Ein Bericht aus der PraxisBeobachten und dokumentieren nach 'infans'

Innerhalb einer trägerübergreifenden Qualifizierungsoffensive haben sich die Fachkräfte der Kita Eckenhof bei der Umsetzung des Orientierungsplans anhand des infans-Konzeptes weitergebildet. Beständig wird der Prozess reflektiert, überprüft, angepasst und fortgeführt.

Die Kita Eckenhof arbeitet nach dem Offenen Konzept mit Bezugsgruppen und dem Bezugserzieherinnensystem, d.h. Eingewöhnungen, Entwicklungsgespräche mit den Eltern sowie das Führen des Portfolios gehören zum Aufgabenfeld der Bezugserzieherin jedes Kindes. Die Kinder treffen sich täglich in ihrer Gruppe mit ihren Bezugserzieherinnen im Morgenkreis. Nach einer Begrüßung besprechen alle gemeinsam den Tagesablauf, singen und machen Fingerspiele. Danach haben die Kinder die Möglichkeit, sich gemäß ihren Entwicklungsthemen in unterschiedlichen Räumlichkeiten und dort in den sogenannten „Bildungsinseln“ aufzuhalten, zu spielen und ihren Interessen nachzugehen. Hierzu stehen ihnen ein Rollenspielzimmer, ein Bewegungsraum, ein Musikzimmer, ein Kreativzimmer, eine Bücherecke, Spieletische, ein Forscherraum, ein Bauzimmer und ein Garten zur Verfügung.

Das Freispiel hat einen sehr hohen Stellenwert. Es ist uns wichtig, den Kindern lange und zusammenhängende Freispielphasen anzubieten, um ihnen die Möglichkeiten zu geben, selbstständig ihren Themen und Interessen nachgehen zu können. Diese Phasen werden dann durch Impulse und Angebote der Fachkräfte in sogenannten „Treffpunkten“ ergänzt. Die Impulse und Angebote entstehen einerseits aus den Beobachtungen und andererseits aus den Individuellen Curricula (IC), die die Bezugserzieherinnen für die Kinder erstellen. Darüber hinaus findet sich in diesen Treffpunkten auch die Zeit für Projekte, für Geburtstagsfeiern und ähnliches. Um offen arbeiten zu können, ist ein regelmäßiger Austausch zwischen uns Erzieherinnen in Bezug auf die Kinder notwendig. Dienstbesprechungen und Auswertungszeiten müssen diesen fachlichen Austausch gewährleisten. Offenes Arbeiten bringt mit sich, dass alle Erzieherinnen in gleichem Maße für alle Kinder Beobachtungen festhalten. Dadurch wird gewährleistet, dass die Bildungsschritte und Lernerfahrungen einzelner Kinder in allen Bildungsbereichen und Räumlichkeiten wahrgenommen werden. Projekte und die Bearbeitung der Individuellen Curricula werden ebenfalls durch alle Teammitglieder getragen und ergänzt. Somit sind alle Mitarbeiterinnen in die Erstellung einer runden Bildungsbiografie der Kinder einbezogen.

Die Basis unserer Arbeit

In der sogenannten „Verfügungszeit“ werden die infans-Instrumente von der Erzieherin alleine oder in Kleingruppen erarbeitet. Sie bilden die Basis für die Individuellen Curricula, die jede Fachkraft für ihre Bezugskinder erstellt. Die Arbeit nach dem infans-Konzept ist und bleibt ein beständiger Prozess. Die Umsetzung der Instrumente muss immer wieder reflektiert werden. Das bringt beispielsweise auch mit sich, dass die täglichen Strukturen je nach Bedarf überdacht, verändert und angepasst werden müssen. Durch den Austausch im Team und den Austausch mit anderen Einrichtungen stehen den Bezugserzieherinnen immer wieder nützliche Dokumentationen zur Verfügung wie beispielsweise die „Kurznotizen“. Diese Dokumentationsform führt jede Erzieherin in ihrem Bildungsbereich durch. Sie dokumentiert Situationen, welche die Interessen, Tätigkeiten und Entwicklungsschritte der Kinder aufzeigen, mit kurzem Text und Bildmaterial. Diese „Kurznotiz“ wird dann an die jeweilige Bezugserzieherin weitergegeben und ist ein wichtiger Bestandteil des Portfolios.

So entsteht eine breit gefächerte Dokumentation der Interessen des Kindes, die wiederum als Grundlage für die Bearbeitung der weiteren infans-Instrumente dient.

