Seit einigen Jahren sind sie immer wieder einmal Thema: Männer in Kitas. Bundesweit wurden etliche Kampagnen initiiert, damit es mehr von ihnen gibt. Dabei sind Männer in vielen Kitas heute selbstverständliche Realität. Über 25.000 männliche Fachkräfte arbeiten in deutschen Kitas. Das sind zwar nach wie vor nur ungefähr fünf Prozent des gesamten pädagogischen Personals, aber doch so viele, dass sie nicht mehr unbedingt Seltenheitswert haben. Allerdings verteilen sich diese Männer sehr unterschiedlich auf Bundesländer, Regionen und Träger. In Großstädten wie Hamburg, Frankfurt, Berlin oder Hannover ist jede zehnte pädagogische Fachkraft ein Mann. In ländlichen Gegenden vieler Bundesländer sind Männer in Kitas dagegen nach wie vor kaum zu finden. Auffällig ist auch: Wo schon Männer sind, kommen leichter Männer dazu - immer häufiger gibt es daher Kitas, in denen mehrere Männer arbeiten. Auch männliche Praktikanten zieht es eher in solche Einrichtungen. Daneben gibt es nach wie vor viele Kitas, die männerfreie Zonen sind, ohne dass dies sonderlich aufzufallen scheint.
Aber warum sollte das überhaupt ein Problem sein? Viele Jahrzehnte lang haben Kitas doch auch ohne Männer den Alltag bewältigt und pädagogische Ansätze weiterentwickelt. Daher gibt es auch kritische Stimmen, die sich gegen Maßnahmen für mehr männliche Fachkräfte aussprechen. So wird kritisiert, dass in geschlechtsgemischten Teams traditionelle Rollenverteilungen wieder verstärkt werden können. Befürchtet wird auch, dass Männer bevorzugt werden und Frauen die wenigen Leitungsstellen wegnehmen könnten. Zuweilen stecken hinter der Kritik auch ganz althergebrachte Vorstellungen - zum Beispiel die, dass Männer schon biologisch nicht so darauf ausgerichtet seien, sich um kleine Kinder zu kümmern, und daher insbesondere in der Krippe eigentlich nichts zu suchen hätten.
Inzwischen gibt es erste Forschungsarbeiten, die sich mit dem tatsächlichen Verhalten männlicher und weiblicher Fachkräfte in Kitas befassen und es ermöglichen, über derartige Klischees hinauszukommen. So belegt die Dresdner Tandem-Studie1, dass sich ausgebildete männliche und weibliche Fachkräfte hinsichtlich der pädagogischen Qualität ihrer Interaktionen mit Kindern nicht signifikant unterscheiden. Männer sind also weder „bessere“ noch „schlechtere“ Pädagogen/-innen als Frauen. Gleichzeitig gibt die Studie deutliche Hinweise auf die Bedeutung des Faktors Geschlecht. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn auch das Geschlecht der Kinder mit in die Betrachtung einbezogen wird. So unterscheiden sich Männer und Frauen darin, welche Interessen von Jungen und Mädchen sie bevorzugt aufgreifen.
Auch die Innsbrucker „Wirkungsstudie“2 stellte bei Videobeobachtungen fest, dass manche Jungen besonders enge Beziehungen zu männlichen Fachkräften entwickelten. In mancher Hinsicht scheinen männliche Fachkräfte also für Kinder, insbesondere Jungen, wichtig zu sein. Dies könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass Männer eher ansprechbar für wildes und „riskantes“ Spiel sind; Spielformen, die vielen Kindern Spaß machen und zudem wichtige Lernerfahrungen ermöglichen. Männliche Kita- Fachkräfte sind eher bereit, selbst Risiken einzugehen, und gehen entspannter mit riskantem Verhalten von Kindern um, wie Studien aus Norwegen zeigen, wo der Anteil männlicher Fachkräfte etwa doppelt so hoch ist wie in Deutschland.3 Typisch „männlich“ ist auch das „Raufen und Toben“, das bei Jungen deutlich häufiger zu beobachten ist als bei Mädchen - und an dem Männer (sowohl Väter als auch männliche Pädagogen) sich deutlich häufiger beteiligen.
