Eine individuelle Begleitung von Kindern basiert immer auch auf der schriftlich dokumentierten Beobachtung. Dabei kommt den Aussagen der Kinder und den Kindergesprächen eine große, nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.
Achtsam in Beziehung sein
Eine gelingende Gesprächsdokumentation setzt Alltagsstrukturen voraus, die Kindern und Erwachsenen in einer entspannten Atmosphäre viel unverplante Zeit lassen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann können sich ungestörte Dialoge unter zwei oder mehr Kindern oder in einer ganzen Gruppe entwickeln, die Erwachsene differenziert beobachten, zuhören oder gegebenenfalls durch eine Gesprächsführung unterstützen können. Intensive Dialoge sind nicht vorhersehbar und vertragen selten Unterbrechungen. Eine Grundhaltung der Erzieherin, die geprägt ist von Offenheit und Achtsamkeit sowie von einer vertrauensvollen Beziehung zum Kind, ist eine weitere wichtige Voraussetzungen für das Dokumentieren. Es passiert dennoch, dass sich ein Kind, trotz genannter Voraussetzungen, durch das Zuhören und Dokumentieren gestört fühlt und die Nähe des Erwachsenen in dem Moment ablehnt. Das muss selbstverständlich respektiert werden.
Momentaufnahme der kindlichen Lebenswirklichkeit
Dialoge können der Klärung einer Sache und der Suche nach einer Antwort dienen oder ein Austausch von Gedanken und Gefühlen sein. Mal haben sie Diskussionscharakter, mal entwickeln sie sich zum philosophischen Gespräch. Immer spiegeln sie etwas von der augenblicklichen Befindlichkeit eines Kindes wider, oft auch etwas von seinem bisherigen Entwicklungsweg. Die Erfahrungen der ersten Lebensjahre haben beispielsweise Sichtweisen und Wertvorstellungen geprägt. Die Unbefangenheit und Ehrlichkeit der Kinder gewährt Einblicke in ihre sozialemotionale Entwicklung und Empathiefähigkeit. Alles, was im Dialog sichtbar wird, ist für die Entwicklungsbegleitung von Bedeutung, denn das Miterleben und das Aufzeichnen der gesprochenen Worte schärft die Wahrnehmung für die Individualität eines Kindes und verändert manchmal nachhaltig das Bild auf dieses Kind. Dennoch muss auch bedacht werden, dass Gesprächsdokumentationen eine Momentaufnahme sind. Sie geben nur einen Teil der kindlichen Lebenswirklichkeit wieder und zeigen das Kind nicht in seiner Gesamtheit. Das Miterleben von Dialogen und das Aufzeichnen der gesprochenen Worte verfeinern die Wahrnehmung für die Individualität eines Kindes und verändern manchmal nachhaltig das Bild dieses Kindes.
Ausgangspunkt für Projekte
Oft stoßen Dialoge eine besondere Aktion oder ein neues Projekte an. Schon während des Austausches signalisieren die Kinder, in welche Richtung ihr Interesse geht und dass sie einer Sache weiter auf den Grund gehen wollen. Eine Frage kann ebenso wie eine neue Erkenntnis zum gemeinsamen Handeln führen. Das Sammeln und Bewahren dieser richtungsweisenden ersten Gedanken ist wichtig für Kinder und Erwachsene. Es unterstützt die nachfolgende Projektbegleitung und ist unverzichtbar für eine gute Projektdokumentation. Dialoge, die in einer größeren Gruppe stattfinden und beispielsweise der Klärung eines Konfliktes oder dem Umgang mit Regeln dienen, sind hilfreich für Gruppenprozesse und können den Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt noch mal vorgelesen werden.
Nachhaltige Sprachförderung
Gerade im Hinblick auf eine effektive Sprachförderung gehören Gesprächsdokumentationen zum Alltag in Kitas. Sie gewähren Einblicke in fast alle Bereiche der Sprachentwicklung wie zum Beispiel der Wortbedeutung, Wortbildung, Satzbildung, Kognition und Kommunikation. Oftmals sind die Gesprächsdokumentationen aufschlussreicher als Checklisten oder Testbögen. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Kind Deutsch als Zweitsprache erlernt. Häufiges Dokumentieren erhöht die Sensibilität für die Sprache der Kinder mit all ihren Facetten. Gerade in Dialogen sind die Sprachkompetenzen, die Fähigkeiten des Spracherwerbs und das Ausdrucksvermögen hörbar. Das ist hilfreich für die Einschätzung des Entwicklungsstandes und eine kompetenzorientierte Entwicklungsbegleitung. Darum beginnt das Dokumentieren sinnvollerweise bereits in der Krippe, wo Kinder ihre ersten Dialoge mit anderen Kindern oder Erwachsenen entwickeln. Nach der anfänglichen Verständigung durch Laute, Gestik und Mimik werden zunehmend verbale Botschaften ausgetauscht. Sie beginnen zum Beispiel mit den Worten: „Guck mal, …“ oder „Weißt du was, …“, weil Entdeckungen und Erfahrungen mit anderen geteilt werden sollen. Die Dialoge dienen der Kontaktaufnahme und schaffen soziale Beziehungen. Um Entwicklung von Sprache im oft lebhaften Krippenalltag wahrzunehmen und auch um Eltern auf diesem Weg mitzunehmen, lohnt es sich, diese frühen Dialoge festzuhalten. Fotos und Videos ergänzen diese schriftlichen Dokumentationen.
Kinder beteiligen
Ob Gesprächsdokumentationen in den Unterlagen der Erzieherin verbleiben, ein Teil der Portfolios sind, schriftliche Lerngeschichten ergänzen oder in Projektdokumentationen in der Einrichtung zugänglich sind, das muss immer wieder aufs Neue und vor allem gemeinsam mit den beteiligten Kindern entschieden werden. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder, die bereits einen Bezug zur Schriftsprache haben, es als wertschätzend empfinden, wenn ihre Worte nicht verloren gehen. Sie gewöhnen sich daran, dass Block und Stift immer griffbereit sind, oder erinnern Erzieherinnen sogar an das Dokumentieren. Danach können sie gut entscheiden, ob die eigenen Worte auch für andere bestimmt sein sollen oder nicht. Wer Kinderdialoge dokumentiert, sammelt Schätze. Diese kostbaren Schätze können übrigens auch Erwachsene in Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung bereichern. Schon während des Dokumentierens oder beim späteren Lesen stimmen viele Gedanken der Kinder nachdenklich und regen an, die eigenen Sichtweisen erneut zu hinterfragen. Die Betrachtungsweisen der Kinder sind oftmals erstaunlich einfach und einleuchtend, ihre klaren Aussagen haben etwas Wundervolles und manchmal sogar Tröstliches.