Strukturieren und organisieren

Bei gemeinsamen Teamsitzungen und Planungstagen wird für das Team und den Tagesablauf eine Struktur erarbeitet. Darin wird festgehalten, wie oft die einzelnen Instrumente des infans-Konzeptes durchgeführt und wie sie in der Portfolioarbeit dokumentiert werden. Es gibt feste Beobachtungsund Auswertungszeiten, die im Dienstplan verankert sind, um eine Kontinuität und inhaltliche Qualität zu gewährleisten. Jede Erzieherin hat einmal pro Woche einen Beobachtungszeitraum, den sie in ihrem eigenen Fachbereich oder allgemein nutzen kann. Die Auswertung findet an einem Tag in der Woche immer zur selben Zeit statt. Mindestens zwei bis drei Erzieherinnen, die jeweils in verschiedenen Bildungsinseln tätig sind, bilden eine Kleingruppe, um eine umfangreiche Auswertung durchzuführen. Zweimal im Jahr wird über eine Woche und immer zur selben Uhrzeit ein Soziogramm durchgeführt. Darin wird der aktive und passive Kontakt unter den Kindern und der Verlauf der Kontaktaufnahme zu Spielpartnern festgehalten. Der Termin dafür wird am Anfang des Kindergartenjahres festgelegt. Für das Individuelle Curriculum hat sich das Team zunächst darauf verständigt, dass eine Vollzeitkraft 2-3 und eine 50-Prozent- Kraft 1-2 Curricula erarbeitet. Auch in der Krippenarbeit sind Beobachtungen und Auswertungen fest verankert. Hier führen die Instrumente oft zu Impulsen für das Freispiel und schließlich zu kleineren Individuellen Curricula. Und auch hier bereichern die Kurznotizen die Portfolioarbeit. Allerdings haben wir festgestellt, dass es Phasen im Jahresablauf gibt, die es uns nicht ermöglichen, intensive Portfolioarbeit zu leisten, so z.B. während der Eingewöhnungen. Daher haben wir unsere Schwerpunkte in dieser Zeit bewusst verändert und angepasst. So stehen das Ankommen in der Einrichtung, der Bindungsund Beziehungsaufbau zum Kind und eine intensive Erziehungspartnerschaft im Vordergrund.

Finjas’ Portfolio – ein Beispiel

Von Oktober bis Dezember hat die Bezugserzieherin für den vierjährigen Finjas ein Individuelles Curriculum erstellt, nachdem im Team alle infans-Instrumente (siehe Kasten) zusammengetragen und besprochen waren. Hierbei kristallisierte sich heraus, dass Finjas’ Interessen im Bereich des Rollenspiels und im Beobachten seiner Umwelt liegen. In den „Zugangsbereichen“ (d.h. wo hält sich das Kind oft auf, welchen Themen wendet es sich stark bzw. weniger stark zu) zeigte sich ein hoher Wert im Bereich Sprache und ein niedriger Wert im Bereich Bewegung. Aus allen Instrumenten und den Beobachtungen des Teams legten wir Bildungsthemen fest, die wir mit folgendem Erziehungsziel fördern wollten: „Der erwachsene Mensch, der das Kind einmal sein wird, besitzt Körperbewusstsein.“ Dieses Ziel sollte durch Aktivitäten und Impulse im Bereich Psychomotorik und Bewegung sowie durch eine gemeinsame Dokumentation der Fähigkeiten Finjas erarbeitet werden. Gemeinsam mit ihm wurden seine Fortschritte im Bewegungsraum dokumentiert. Außerdem wurde das Thema „Wachstum“ ein Bestandteil der Bearbeitung seines Individuellen Curriculums. Aus Finjas’ IC entstand nach und nach ein Projekt für die gesamte Einrichtung, das sich über mehrere Monate erstreckte. Das Thema „Wachstum“ wurde von allen Erzieherinnen in allen Bildungsräumen durch verschiedene Aktivitäten ergänzt. Die Angebote reichten über das menschliche Wachstum mit den Themenbereichen „Wie groß bin ich?“, „Wie sah ich als Baby aus?“ bis zum Pflanzenwachstum. Außerdem wurden Vorgänge in der Natur wie das „Frühlingserwachen“ beobachtet, thematisiert und zusammen mit den Kindern dokumentiert.

Nicht jedes Individuelle Curriculum zieht so weite Kreise in unserer Einrichtung. Dennoch ist es uns wichtig, dass aus einem individuellen Thema für ein Kind auch ein attraktives Angebot für viele Kinder werden kann.

Unser Fazit

Die Entscheidung für die Umsetzung des infans-Konzeptes in unserer Einrichtung fiel uns aus fachlicher Sicht nicht schwer. Wir waren und sind überzeugt vom Bild des Kindes und vom individuellen Blick auf die Interessen und Stärken jedes einzelnen Kindes darin. Die Arbeit mit den Bildungsthemen der Kinder in Verbindung mit den Erziehungszielen der Einrichtung lässt uns jeden Tag gemeinsam auf Entdeckungstour mit den Kindern gehen.

Das Portfolio dient unter anderem als Grundlage für Elterngespräche. Dazu gehören sowohl Entwicklungsgespräche als auch die Vorstellung und Besprechung des Individuellen Curriculums des Kindes. Die aktive Erziehungspartnerschaft, die das Konzept erfordert und gleichzeitig begünstigt, empfinden wir als fachliche Bereicherung.

Für uns ist das infans-Konzept ein in sich abgerundetes und schlüssiges Konzept, das alle Bereiche der kindlichen Entwicklung in den Blick nimmt und durch die verschiedenen Instrumente deren Beobachtung und Dokumentation gewährleistet. Dennoch war die Umsetzung von den ersten Fortbildungen bis heute nicht immer einfach. Viele Fragen, Diskussionen und auch Grenzen begleiteten den Weg. Das gesamte Team musste sich auf einen kontinuierlichen Prozess einlassen, der einer ständigen Reflexion und Anpassung der Strukturen innerhalb der Einrichtung bedarf. Zudem ist das Konzept sehr zeitintensiv. Nicht selten kommen Mitarbeiterinnen mit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit an die Grenze des Machbaren. In besonderen Situationen wie beispielsweise bei hohen Krankenständen oder auch während der Eingewöhnungszeiten gerät die Arbeit mit den infans-Instrumenten ins Stocken. Kleinere Gruppengrößen und ein höherer Personalschlüssel wären angebracht und wünschenswert, um noch besser auf die Themen der Kinder eingehen zu können.

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