Konstruktive Konfliktlösung mit Kindern

Streit und Gerangel unter Kindern sind ein wichtiges individuelles Lernfeld. Bestimmte Methoden können dabei für Kinder wie Erzieherinnen äußerst hilfreich sein. Das „Palaverzelt“ ist ein Konzept, das sich speziell auch für Kinder im Vorschulalter bewährt hat.

Der Beitrag in 150 Wörtern

Die kindliche Lebenswelt ist ohne Konflikte nicht denkbar und auch nicht wünschenswert. Schon frühe Wissenschaftler wie Piaget, Sullivan oder Erikson haben die Bedeutung von Konflikten für die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern herausgestellt. Entscheidend für eine erfolgreiche Konfliktbewältigung ist jedoch die Art und Weise, wie mit der Auseinandersetzung umgegangen wird − eine besondere Herausforderung für pädagogische Fachkräfte. Anhand der Mediationsmethode „Palaverzelt“ lernen Erzieherinnen und Lehrer, wie sie konstruktiv in Konfliktsituationen zwischen Kindern reagieren können.

Auseinandersetzungen, Streit und Gerangel zwischen Kindern sind alltäglich und eine entwicklungspsychologische Notwendigkeit, um prosoziales Verhalten zu erlernen. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Thema „Konfliktbearbeitung in Kitas“ jedoch, wenn wiederholt übermäßig aggressives Verhalten, Böswilligkeit oder etwa Ausgrenzung im Spiel sind. Nach einer bundesweiten Studie der Universität Köln agiert jedes sechste bis achte Kind überdurchschnittlich aggressiv1 − ein ernster Befund. In einer anderen Untersuchung wurde beobachtet, dass die durchschnittliche Anzahl von Konflikten bei Vorschulkindern zwischen fünf bis acht pro Stunde liegt.2 Mit der Einrichtung von Kinderhorten, so berichten Erzieherinnen, habe die Konfliktbereitschaft unter Kindern deutlich zugenommen. Dies wird z.B. mit Stress und Leistungsdruck in der Schule sowie dem höheren Alter der Kinder in Verbindung gebracht.

Konflikte verstehen lernen

Wo liegt nun die Grenze zwischen bloßem Toben und spielerischem Kräftemessen auf der einen Seite und negativen Verhaltensmustern wie ausgrenzen, auslachen, Schläge androhen oder aggressiven Übergriffen auf der anderen Seite? Letztere erfordern das Eingreifen durch die Erzieherin, erstere unterstützen die Persönlichkeitsentwicklung der beteiligten Kinder. Pädagogisch betrachtet reicht es nicht aus, unerwünschtes Verhalten von Kindern nur zu korrigieren. Fast immer haben starke, ungesteuerte Aggressionen Gründe.

Das folgende Beispiel von Metzinger illustriert dies eindrucksvoll:

Die dreijährige Lisa und die vierjährige Gabi spielen in der Puppenecke im Kindergarten. Lisa kocht Mittag und Gabi soll es essen. Nachdem Gabi sich weigert, das Gekochte zu essen, ohrfeigt Lisa sie. Auf Nachfrage der Erzieherin antwortet Lisa, dass sie zu Hause eine Ohrfeige bekäme, wenn sie nicht essen wolle3.

Diese kleine Begebenheit führt uns vor Augen, wie bedeutsam es für das Verständnis eines Konflikts ist, nachzufragen.

Die zunehmende Pluralität und Komplexität familiärer Lebensformen können – durchaus naheliegende – Faktoren für die Konfliktbereitschaft von Kindern sein. Statistisch gesehen wächst jedes vierte Kind in einer Ein-Kind-Familie auf und macht keine Geschwistererfahrungen mehr. Jedes fünfte Kind lebt bei einem allein erziehenden Elternteil, wobei das Rollenvorbild des anderen Elternteils häufig verloren geht. Für andere Kinder wiederum bildet der Rollenübergang in eine sogenannte Patchwork-Familie ein Unsicherheitspotenzial. Hinzu kommen gesellschaftliche Phänomene wie ein hoher Migrantenanteil mit dem Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen und Umgangsformen. In zahlreichen traditionell orientierten Kulturen besetzt der Vater die Position der Familienautorität, was das unterschiedliche Selbstbild von Jungen und Mädchen entscheidend prägt. Die Liste von Faktoren, die Einfluss auf die Konfliktbereitschaft von Kindern im Kita- und Grundschulalter haben, ließe sich ohne weiteres ausweiten.

