le der Konsultationskindertagesstätten. Im Folgenden wird auf die offi ziell benannten Referenzeinrichtungen eingegangen.
Ziel der Benennung
Je nachdem ob die Konsultationseinrichtungen sich aus eigener Initiative oder mit Unterstützung ihres Trägers, Trägerverbandes oder des Landes herausgebildet haben, kann das jeweilige Hauptziel variieren, das mit der Einrichtung der Konsultationskindertagesstätten verfolgt wird.
Ein Aspekt, der bei der Benennung von Konsultationseinrichtungen von Bedeutung ist, ist die Auszeichnung guter Arbeit. Eine große Würdigung und Anerkennung einer professionell umgesetzten Konzeption oder eines besonders gut umgesetzten pädagogischen Schwerpunktes in der Arbeit mit Kindern kommt im Kindertagesstättenbereich selten vor. Die Belobigung hat demzufolge eine besondere Bedeutung.
Ein zweiter Aspekt ist die Vermittlung beispielhafter Konzepte und Ansätze. Das Erfahrungswissen, über das Erzieherinnen der Einrichtungen verfügen, kann für den pädagogischen Alltag anderer Kindertagesstätten äußerst wertvoll sein. Ein weiteres mit der Einrichtung von Referenzeinrichtungen verbundenes Ziel kann demzufolge sein, dass Einrichtungen, die sich mit ähnlichen Konzepten beschäftigen oder solche, die ein grundlegendes Interesse an der Thematik haben, wichtige Informationen und Anregungen von den Konsultationskindertagesstätten für die eigene pädagogische Praxis erhalten. Konsultationseinrichtungen ermöglichen es, guten Beispielen ein Forum zu geben, sodass andere Einrichtungen im Sinne der Weiterentwicklung eines eigenen Einrichtungsprofils davon profitieren können. Die alltägliche Kita-Praxis zeigt, dass bei der Umsetzung der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen bzw. der Bildungspläne des jeweiligen Bundeslandes neben regulären Fortbildungen ein erhöhter Unterstützungsbedarf auf der Handlungsebene existiert. Mit der Einrichtung von Konsultationskindertagesstätten kann die praktische Arbeit in den Kindertagesstätten im Rahmen von Fortbildung einen zentralen Stellenwert bekommen.
Auch der Vernetzungsgedanke kann für die Einrichtung von Konsultationseinrichtungen handlungsleitend sein. Netzwerke für Fachaustausch und Beratung existieren in den einzelnen Bundesländern häufig nicht in ausreichendem Maße. Die Schaffung einer langfristigen Praxisunterstützungsstruktur in Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern kann zielführend sein.
Auswahlverfahren
Das Auswahlverfahren und die diesem zugrunde liegenden Kriterien fallen sehr unterschiedlich aus, da sie auf den formulierten Zielsetzungen aufbauen und davon geprägt sind, wer die Auswahl trifft.
Staatlich initiierte Konsultationskindertagesstätten werden in der Regel in einer landesweiten Ausschreibung ermittelt. Die Auswahl erfolgt in einem offenen Wettbewerb. Eine Jury, die sich aus wichtigen Entscheidungsträgern zusammensetzt oder Verantwortliche in der Administration treffen nach einem Einrichtungsbesuch oder auf der Grundlage der Bewerbungsunterlagen die Auswahl. Neben den fachlichen Schwerpunkten bzw. der „vorbildlichen“ Arbeit kann bei der Auswahl die regionale Verteilung und die Beachtung der Trägerlandschaft (freie Träger, kommunale Träger) eine Rolle spielen. Es kann aber auch eine einfache Benennung zur Konsultationskindertagesstätte erfolgen, z.B. nachdem sich eine Einrichtung im Rahmen eines Projektes qualifiziert hat.
