Antworten auf Fragen von Berufseinsteiger/-innenWie gelingt es mir, dass Eltern mich ernst nehmen?

„Es gilt, eine Balance zu finden zwischen einer gut funktionierenden Partnerschaft mit Eltern und einer notwendigen Distanz.“

Gerade als junge/r, frisch ausgebildete/r Erzieher/-in stellt der professionelle Umgang mit Eltern eine große Herausforderung dar. Viele Eltern sind älter als Sie und damit reicher an Lebenserfahrung. Sie haben eigene Vorstellungen von pädagogischer Arbeit und formulieren daher Wünsche und Ideen, die manchmal nicht zu erfüllen sind. Um von den Eltern ernst genommen zu werden und mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren, müssen Sie die Balance finden zwischen einer gut funktionierenden Bildungs- und Erziehungspartnerschaft und einer notwendigen professionellen Distanz. Drei Punkte sind unabdingbar, um diesen „Spagat“ von Anfang an hinzubekommen:

1. Sich selbst als Experten/-in anerkennen

Zuallererst sollten Sie - auch wenn es auf den ersten Blick merkwürdig erscheint - sich selbst als Fachfrau/Fachmann anerkennen. Das Wissen, das Sie in Ihrer Ausbildung erworben haben, ist wertvolle und wichtige Grundlage für Ihre Arbeit. Sie können sich und diesen Kenntnissen vertrauen. Natürlich können Sie diese Selbst-Anerkennung nicht einfach einschalten wie eine Kaffeemaschine. Das ist ein Prozess und die Entwicklung dieses Bewusstseins braucht Zeit. Selbstbewusstsein ist eine wunderbare Eigenschaft. Wenn es sich entfaltet, werden Sie Vertrauen ausstrahlen. Mit der Folge, dass auch die Eltern dies wahrnehmen: Sie werden Sie ernst nehmen und als Profi anerkennen.

2. Sich selbst besser verstehen lernen

Eltern werden pädagogische Fachkräfte dann ernst nehmen, wenn sie diese als professionelle Unterstützer/-innen für die Entwicklung ihres Kindes wahrnehmen. Der Grundstein für Professionalität wurde in der Ausbildung gelegt. Nun gilt es, sie weiterzuentwickeln. Dazu gehört neben permanenter fachlicher Weiterbildung, dass Sie sich mit Ihrer Biografie auseinandersetzen und erforschen, wie sich dieses Geworden-Sein auf Ihr gegenwärtiges Verhalten auswirkt.2 Der Prozess der Bewusstwerdung ist nötig, damit Sie nicht in alten Mustern hängen bleiben, deren Ursache Sie nicht kennen. Das klingt erst mal kompliziert, ist aber sehr erfolgreich und gelingt zum Beispiel, wenn Sie sich diese Fragen stellen und beantworten:

  • Wie habe ich meine eigenen Eltern erlebt? Was habe ich an ihnen besonders geschätzt, was hat mich an ihnen besonders gestört?
  • Welche Eltern- und Familienbilder trage ich in mir? Welche Gefühle verbinde ich mit ihnen?
  • Wie würde ich als Elternteil in dieser Kita behandelt werden wollen? Worüber würde ich mir Sorgen machen?
  • Welchen Eltern aus meiner Kita gehe ich am liebsten aus dem Weg? Warum ist das so?

Ihr neues Wissen über sich selbst können Sie nutzen, um alltägliche oder besondere Situationen mit Eltern zu reflektieren. Zum Beispiel, warum Sie ein schlechtes Gefühl in einer Situation hatten oder Sie die Eltern als zurückhaltend oder gar ablehnend empfanden, obwohl Ihre Kollegen/-innen dies anders erlebt haben. Bewusstes Handeln ist das Gegenteil von Handlungen, die „aus dem Bauch heraus“ kommen, oder solchen, die mit folgenden Sätzen beschrieben werden: „das macht man eben so“, „das tut man nicht“ usw. Indem Sie sich über sich bewusst sind und werden, vermitteln Sie den Eltern, dass hinter Ihrer Haltung, Ihren Aussagen und Entscheidungen vernünftige Gründe und Entscheidungen stehen. Die unvermeidliche Folge ist: Sie werden von den Eltern ernst genommen.