Eine kindliche Lebenswelt ohne Konflikte?

Eine Lebenswelt ohne Konflikte jedoch ist nicht denkbar und auch nicht wünschenswert, weder für Erwachsene noch für Kinder. Schon frühe Wissenschaftler wie Piaget, Sullivan oder Erikson haben die Bedeutung von Konflikten für die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern herausgestellt. Durch Auseinandersetzungen lernen Kinder, Sichtweisen anderer zu verstehen, moralische Werte aufzubauen und prosoziale Verhaltensweisen zu entwickeln. Gleichzeitig gelten Konflikte als Antriebskraft für Entwicklungsveränderungen sowie den Abbau des kindlichen Egozentrismus4. Die Frage ist nur, wie adäquat der Einzelne damit umzugehen weiß. Bereits ab dem dritten Lebensjahr können Kinder die Wünsche anderer Personen wahrnehmen; ab dem vierten Lebensjahr erkennen sie die Absichten anderer und deren Auswirkungen auf ihr eigenes Handeln. In der Phase zwischen drei und sechs Jahren entwickeln Kinder soziale Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Kooperation, Kommunikation und die Akzeptanz von Werten. Soziales Verhalten erlernen Kinder vorwiegend am Modell.5 Diese entwicklungspsychologische Einsicht unterstreicht die herausragende Rolle vor allem von Eltern, aber auch von pädagogischen Fachkräften, für die Förderung einer positiven Konfliktkultur der Kinder. Insofern sollten Erzieherinnen pädagogisch reflektierte und konstruktive Konfliktlösungsmethoden kennen und auch praktizieren.

Grundsätze einer konstruktiven Konflikterziehung

Fallbeispiel: Jannes und Julia

Jannes (5,3 Jahre) bringt fast täglich kleine Spielzeugautos mit in den Kindergarten. Mit vier anderen Kindern baut er häufig Landschaften, Häuser und Straßen auf dem Bauteppich. Dort werden auch seine Spielzeugautos eingesetzt. Julia (5,9 Jahre) ist begeistert von den Autos, und manchmal darf sie auch mitspielen. Seit einiger Zeit fehlt beim Aufräumen immer wieder ein Auto von Jannes. Sie lassen sich nicht finden. Seine Eltern verbieten ihm deshalb, weitere Autos mit in den Kindergarten zu nehmen. Das findet er überhaupt nicht gut. Heimlich schaut er in die Eigentumsfächer der anderen Kinder. Dort findet er tatsächlich alle seine Autos wieder – in Julias Fach. Er stellt Julia zur Rede; diese weint und versteckt sich unter dem Tisch. Jannes erzählt den Vorgang der Erzieherin. (Auflösung ab S. 12)

Bei unseren Mediationsausbildungen warfen Erzieherinnen, Kitaleiterinnen und Pädagoginnen häufig die Frage auf, wie sich die Grundsätze konstruktiver Konfliktbearbeitung denn im Vorschul- und Elementarbereich umsetzen ließen. Unsere Recherchen ergaben, dass die meisten Konfliktlösungsprogramme erst bei Schülern der Sekundarstufe I ansetzen, einige wenige in der Grundschule.

Bislang lösen Erzieherinnen Konflikte zwischen Kindern überwiegend intuitiv, meist indem sie am Verhalten der Kinder ansetzen und deren Verhalten korrigieren. Sie vermissen eine einsetzbare Methode, um in Streitsituation zwischen Kindern pädagogisch konstruktiv reagieren zu können.

Der Ansatz bisheriger Programme zur Gewaltprävention

Verbreitet in Kitas und Grundschulen ist bisher das Programm „Faustlos“, ein Kurs zur Gewaltprävention.6 Die Methode hat jedoch nicht den Anspruch, auf konkrete Konfliktsituationen zwischen Kindern zu reagieren, sondern setzt mit einem umfangreichen Leitfaden oder Lehrwerk (Curriculum) auf der Ebene der Vorbeugung an. An zahlreichen weiterführenden Schulen hingegen werden Kinder als „Konfliktlotsen“ oder „Streitschlichter“ ausgebildet.7 Sie erlernen die Mediationsmethode, um Streitsituationen zwischen Schülern einer ähnlichen Altersstufe zu schlichten. Diese sogenannte Peer-Mediation ist in Deutschland mittlerweile in Haupt-, Realschulen sowie Gymnasien flächendeckend verbreitet. Sie eignet sich aufgrund unserer Erfahrungen jedoch nicht für die Entwicklungsstufe von Kindergartenkindern, sondern frühestens ab der dritten Klasse.