Zeitfaktor
Konsultationskindertagesstätten werden in der Regel aufgrund der begrenzten Fördermittel und der daraus notwendigen Prioritätensetzung nur für einen bestimmten Zeitraum benannt. Eine Option auf Verlängerung kann von vorneherein eingeräumt werden. Ein zeitlich begrenzt verliehener Konsultationsstatus gibt auch anderen Kindertagesstätten die Chance, Referenzeinrichtung zu werden. Zudem wird dadurch das Risiko verringert, dass nach einiger Zeit die Qualität, die die Einrichtung erbringen soll, nicht mehr gewährleistet ist. Sofern mit der Benennung der Referenzkindertagesstätten hauptsächlich das Ziel verfolgt wird, dass die Arbeit dieser Kindertagesstätte hervorgehoben und ausgezeichnet wird, ist eine Dauer von bis zu drei Jahren angemessen. Fällt der Zeitraum zu kurz aus, kann nicht ernsthaft von einer angemessenen Würdigung gesprochen werden. Bei einer zu langen oder zunächst unbegrenzten Vergabe des Titels „Konsultationskindertagesstätte“ müsste nach einiger Zeit geprüft werden, ob die Qualifikation für die Konsultationsarbeit immer noch gewährleistet ist. Konsultationskindertagesstätten, die beispielhafte Konzepte und Ansätze vermitteln, sollten auf jeden Fall für mehrere Jahre ausgewählt werden. In der Regel benötigt eine Einrichtung ein Jahr, bis sich herumgesprochen hat, dass hier wertvolle Informationen und Anregungen für die eigene pädagogische Praxis zu bekommen sind. Keinesfalls von Anfang an wird die Nachfrage beachtlich sein. Auch das Team und die Leitung der Referenzeinrichtung machen während dieser Zeit einen Weiterentwicklungsprozess mit. Ein Gespür dafür, was es heißt, Referenzeinrichtung zu sein, muss erst entwickelt werden. Konsultationsprozesse, wie z.B. die Gestaltung der Rolle als Gastgeberin und Weiterbildnerin, methodisches Vorgehen bei Fachnachmittagen, die Einschätzung von Arbeitszeit und Kosten müssen erst erlernt werden. Kenntnisse und Methoden der Erwachsenenbildung zu erwerben oder zu vertiefen ist Teil des Lernprozesses der Referenzeinrichtung. Bei Konsultationskindertagesstätten, die schwerpunktmäßig die Aufgabe haben, Netzwerke für Fortbildung und Beratung aufzubauen, sollte der Zeitrahmen am längsten sein, da diese Arbeit mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden ist.
Voraussetzungen
Alle Kindertageseinrichtungen, die Konsultationskindertagesstätten werden wollen, zeichnen sich durch vorbildliche Arbeit bzw. durch einen besonderen fachlichen Schwerpunkt aus, dessen Grundlage der Bildungsplan des jeweiligen Bundeslandes ist. Die Referenzeinrichtungen sollten über besondere Kompetenzen und Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen verfügen. Das kann von der Beobachtung und Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsfortschritten über die Integration von unter Dreijährigen in den Kindergarten bis hin zur Medienerziehung oder bis zur Konzeption des Übergangs von der Kindertagesstätte in die Grundschule reichen.
Das ganze Team sollte ein Interesse an der Benennung zur Konsultationseinrichtung haben. Erforderlich ist die Bereitschaft aller Teammitglieder, sich auf das Vorhaben einzulassen, sich dafür zu engagieren und darin eine Chance für einen persönlichen Fortschritt sowie die Weiterentwicklung der Einrichtung zu sehen. Die Einrichtungen sollen bereit und in der Lage sein, ihre Kindertagesstätte öffentlich zu präsentieren, ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben und ihre Arbeit auch kritisch hinterfragen zu lassen. Die Bereitschaft zur Mitwirkung an Fachtagen und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wird erwartet. Gleich welches Hauptziel bei der Benennung der Referenzeinrichtung im Mittelpunkt steht, Eltern und Träger sollten dies befürworten. Eltern sind in jedem Fall über die konzeptionellen Änderungen und die Planung zu informieren und auch der Träger sollte bereit sein, die Einrichtung aktiv bei der Erfüllung der Aufgaben einer Konsultationskindertagesstätte zu unterstützen. Personelle Ressourcen, Sachmittel und die mediale Ausstattung der Kindertagesstätte werden während der Zeit als Referenzeinrichtung eine wichtige Rolle spielen, insbesondere bei Konsultationskindertagesstätten, die einen Fachschwerpunkt vermitteln oder Knoten eines Netzwerks sein sollen. Je umfassender hier der Bestand ist, desto besser. In der Regel steht Geld zur Verfügung, um während der Zeit als Konsultationskindertagesstätte nachzurüsten.