3. Gespräche kompetent führen

Ein wesentlicher Faktor für gute Gespräche mit Eltern und damit letztendlich für das Gelingen einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ist die Beziehung zwischen Ihnen und den Eltern. Wichtig ist, dass sich dieses Aufeinander-Bezug-Nehmen entwickelt. Das heißt: Lassen Sie der Beziehung Zeit zum Wachsen. Der Nährstoff dafür ist kommunizieren. Meine Tipps für die Kommunikation (nicht nur) mit Eltern sind:

  • Seien Sie ihnen körperlich zugewandt, während Sie mit ihnen sprechen
  • Nehmen Sie während des Gesprächs eine entspannte Körperhaltung ein
  • Suchen Sie Blickkontakt zu ihnen
  • Achten Sie auf einen freundlichen Tonfall
  • Stellen Sie offene Fragen2, senden Sie nonverbale Signale aus (zum Beispiel zustimmendes Nicken), die Ihrem Gegenüber signalisiert, dass Sie ein echtes Interesse an seiner Meinung haben
  • Unterbrechen Sie Ihre/n Gesprächspartner/-in nicht, während er/sie spricht, außer es gibt einen triftigen Grund

Damit sind wir mitten im Thema aktives Zuhören. Das aktive Zuhören ist eine von fünf Techniken der Gesprächsführung3 und bedeutet, die Meinungen und Gefühle des anderen zu erfassen und zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Aktives Zuhören ist das Gegenteil einer Kommunikation, in der wir, während der/die andere noch spricht, bereits darüber nachdenken, was wir dazu zu sagen haben. Oder ihn/sie gar unterbrechen, um schnell unsere Meinung loszuwerden. Dadurch wirken wir unaufmerksam und der/die andere fühlt sich verständlicherweise unverstanden. Aktives Zuhören entschleunigt die Kommunikation, denn es geht darum, die/den andere/n zu verstehen und ihm echtes Interesse an ihrer/seiner Sichtweise zu vermitteln.
Ich-Botschaften zu senden ist eine weitere Technik, mit ihr vermeiden Sie Verallgemeinerungen oder gar Anklagen. Konkret bedeutet dies, Eltern nicht anzuklagen, wenn Sie bspw. ein Verhalten von ihnen stört, sondern mit ihnen darüber zu sprechen, wie Sie dieses Verhalten erleben. Weiterhin können Sie auch mögliche Konsequenzen aufzeigen, also argumentieren und Feedback geben. Ein Beispiel dazu: Leon, ein Junge aus Ihrer Gruppe, zeigt in letzter Zeit häufig aggressives Verhalten, das die ganze Gruppe beeinträchtigt. Ihr Gespräch mit dem Vater könnten Sie beispielsweise so (wertschätzend und positiv) beginnen:

  • „Ich mache mir Gedanken um Leon.“
    (Sie sprechen über Ihr Gefühl, geben ein Feedback und senden eine Ich-Botschaft.)
  • Leons Verhalten ist in letzter Zeit immer häufiger aggressiv und er eckt damit bei den anderen Kindern an.“
    (Sie beschreiben das Verhalten des Kindes neutral, Sie argumentieren und informieren den Vater.)
  • “Wenn das so weitergeht, möchte vielleicht bald niemand mehr mit ihm spielen.“
    (Sie zeigen eine Konsequenz des Verhaltens auf und geben Feedback.)

Nach einem solchen Gesprächsauftakt wird der Vater sehr wahrscheinlich gemeinsam mit Ihnen nach Begründungen für Leons Verhalten und nach möglichen Lösungen suchen wollen - weil er sich nicht angegriffen fühlt oder nun denken könnte, dass in seiner Familie etwas falsch gemacht wird.

Ich hoffe, dass meine Tipps weiterhelfen. Und falls die vor Ihnen liegenden Aufgaben (manchmal) zu groß und schwierig erscheinen, hier ein ziemlich alter Spruch, der aber nach wie vor Gültigkeit hat: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen - das heißt: Es wurde noch niemand geboren, der vom ersten Moment an alles perfekt gekonnt hat. Lernen müssen wir also alle. Wichtig ist nur, loszulegen.

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