Gewerkschaft, Berufsverband und MitarbeitervertretungWer macht sich stark für Sie als Fachkraft?

Wer etwas verändern will, muss sich organisieren und braucht Unterstützung. Was die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband bringt und welche Aufgaben Personalrat bzw. Mitarbeitervertretung haben, darüber informiert der folgende Beitrag.

Wie Erzieherinnen sich öffentlich Gehör verschaffen können, zeigte sich in beeindruckender Weise bei den Streiks 2009: 17 Tage lang gingen pädagogische Fachkräfte in vielen deutschen Städten auf die Straße. Und 2011 demonstrierten Tausende Erzieherinnen in sechs Bundesländern, um die Einführung eines Tarifvertrags zur betrieblichen Gesundheitsförderung anzumahnen. Die Situation der Mitarbeiterinnen in Jugendhilfeeinrichtungen hat sich in den letzten Jahren deutlich verschärft. Wollen Erziehungskräfte diese Situation verändern, für sich und die zu betreuenden Kinder Verbesserungen herbeiführen, müssen sie sich organisieren. Dazu bieten sich mehrere Möglichkeiten:

  1. Sie suchen selber Verbündete. Das ist jedoch kein einfaches Unterfangen und die Anzahl einer Gruppe privat organisierter Menschen wird kaum reichen, um Veränderungen herbeizuführen.
  2. Sie treten einem Berufsverband bei. Der leistet Lobbyarbeit und vertritt Ihre Interessen.
  3. Sie werden Mitglied in einer Gewerkschaft.

Was die Gewerkschaften leisten

Zunächst und in erster Linie vertreten Gewerkschaften die Interessen ihrer Mitglieder. Konkret zeigt sich das in den unterschiedlichsten Leistungen, die nicht alle gleichermaßen bekannt sind. Es handelt sich dabei um:

  • Berufshaftpflicht: Bei Ihrer pädagogischen Arbeit kann leicht mal etwas passieren: Sie könnten z. B. den teuren Generalschlüssel verlieren (Sachschaden) oder ein Kind kann vom Klettergerüst fallen (Personenschaden). Hier wie auch bei Vermögensschäden springt die Berufshaftpflichtversicherung Ihrer Gewerkschaft ein. Sie ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
  • Rechtsschutz: Sollte es einmal zu Streitigkeiten kommen, die im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit entstanden sind, bieten Gewerkschaften ihren Mitgliedern Beratung und Rechtsschutz an. Der Rechtsschutz wird für zivil-, arbeitsrechtliche und strafrechtliche Angelegenheiten gewährt. Sollten Sie falsch eingruppiert worden sein, mit Eltern aneinandergeraten oder eine Beurteilung erhalten, die nicht Ihren Leistungen entspricht: Die Gewerkschaft bietet in einem bestimmten Rahmen Rechtsschutz oder erstattet Beiträge zur Finanzierung eines Rechtsanwalts.
  • Tarifverhandlungen: Gewerkschaften setzen sich dafür ein, dass Ihr Gehalt regelmäßig angepasst wird. Seit Oktober 2005 gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Die Gewerkschaften haben sich das Ziel gesetzt, für eine bessere tarifliche Eingruppierung der Erzieherinnen in der Bezahlungsordnung zu sorgen. Wenn überhaupt, dann verfügen nur Gewerkschaften über genügend Einfluss, um Korrekturen am Tarifsystem zu erreichen. Ebenso setzen sie sich für eine Neuregelung der Altersteilzeit und angemessenen Gesundheitsschutz ein.
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz: Die Arbeit von Erzieherinnen in Kitas ist mit gesundheitlichen Belastungen verbunden. Außerdem wurde in Untersuchungen festgestellt, dass diese Berufsgruppe ganz besonders unter Stressfaktoren leidet. Die Gewerkschaften konnten dafür sorgen, dass seit November 2009 die betriebliche Gesundheitsförderung geregelt ist. Mithilfe dieser tariflichen Regelung können Sie an Ihrem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung beantragen.
  • Fortbildung und Fachtagungen: Anliegen aller Gewerkschaften ist es, die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitglieder zu sichern. Deshalb bieten sie selber Fortbildungen an, organisieren Fachaustausch und Möglichkeiten, mit anderen Verbänden und gesellschaftlichen Gruppierungen Aktionen zu planen (z.B. „Mehr Männer in Kitas“, „Profis für die Kita“). Auf Kongressen und Akademieveranstaltungen können Sie mit anderen Kolleginnen in Kontakt kommen und sich landes- oder bundesweit austauschen.
  • Publikationen: Als Gewerkschaftsmitglied werden Sie durch Mitgliederzeitschriften und andere Publikationen regelmäßig und umfangreich über alle Ihren Beruf betreffenden Belange informiert. Viele wichtige Broschüren können Sie über das Internet abrufen (GEW: Index für Inklusion, Erzieherinnen verdienen mehr; www.gew.de/Publikationen_Kita.html und ver.di: Zukunft der Bildung, zum Thema Streik: unser gutes Recht; www.verdi. de/biwifo/tarifpolitik und KEG [Katholische Erziehergemeinschaft]: Diskussionspapier zur inklusiven Bildung, Elternforum; www.kegbayern.org/KEG-D/ und VkM [Verband kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter]: keine Angaben zu Publikationen).