Unterschiedliche Ausgestaltungsperspektiven
Die Referenzkindertagesstätten stehen anderen Erzieherinnen, Fachberatungen, Trägern, Kindertagespflegepersonen, Lehrern, Vertretern aus der Politik sowie weiteren Interessierten in unterschiedlichen Fortbildungs- und Informationskontexten zur Verfügung. Unter Darstellung der eigenen Praxis stellen sie ihr erworbenes Fachwissen multiplikatorisch bereit und geben damit anderen Unterstützung für die eigene Arbeit. Dies geschieht beispielsweise in Form von Hospitationen. Die Gäste können hier alleine oder in Kleinstgruppen dem Geschehen in der Konsultationskindertagesstätte für einige Zeit beiwohnen und dieses anschließend mit der Erzieherin besprechen, sich über das Erlebte austauschen und die Arbeit kritisch hinterfragen. Der Beratungsaspekt steht dabei durchgängig im Vordergrund. Ferner bieten die Konsultationskindertagesstätten in der Regel kollegiale Beratung an. Es wird hierbei von dem Grundgedanken ausgegangen, dass Menschen aus dem gleichen Arbeitsbereich die Kompetenzen besitzen, sich gegenseitig zu unterstützen. Impulse zur Veränderung bzw. Anregungen für die eigene pädagogische Praxis kommen also aus der Gruppe der Kolleginnen. Neben der Konsultationsarbeit in den Einrichtungen selbst wird von vielen Referenzeinrichtungen eine Vernetzung mit der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen angestrebt. Die Konsultationskindertagesstätten stehen außerhalb der eigenen Kindertagesstätte im Fortbildungsbereich zur Verfügung. Teil des Angebots sind beispielsweise Studientage, Fachtage, Seminare und Workshops. Die Kooperation mit Fachschulen oder Fachhochschulen ist in einigen Bundesländern Teil des übertragenen Auftrags sowie eine regionale Vernetzung mit Institutionen vor Ort. Die Referenzeinrichtungen helfen somit bei dem Aufbau eines Netzwerkes und der Vermittlung beispielhafter Konzepte. Mit der Übernahme dieser Aufgaben leisten die Konsultationseinrichtungen einen bedeutsamen Beitrag zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in den Kindertageseinrichtungen.
Auswirkungen der Arbeit als Konsultationskindertagesstätte auf das Team und die Kinder
Die Benennung zur Konsultationskindertagesstätte bringt für jede Einrichtung eine Reihe von Veränderungen mit sich, die alle Fachkräfte vor neue Herausforderungen stellen. Die Änderungen können sich in vielerlei Art und Weise als Vorteil erweisen, aber auch vereinzelt negative Auswirkungen nach sich ziehen. Die Verleihung des Status als Referenzeinrichtung und die Arbeit als solche führen in der Regel dazu, dass die Kindertagesstätten durch Nachfragen der Besuchergruppen ihre eigene Arbeit bewusster refl ektieren und dass die eigene Fachlichkeit gestärkt wird. Ein Kompetenzzuwachs, beispielsweise im Bereich der Erwachsenenbildung oder Öffentlichkeitsarbeit, kann verzeichnet werden. Positives Feedback, verbale Anerkennung und Lob der Gäste können eine Motivationssteigerung im Team hervorrufen. Ein „Nebeneffekt“ ist ein steigendes Interesse von Seite der Eltern und des Trägers an der Arbeit der Einrichtung. Die Kinder der Kindertagesstätte erlernen einen selbstverständlicheren Umgang mit Besuchern. Je nachdem wie viel Arbeit auf die Konsultationskindertagesstätte nach deren Benennung zukommt bzw. wie groß das Interesse und die Nachfrage von außen sind, sind die Zunahme von (Erfolgs-)Druck oder auch Belastungen des Teams beispielsweise durch Fehlen einer geeigneten Ersatzkraft denkbar. Zum „Auf-der-Strecke-Bleiben“ der eigenen pädagogischen Weiterentwicklung in anderen Themengebieten vermag es aufgrund des knappen Zeitkontingents kommen.
Sicher ist, dass für eine effektive Konsultationsarbeit die gute Organisation und Arbeit von Leitung und Team entscheidend sind. Als ein wichtiger Erfolgsfaktor zeigt sich, dass an geeignetes Ersatzpersonal gedacht werden muss. Hierbei sollten nicht nur die direkten Ausfallzeiten des Personals durch die Konsultationsarbeit bzw. die Konsultationsbesuche berücksichtigt werden, sondern auch Faktoren wie die Vor- und Nachberatungszeit. Weitere wichtige Aspekte für eine Erfolg versprechende Konsultationsarbeit sind klare Strukturen und Verantwortlichkeiten, ein gutes Personalmanagement und die Berücksichtigung der Konsultationsarbeit im Dienstplan. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei der Leitung der Einrichtung zu. Die Unterstützung von Seiten des Trägers ist unabdingbar und ein engagiertes und hinter der Konsultationsarbeit stehendes Team Voraussetzung. Aber auch Eltern und Kinder müssen in den Rahmen der Konsultationsarbeit integriert werden.