Das „Palaverzelt“ – ein neuer Ansatz – auch für die Kita

Aus diesem Defizit wurde die Idee geboren, ein konstruktives Modell der Konfliktbearbeitung für Kita und Grundschule zu entwickeln. Uns ging es darum, den Kindern schon möglichst frühzeitig in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung ein positives und gewaltfreies Konfliktverhalten zu vermitteln. Jeder weiß, dass die Basis sozialen Verhaltens schon im Kindergartenalter geprägt wird. Kinder sollen erfahren, dass es bei einem Streit fast immer eine Lösung gibt. Außerdem sollen sie lernen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und ernst zu nehmen, aber gleichzeitig auch die Wünsche des anderen Kindes zu respektieren. Für uns sind dies elementare Grundsätze einer konstruktiven Konflikt- und Friedenserziehung. Ein Ziel war es, Kindern damit eine stabile Basis für ihr gesamtes Leben zu vermitteln, um Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg zu gehen oder mit Gewalt zu reagieren, sondern Streitsituationen anzugehen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Dabei soll keine autoritäre Konfliktlösung durch Eltern, Erzieherinnen oder Lehrer vorgegeben werden, sondern die Kinder werden entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife aktiv in den Prozess der Konfliktlösung einbezogen. Ein weiterer Fokus lag darauf, Erzieherinnen in ihrer Vorbildfunktion zu stärken. Die meisten von uns haben im Lauf ihres Lebens bestimmte Muster entwickelt, auf eigene Konflikte oder Auseinandersetzungen anderer zu reagieren. Das Spektrum reicht von defensiv abwartend oder Konflikt vermeidend bis zu offensivem Intervenieren. Dabei spielt die eigene Sozialisation und Persönlichkeit eine entscheidende Rolle. Die wenigsten haben konstruktives Konfliktverhalten in der Schule oder an der Universität gelernt. Diese Lücke wollten wir füllen und für Erzieherinnen ein Konzept für pädagogisch sinnvolles Konfliktverhalten ausarbeiten. In zweijähriger Entwicklungsarbeit entstand das Programm „Palaverzelt“, das diese Kriterien erfüllt und von einem Team von Erzieherinnen, Kitaleiterinnen und Studierenden der Ostfalia Hochschule unter wissenschaftlicher Leitung des Autors entwickelt wurde. In einer einjährigen Pilotphase wurde das Konfliktritual an neun Kitas und mehreren Grundschulen im Raum Braunschweig/ Wolfenbüttel/Wolfsburg erprobt, evaluiert und kontinuierlich den Bedürfnissen von Kindern, Erzieherinnen und Lehrern angepasst. (siehe Kasten)

Konfliktauslöser kennen und Bewältigungsstrategien entwickeln

Kinder streiten sich um Spielsachen, um den ersten Platz in der Reihe, darum, wer mitspielen darf. Wissenschaftler haben sich heutzutage davon entfernt, Konflikte nur als etwas Negatives zu betrachten, die es gilt, möglichst schnell zu beseitigen (negativer Konfliktbegriff).10 Vielmehr wird anerkannt, dass Konflikte in der kindlichen Sozialisation einen wichtigen Motor sozialer und kognitiver Entwicklung bilden (positiver Konfliktbegriff). Nach einer Studie von Dittrich/Dörfler/Schneider11 lassen sich acht typische Konfliktauslöser unter Kindergartenkindern beobachten:

  • Regeln einfordern oder sicherstellen
    Bsp.: Streit um die Reihenfolge beim Würfeln
  • Streit um Platz, Material, Spielgerät
    Bsp.: „Du hast schon die ganze Zeit mit den Autos gespielt. Jetzt bin ich dran.“
  • Andere ärgern oder provozieren
    Bsp.: „Du traust dich ja gar nicht vom Baum zu springen.“
  • Streit um Positionen, Rollen oder Rangfolgen
    Bsp.: „Immer drängelst du dich vor.“
  • Spielimmanente Störungen (Spielidee oder Rolle)
    Bsp.: „Ich will jetzt aber endlich Super Mario spielen.“
  • Territoriale Übergriffe
    Bsp.: „Geh weg. Ich habe immer neben Karina gesessen.“
  • Aus Spaß wird Ernst
    Bsp.: Aus gegenseitigem Spritzen mit der Wasserpistole wird eine Volldusche.
  • Sich einmischen, handeln für andere
    Bsp.: „Ich weiß aber genau, wie man mit dem Rechner umgeht. Lass mich mal.“

Durch Beobachtung und Nachahmung übernehmen Kinder von Erwachsenen Strategien der Konfliktbewältigung. Diese können destruktiv oder konstruktiv sein.