Soll das nun heißen, dass Männer in erster Linie dafür gebraucht werden, damit sie spannende Sachen mit Jungen machen und mit ihnen herumtoben? Natürlich nicht.
Denn daneben gibt es noch viele andere Gründe für mehr männliche Fachkräfte, die in den letzten Jahren vielfältig diskutiert und auch veröffentlicht wurden.4 In eine ganz andere Richtung als die Betonung „männlicher“ Eigenschaften weist einer dieser Gründe, der kaum von der Hand zu weisen ist: Nur wenn es in Kitas Frauen und Männer gibt, wenn Kinder von beiden Geschlechtern erzogen werden, kann das Geschlecht weniger bedeutsam werden. Denn sonst bleibt ja doch immer der Eindruck bestehen, dass kleine Kinder „Frauensache“ sind. Wenn dagegen Männer und Frauen selbstverständlich Kinder trösten, wickeln und durch die Gegend tragen; mit ihnen spielen, kuscheln, toben; mit ihnen reden, streiten und auch mal schimpfen - dann ist das nichts „Weibliches“ oder „Männliches“ mehr, sondern einfach das, was Menschen mit kleinen Kindern tun.
Dennoch gibt es nach wie vor Vorbehalte gegen Männer, die sich sowohl auf das Interesse von Männern am Arbeitsfeld als auch auf die alltägliche pädagogische Praxis negativ auswirken können. Vor allem aber gibt es das Misstrauen, dass Männer in Kitas sexuelle Übergriffe auf Kinder begehen könnten.
Tatsächlich hat es vereinzelt solche Fälle gegeben, und es ist absolut notwendig, dass Kinder sicher vor derartigen Übergriffen geschützt werden. Dazu haben viele Kitas und Träger in den letzten Jahren Schutz- und Interventionskonzepte entwickelt. Die allermeisten männlichen Fachkräfte betrifft das aber überhaupt nicht. Darum sind Regeln wie die, dass Männer kleine Kinder nicht wickeln dürfen, nicht nur unsinnig, sondern auch diskriminierend. Es kann männliche Fachkräfte sehr irritieren, wenn so ein genereller Verdacht irgendwie „in der Luft liegt“. Insbesondere sind manche Männer unsicher, wenn es um nahen körperlichen Kontakt zu den Kindern geht. Der ist aber insbesondere in der Arbeit mit kleinen Kindern unverzichtbar, weil Kinder ja mit allen Sinnen aufnehmen und mit dem ganzen Körper sprechen und ihre Beziehungen gestalten.
Fazit
Ob Männer in Kitas ein Gewinn und eine Bereicherung für Kitas darstellen oder aber zur Bestätigung traditioneller Hierarchien und zur Verstärkung stereotyper Verhaltensmuster führen, lässt sich nicht pauschal beantworten.
Entscheidend ist vielmehr, inwieweit männliche und weibliche Fachkräfte ihr eigenes geschlechtsbezogenes Verhalten reflektieren. Die Herausforderung besteht darin, Erwartungen an Männer und Frauen und geschlechtstypische Verhaltensweisen im Team infrage zu stellen und zu verändern, anstatt diese als gegeben hinzunehmen und damit entsprechende Muster auch bei Kindern zu verstärken. Eine davon ausgehende geschlechterbewusste Pädagogik kann zum Schlüssel für eine Förderung kindlicher Bildungsprozesse werden und dem alltäglichen pädagogischen Handeln vielfältige Impulse geben. Männer in der Kita sollten dabei weder als „Retter“ noch als „Problem“ betrachtet, sondern als ganz „normal“ angesehen werden. Es geht darum, dass Frauen und Männer zusammenarbeiten und sich gemeinsam den vielfältigen Herausforderungen stellen, die Geschlechterfragen für uns alle bedeuten.