Vereinzelt bieten Gewerkschaften auch Krankenversicherungen (nicht im Beitrag inbegriffen), Reiseveranstaltungen, Lohnsteuerhilfen und andere Dienste an.

Chancen einer Mitgliedschaft

Um sich Gehör zu verschaffen, brauchen Sie eine Organisation, die Sie dabei unterstützt. Als Gewerkschaftsmitglied haben Sie eine durchsetzungskräftige Interessenvertretung, können diese auch selbst mitgestalten und dadurch Einfluss nehmen. Gemeinsam mit zahlreichen Verbündeten können Sie sich gegen die Absenkung der Standards in Kitas und gegen eine mangelhafte Tarifpolitik wehren. Allein und auch im Verbund mit den Eltern sind Sie nicht in der Lage, umfangreiche Verbesserungen politisch durchzusetzen. Wenn es Ihnen um mehr als eine fachliche Auseinandersetzung geht, wenn Sie auch an tarifrechtlichen Aspekten interessiert sind, dann sollten Sie sich informieren, welche Gewerkschaft für Sie die richtige wäre. Wo haben Sie die Möglichkeit, aktiv in einer Fachgruppe mitzuarbeiten? Wer bietet interessante Fachforen an? Wie hoch sind die Mitgliedsbeiträge? Welche Gewerkschaft schafft es, im politischen Umfeld ausreichend gehört zu werden?
Streng genommen setzt der Beruf der Erzieherin auch ein gesellschaftspolitisches Engagement voraus. Von daher dürfte es eine unpolitische Erzieherin eigentlich gar nicht geben. Schließlich vermittelt sie den Kindern auch, dass Einmischung notwendig ist und sich Partizipation nicht auf das Auswählen des Spielzeugs beschränkt. Es geht aber auch um Solidarität: Von den Tariferhöhungen und anderen Verbesserungen, die die Gewerkschaften durchsetzen, profitieren schließlich alle. Und nicht zuletzt stehen Sie als Gewerkschaftsmitglied auch versicherungstechnisch gut da.

Kritisch zu bedenken

Als Mitglied einer Gewerkschaft sollten Sie eine gewisse Bereitschaft mitbringen, aktiv mitzuarbeiten und sich zu engagieren. Das erfordert natürlich Zeit. Auch sollten Sie wissen, dass die Beiträge relativ hoch sind (was natürlich eine Frage der Sichtweise ist). Letztlich müssen Sie selbst entscheiden, ob das Preis- Leistungsverhältnis für Sie stimmt. Die Auswahl an gewerkschaftlichen Vertretungen ist leider nicht groß. Außerdem hängt es nicht selten von der Region ab, in der Sie aktiv sind bzw. werden wollen, welche Gewerkschaft für Sie die richtige ist.