  • Destruktive Haltungen sind körperliche Bestrafungen, häufiges oder willkürliches Strafen, das auf der Überlegenheit des Erwachsenen beruht, aber auch ein Laissez-faire Stil, der Kindern keine Orientierung bietet.
  • Eine konstruktive Haltung hingegen nimmt Kinder und ihre Bedürfnisse ernst, vermittelt zwischen ihren unterschiedlichen Interessen und beteiligt die Kinder angemessen an der Entscheidungsfindung.

Häufig besteht die Tendenz bei Erwachsenen, kindliche Konflikte möglichst rasch zu beenden. Meist wird ein Schuldiger „identifiziert“, der Anweisungen bekommt, wie er sich benehmen soll oder bestraft wird. „Du sollst nicht immer deine Schwester ärgern.“ Oder: „Gib das zurück und nimm eine Auszeit.“ Die Intervention des Erwachsenen erfolgt häufig vorschnell und lässt den Kindern wenig Raum, sich zu äußern und sich an einer Lösungsfindung zu beteiligen. Die Intervention beruht auf Autorität und wird lenkend-direktiv genannt. Vorteilhaft ist dabei, dass der Streit schnell beendet wird. Der Nachteil ist, dass Kinder nicht nachhaltig soziales Verhalten lernen und erst auf Strafandrohung reagieren. Am anderen Ende des Spektrums stehen Erwachsene, die Kinder in Konfliktsituationen sich selbst überlassen. Dahinter steht die Einstellung, dass Kinder ihre Auseinandersetzungen schon selber regeln können. Das kann je nach Alter der Kinder, besonders im Kindergartenalter, eine komplette Überforderung der Kinder sein. Als Konsequenz kann es dazu führen, dass sich „der Starke“ durchsetzt und „der Schwächere“ unterliegt. Diese Haltung kann als Laissez-faire Stil bezeichnet werden. Geboten ist vielmehr, Kinder in schwierigen Situationen zu unterstützen, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und sie an der Lösungsfindung zu beteiligen. Der Konflikt soll ihnen nicht abgenommen werden, dennoch ist ein Erwachsener da, der sie unterstützt. Diese Kriterien entsprechen den Ansätzen der Mediation, der gewaltfreien Kommunikation und dem neu entwickelten Konfliktritual „Palaverzelt“.

Das Ritual „Palaverzelt“ in die Praxis umsetzen

Das „Palaverzelt“ ist eine Methode der Konfliktbearbeitung, die Erzieherinnen und Lehrer bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen Kindern anwenden können. Ohne ihnen den Konflikt aus der Hand zu nehmen, spielt die Erzieherin mit den Kindern die fünf Phasen des Rituals durch. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Kinder Spaß an dem Ritual haben, weil es verschiedene spielerische Elemente enthält und die Kinder aktiv einbezieht. So wird die Schwere aus dem Konflikt herausgenommen. Und fast in jeder Situation führt das „Palaverzelt“ zu einer Einigung, mit der die Kinder zufrieden sind. Ein Ritual nimmt etwa 10 – 15 Minuten in Anspruch. So lässt sich das „Palaverzelt“ problemlos in den Alltag einer Kita oder in den Pausen in der Grundschule einsetzen. Bewährt hat es sich, wenn pädagogische Hilfskräfte, etwa entsprechend geschulte Eltern, Studierende oder Senioren circa zweimal wöchentlich eine „Palaverzeltstunde“ anbieten, um mit den Kindern die aufgelaufenen Konflikte zu bearbeiten. Das „Palaverzelt“ ist vom Prinzip her eine spielerische Umsetzung der Mediationsmethode und besteht aus fünf Phasen, die in der folgenden schematischen Darstellung zusammen gefasst sind:

Vorbereitung:
Die Erzieherin erläutert kurz den Anlass für das Konfliktritual, erklärt den Weg bis zur Einigung und macht die Kinder mit den Gesprächsregeln vertraut.

1. Streitgeschichten erzählen

In der ersten Phase darf jedes Kind aus seiner Sicht erzählen, wie es zu dem Streit gekommen ist. Hier wird der Sprechball eingesetzt.

2. Gefühle beschreiben

Die Kinder erhalten die Delfinkarten, die Gefühle/Emotionen ausdrücken. Sie suchen sich die Karten aus, die zu ihren Emotionen passen. Mit Hilfe der Anleiterin beschreiben die Kinder ihre Gefühle.

3. Wünsche äußern

In dieser Phase lenkt die Erzieherin auf die Bedürfnisebene. Nun werden die Kinder gefragt, welche Wünsche sie haben, um den Streit zu beenden. Die Wunschsymbole kommen zum Einsatz.

4. Lösungen sammeln

Hier wird ein kreativer Prozess der Ideenfindung angeregt und die Kinder werden nach Lösungsvorschlägen gefragt. Für jede Idee erhält das Kind eine Ideenkarte.

5. Sich einigen und Frieden schließen

Am Schluss steht der Einigungsprozess. Wenn die Kinder eine Einigung erreicht haben, können sie sich eine Friedenstaube aussuchen und als Symbol ihrer Versöhnung ihre Namen darauf schreiben.

Zum Fallbeispiel: Jannes und Julia

Die Erzieherin schlägt Jannes und Julia das „Palaverzelt“ vor, um dort über die Vorkommnisse zu sprechen und eine Lösung zu finden. Beide Kinder sind einverstanden. Sie sind mit dem „Palaverzelt“ schon vertraut. Zunächst erläutert die Mediatorin die Gesprächsregeln und den Ablauf anhand des Phasenrades. Beim „Erzählen der Streitgeschichten“ stellt sich heraus, dass Julia lieber mit Autos spielt als mit Puppen oder „Mädchensachen.“ Ihre Eltern wollen ihr aber keine Autos schenken. Sie spielt gerne mit den Jungen auf dem Bauteppich. Jannes ärgert sich darüber, dass seine Autos verschwunden waren und er jetzt keine mehr mit in die Kita bringen darf. Julia betont, dass Kinder nicht in die Fächer anderer Kinder schauen dürfen. Anhand der Delfinkarten sprechen die zwei über ihre Gefühle: Jannes fühlt sich ärgerlich und gleichzeitig verletzt; Julia legt die Delfine vor sich hin, die ausdrücken, dass sie sich alleine, verlegen und unglücklich fühlt. Anschließend verlangt Jannes seine Autos wieder zurück und dass Julia die Autos nur noch nimmt, wenn er es erlaubt. Julia wünscht sich, wieder mit den Jungen auf dem Bauteppich mit Autos spielen zu dürfen und ab und zu mal ein Auto von Jannes mit nach Hause nehmen zu können. Sie legen jeweils zwei Wunschmuscheln vor sich. Auf dieser Basis kommen Jannes und Julia zu der Lösung, die Autos zurückzugeben (Julia) und wieder zusammen zu spielen. Julia entschuldigt sich bei Jannes und darf ab und an mal ein Auto mit nach Hause nehmen, wenn sie vorher fragt und Jannes es ihr erlaubt. Mit der Einigungsklingel und ihren Namen auf der Friedenstaube besiegeln sie ihre Einigung. Auf Wunsch von Julia wird die Erzieherin gelegentlich mit den Eltern über Julias Vorlieben für Spielzeug sprechen.

Fazit

In einem Umfeld, das stark durch Medien mit Gewaltszenen (Computerspiele, Filme und Zeitschriften) geprägt ist, kommt der Familie, dem Kindergarten und der Schule eine entscheidende Sozialisationsfunktion zu, um ein Gegengewicht zur zunehmenden Gewaltbereitschaft zu bilden. Konflikt- und Friedenserziehung zielen darauf, Kinder dabei zu unterstützen, zu sozialen Menschen heranzureifen. Kindern soll demonstriert werden, dass es konstruktive Wege gibt, um Konflikte zu lösen, anders als durch Drohung, Gewalt oder Autorität. Das „Palaverzelt“ ist ein innovatives Konfliktlösungsritual, das neue Methoden pädagogisch sinnvoller Konfliktbewältigung vereint, wie Elemente der Mediation und der gewaltfreien Kommunikation. Es stärkt die Konfliktlösungskompetenz von Erzieherinnen und Lehrern und bietet für Kinder eine solide Grundlage, um soziale Fähigkeiten – auch für ihr späteres Leben – zu erwerben.

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