Was die Berufsverbände leisten

Berufsverbände unterscheiden sich von Gewerkschaften im Wesentlichen darin, dass sie keine Tarifverträge abschließen können. Sie sind Interessenvertretungen (privatrechtliche Körperschaften), die sich für die beruflichen Interessen ihres Berufsstandes einsetzen. Ausgehend davon, dass eine Einzelperson oder die wenigen Mitarbeiterinnen einer kleinen Institution nur in geringfügigem Maße in der Lage sind, ihre Interessen gegenüber dem Träger, dem Vorgesetzten oder der Politik zu vertreten, werden die Interessen von Erzieherinnen, sozialpädagogischen Assistentinnen, Sozialpädagogen und anderen pädagogischen Fachkräften gebündelt und nach Möglichkeit durchgesetzt. Vorrangige Ziele der Berufsverbände sind:

  • Weiterentwicklung ihres Profils
  • Konkretisierung der Umsetzung des Bildungsauftrags
  • Unterstützung von Erzieherinnen bei der Umsetzung bildungsrelevanter Themen in die Praxis
  • Förderung der Professionalität
  • Qualitätssicherung und -entwicklung
  • Fort- und Weiterbildung
  • Fach- und Praxisberatung
  • Begleitung von Veränderungsprozessen
  • fachliche Vertretung von Finanzierungs- und Rechtsfragen
  • fachliche Vertretung der Belange der ev. Kindertageseinrichtungen im sozialpolitischen Bereich
  • Initiierung von Modellprojekten
  • Schaffung bundesweiter Richtlinien und Rahmenbedingungen für eine sinnvolle und effektive Ausbildung und Arbeit.

Manche Berufsverbände bieten auch Supervision, Mediation und Coaching zu günstigen Preisen an. Alle Berufsverbände geben Publikationen oder Newsletter heraus, um ihre Mitglieder fortlaufend und aktuell zu informieren. Sie greifen aktuelle Themen auf und publizieren diese oder beraten sie in überregionalen und regionalen Konferenzen und Arbeitskreisen. Es gibt auch Vernetzungskampagnen und die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch.

Wie wichtig Berufsverbände und Gewerkschaften sind und wie erfolgreich sie arbeiten können, zeigt u. a. die Initiative „Profis für die Kita“, die von Gewerkschaften und Berufsverbänden 2005 initiiert wurde. Am „Runden Tisch“ wird beraten, wie der Beruf der Erzieherin attraktiv dargestellt werden und wie man mehr gut ausgebildete Erzieherinnen, Frauen und Männer Ü40, Pädagogen mit Migrationshintergrund und Männer gewinnen kann. Thematisiert werden dabei auch Probleme wie die lange Ausbildung, die in keinem Verhältnis zur schlechten Bezahlung, der hohen Verantwortung und den mitunter schlechten Beschäftigungsverhältnissen steht.

Chancen einer Mitgliedschaft

Mithilfe der Berufsverbände kann ein Willensbildungsprozess initiiert und die Öffentlichkeit aufgeklärt werden. Pädagoginnen werden in die Lage versetzt, immer auf dem neusten Stand der Fachwissenschaft zu sein, und können Einfluss nehmen. Welcher Verband Ihre „Heimat“ werden könnte, müssen Sie entscheiden. Einen Überblick der wichtigsten Fachverbände und Interessenvertretungen (mit kurzen Angaben zu Zielen und Aufgaben) finden Sie in der Fachzeitschrift ‚Das Leitungsheft‘, Ausgabe 1/2009, S. 12-14. Dort sind folgende Berufsverbände und Gewerkschaften noch nicht aufgeführt:

  • Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland (aeed) Kontakt: www.aeed.de <http:> </http:>
  • Progressiver Eltern- und Erzieherinnenverband e.V. Kontakt: www.pevnw.de n Gewerkschaft Kirche und Diakonie (GKD): www.gkd-berlin.de <http:></http:>
  • Verband kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vkm): www.vkm-bayern.de <http:></http:>

Was Personalrat / Mitarbeitervertretung (MAV) / Betriebsrat leisten

„Der Betriebsrat ist die demokratisch legitimierte Vertretung der Arbeitnehmerinnen gegenüber ihrem Arbeitgeber. Beide müssen vertrauensvoll zum Wohle der Beschäftigten und der Einrichtung zusammenarbeiten. In der Regel geschieht dies durch regelmäßige Sitzungen, in denen strittige Fragen geklärt werden. Der Betriebsrat wird beteiligt, wenn es um Kündigungen geht, kann helfen, wenn eine Abmahnung ins Haus steht oder der Arbeitsplatz verändert werden soll. Auch in Fragen der Fortbildung oder der Einhaltung der Ruhepausen wird der Betriebsrat gehört. Der Gesetzgeber formuliert das in § 68 LPVG so: Die Personalvertretung hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. Maßnahmen, die innerdienstlichen, sozialen, persönlichen Belangen der Angehörigen der Dienststelle dienen, zu beantragen,
2. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge [...] durchgeführt werden [...].
Außerdem wird der Betriebsrat über alle die Beschäftigten betreffenden Belange umfassend informiert. Der Arbeitgeber ist gezwungen, sich die Meinung des Betriebsrates anzuhören und mit den gewählten VertreterInnen Veränderungsvorschläge zu erörtern. In kirchlichen Einrichtungen sind die Aufgaben der Mitarbeitervertretung

  • Anhörung und Mitberatung
  • Vorschlagsrecht
  • Zustimmungserfordernis
  • Antragsrecht.“

aus: Stamer-Brandt, Petra (2003): Arbeits- und Tarifrecht für Erzieherinnen. kindergarten heute. basiswissen kita. Verlag Herder, Freiburg.

Chancen einer Kandidatur

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Personalrätin ist es eine lohnenswerte Aufgabe, in Personalrat oder Mitarbeitervertretung mitzuwirken. Sie können auf bestimmte Bereiche, die die Arbeit der Kolleginnen betreffen, Einfluss nehmen und werden in der Regel über alle Belange des Arbeitsplatzes informiert. Um diese Arbeit leisten zu können, werden Sie je nach Anzahl der Mitarbeiter der Einrichtung für die personalrätliche Tätigkeit freigestellt. Der damit verbundene Arbeitsaufwand ist sicherlich größer, als eine Freistellung es hergibt. Dennoch lohnt er sich. Sie setzen sich als Bindeglied zwischen Vorgesetzten und Kolleginnen ein. Das ermöglicht Ihnen einen guten Einblick in Ihren Arbeitsbereich. Sie lernen, diplomatisch und manchmal auch pragmatisch zu verhandeln und dabei unterschiedliche Interessen im Blick zu haben. Und Sie qualifizieren sich für eine Leitungsfunktion. Wenn Sie Interesse an einer Aufstellung für die Mitarbeitervertretung haben, sollten Sie in gutem Kontakt zu den Kolleginnen und Vorgesetzten stehen und bereits über ein gutes Maß an Verhandlungsgeschick und Diplomatie verfügen.

Kritisch zu bedenken

Die Tätigkeit als Personalrat bzw. MAV erfordert einen zeitlichen Aufwand, der von Ihrer pädagogischen Arbeit abgeht, auch wenn der Arbeitgeber Sie hierfür freistellen muss. Personalvertretung bedeutet auf jeden Fall Engagement über die normale Dienstzeit hinaus und Verschiebung Ihres Aufgabengebietes - auch hin zu mehr Verwaltungsarbeit. Als Personalrat lässt es sich nicht vermeiden, dass man bisweilen zwischen allen Stühlen sitzt und Vorgesetzte oder Kolleginnen enttäuschen muss, weil nicht alle Erwartungen durchzusetzen sind. Das muss man aushalten können. Ebenso den Vorwurf, auf der Karriereleiter aufsteigen zu wollen. Das ist zwar nicht das eigentliche Ziel der Arbeit und auch nicht logische Folge, aber wenn diese Aufgabe für eine Leitungsfunktion qualifiziert, dann sollte diese Chance auch genutzt werden. Das ist legitim.

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